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Data Storytelling
Mit Grafiken Geschichten erzählen

Fotos seien sehr gut darin, die Emotionen eines Lesers anzusprechen, sagte die Informationsdesignerin Lisa Charlotte Rost im Corsogespräch. Informationsgrafiken kämen hingegen eher zum Einsatz, wenn man das Verständnis beim Leser erhöhen wolle. Derzeit werde stark daran gearbeitet, wie man am besten mit Daten Geschichten erzählen könne.

Lisa Charlotte Rost im Gespräch mit Susanne Luerweg | 15.03.2017
    Diese Ansicht der Milchstraße wurde aus den ersten Messdaten der Raumsonde Gaia erstellt
    Diese Ansicht der Milchstraße wurde aus den ersten Messdaten der Raumsonde Gaia erstellt (ESA)
    Susanne Luerweg: Im Zeitalter des Internets müssen auch wir Radiomacher uns fragen, wie wir unsere Inhalte usergerecht aufbereiten. Und da greifen wir in der Regel ganz gerne auf Fotos zurück, Bilder im 16-zu-9-Format beispielsweise oder Bewegbilder, sprich Filme. Geht das aber nicht eventuell auch ein bisschen anders? Die Zeitungsverlage vor allem im Ausland machen es vor: "Guardian", "New York Times" und andere setzen auf ihren Online-Seiten auf sogenannte Infografiken, und auch das amerikanische National Public Radio, kurz NPR. Die Designerin Lisa Charlotte Rost war rund zehn Monate bei dem amerikanischen Sender und hat bei den Seiten mitgewirkt, jetzt ist sie zurück. Schönen guten Tag, Frau Rost!
    Lisa Charlotte Rost: Hallo, ich freue mich, hier zu sein!
    Luerweg: Illustration, Infografik: Wir haben so ein bisschen den Eindruck, als wäre das gerade wahnsinnig im Kommen, so jemand wie Christoph Niemann ist ein Superstar. Können Sie das jetzt auch werden?
    Rost: Ich habe das Gefühl, ich bin das schon so ein bisschen. Es gibt nicht viele Informationsdesigner oder viele gute Illustratoren. Und man ist schon ziemlich gefragt dieser Tage. Es ist auf jeden Fall ein Hype, der seit mehreren Jahren jetzt schon voranschreitet, dass mehr und mehr Redaktionen Informationsdesign und Datenvisualisierungen in ihren Artikeln integrieren wollen.
    Luerweg: Aber woher kommt das? Also, das, was Sie so machen, war früher normalerweise ganz öde, so eine Infografik. Sie machen da inzwischen Kunst draus!
    "Wir können heute besser Daten visualisieren als noch vor zehn Jahren"
    Rost: Genau. Das liegt vor allem an der Technologie, wir können heute besser Daten messen, besser Daten visualisieren und analysieren und dann auch publizieren als noch vor zehn Jahren, als noch vor 20 Jahren. Es gibt heute bessere Tools als damals, um dies alles zu tun.
    Luerweg: Jetzt waren Sie bei NPR, dem National Public Radio. Und wer hat da eigentlich genau entschieden, wann was grafisch aufbereitet wird? Haben Sie da gesagt, ach, das kann ich, da mache ich euch was Schönes draus, oder sind das dann die Redakteure?
    Rost: Bei NPR kam das einmal von unserer Abteilung, von der Datenvisualisierungsabteilung, und dann auch von den Redakteuren. Wir haben uns da ziemlich gut abgesprochen. Manchmal kamen die Ideen und auch die Daten und auch manchmal die finalen Daten von der Redaktion und manchmal hatten wir die Idee und haben das dann den Redakteuren vorgestellt.
    Luerweg: Im Grunde genommen erzählen Sie mit den Daten, mit diesen Infografiken doch auch eine Geschichte!
    "Storytelling ist gerade ein großes Stichwort"
    Rost: Genau, Storytelling mit Data. Das ist ein großes Stichwort gerade in der Szene, Storytelling. Das ist noch eine große Frage, die die Informationsdesignszene versucht herauszubekommen, wie kann man am besten Geschichten erzählen mit Daten, und wie ist das Verhältnis zwischen Artikel und Text und zwischen Grafik?
    Luerweg: Und wie kann man das am besten?
    Rost: Sehr gute Frage! Ich finde ja gut, was zum Beispiel die "Financial Times" macht, die direkt die Anmerkungen in die Grafik bringen, die sagen, das ist wichtig, guck dort hin, hier ist der Datenpunkt, den du dir am Ende merken sollst!
    Luerweg: Wie ist denn das, wann ist es sinnvoller, eine sogenannte Infografik zu machen, anstatt ein Foto zu wählen?
    Rost: Infografiken, Illustration und Foto haben alle sehr unterschiedliche Effekte auf den Leser. Man würde wahrscheinlich ein Foto nehmen, wenn man einen Menschen zeigen möchte, einen Politiker zum Beispiel, da wird das häufig gemacht, oder auch wenn man Emotionen ansprechen möchte. Fotos und Illustrationen sind sehr, sehr gut darin, die Emotionen anzusprechen von einem Leser. Informationsgrafiken sind da nicht so stark drin, die würde man eher nehmen, wenn man das Verständnis erhöhen will beim Leser.
    "Die 'New York Times' hat ein Team von 30, 40 Leuten"
    Luerweg: Haben Sie denn auch das Gefühl, dass diese Art der Datenvisualisierung – Sie waren ja jetzt eben bei NPR, einem amerikanischen Sender – im Ausland noch ein bisschen stärker zum Tragen kommt als bei uns in Deutschland, dass wir da noch nicht so ganz auf der Spur sind?
    Rost: Ich glaube, in Europa sind wir schon ziemlich weit vorne. Aber insgesamt, wenn man es lernen möchte und wenn man da richtig gut drin werden will, dann muss man schon auf die amerikanischen Kollegen gucken, auf "New York Times", "Quartz", "Guardian US", "NPR", "Washington Post" hat sehr gute Sachen gemacht mit der Wahl letztes Jahr. Die sind auf jeden Fall vorne dabei, die haben größere Teams, die "New York Times" hat ein Team von 30, 40 Leuten mindestens, die nichts anderes machen als dieses visuelle Storytelling.
    Luerweg: Ja, und man fragt sich ja so ein bisschen: Warum ist das bei uns so, warum hängen wir da so ein bisschen hinten dran? Also, wir sind ja im Moment doch eher in Zeitalter, wir machen mal ein Filmchen auf unsere Onlineseite, um irgendwas knallen zu lassen. Gehen wir da gerade den falschen Weg?
    "In Deutschland versucht man, das bisherige Erfolgsmodell weiterzuziehen"
    Rost: Ich glaube, dass deutsche Medien einfach nicht so gerne so schnell innovativ sind wie die amerikanischen Kollegen. Ich glaube, in Deutschland ist man gerne noch ein wenig skeptischer und versucht so, das bisherige Erfolgsmodell weiterzuziehen, als zu gucken, was funktioniert nicht mehr und was müssen wir ändern, damit es funktioniert. NPR verliert natürlich auch Hörer, Radio funktioniert nicht mehr so gut wie vor 50 Jahren, aber die haben das sehr, sehr schnell versucht, dann mit Podcasts und halt auch mit ihrer Website wieder auszugleichen und da die neuen Leser und die neuen Hörer anzusprechen. Die Marke besteht ja noch, die Marke NPR ist auch sehr, sehr stark in den USA, dort kennt man es noch von den Großeltern. Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die mir erzählt haben, ja, ich habe das immer mit meinen Großeltern gehört. Und genau, dann erkennt man das natürlich wieder, wenn das Logo über einem Podcast steht, das man bei iTunes oder so findet.
    Luerweg: Wie groß ist die Datenvisualisierungsabteilung bei NPR in Amerika?
    Rost: Die Datenvisualisierungsabteilung dort bei NPR ist zusammen in einem Team mit allen visuellen Gestaltern. Das Team nennt sich Visuals, visuelles Team, und es gibt dort Fotografen, da sitzen die ganzen Illustratoren, dort sitzen die Programmierer, dort sitzen die Leute, die Video machen, aber dann auch halt die Datenvisualisierungsleute und das sind, ich würde sagen, zwei bis drei Leute. Es ist gar nicht so groß, man sieht, man kann auch mit wenig Leuten viel erreichen.
    Luerweg: Kleiner Aufwand, große Wirkung. Lisa Charlotte Rost, freie Designerin, über Datenvisualisierung, wie das in Amerika schon längst gang und gäbe ist und vielleicht auch mal nach Deutschland kommt. Frau Rost, schönen Dank für das Gespräch!
    Rost: Vielen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.