Meines Erachtens sollten beim Bildungsgipfel folgende drei Probleme im Mittelpunkt stehen. Erstens: die große soziale Selektivität des deutschen Bildungssystems, das heißt, es müsste darum gehen, ernsthaft über das klassische dreigliedrige Schulsystem im Sinne einer Überwindung des Systems nachzudenken, und es müsste intensiv diskutiert werden über eine deutliche Verbesserung der vorschulischen Ausbildung. Ein mindestens genauso gravierendes Problem ist die drastische Benachteiligung von Kindern aus Migrantenfamilien. Also wenn man sieht, dass inzwischen 40 Prozent keine weitere Ausbildung erfahren, bei türkischen Jugendlichen 72 Prozent, das ist auf Dauer ein katastrophaler und nicht zu haltender Zustand. Und das Dritte, das hängt auch wiederum mit den beiden schon gesagten Punkten zusammen, man müsste ernsthaft über die Unterfinanzierung des gesamten deutschen Bildungssystems diskutieren. Das zieht sich durch alle Ebenen, von der vorschulischen Bildung über die Schulen bis in die Hochschulen, dass Deutschland, wenn man es im internationalen Vergleich sieht, schlicht und einfach zu wenig ausgibt. Also die skandinavischen Länder geben zwischen 60 und 80 Prozent bezogen aufs Bruttoinlandsprodukt mehr aus. Und dass Deutschland in den letzten Jahren, was die Bildung angeht, sogar weniger ausgibt von Jahr zu Jahr, statt bei diesen Ausgaben etwas draufzusatteln, das ist auch nicht hinnehmbar.
"Dass Deutschland, was die Bildung angeht, von Jahr zu Jahr weniger ausgibt, ist nicht hinnehmbar"
Professor Michael Hartmann, Soziologe und Eliteforscher TU Darmstadt