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Daten erfassen, verarbeiten und übermitteln

Wenn bei Lebensmittelkontrollen Dioxine, verbotene Antibiotika oder andere Schadstoffe gefunden werden, dann ist inzwischen sehr oft die Quelle für diese Verunreinigung schnell zu finden. Denn mittlerweile müssen sowohl die Landwirte als auch die Nahrungsmittelverarbeiter und -produzenten über ihre Arbeit genau Buch führen. Die Dokumentation ist im Agrarbereich zu einem wesentlichen Bestandteil des Arbeitslebens geworden. Wie die Erfassung, Verarbeitung und Übermittlung dieser Daten möglichst einfach und branchenübergreifend erfolgen kann, dazu fand in Bingen eine Fachtagung statt - veranstaltet vom rheinland-pfälzischen Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium.

Von Ludger Fittkau | 15.04.2004
    "Gute Nahrung" - ohne Bildung?" Diese Frage auf einer großen Protesttafel am Eingang zum Gelände der Fachhochschule Bingen wirkte fast wie ein Motto der Tagung. Denn eine Voraussetzung für intelligente Arbeit auf dem Bauernhof ist heutzutage der Computereinsatz und die lückenlose Dokumentation von Stoffen wie Pestiziden oder Düngemitteln. Doch der Bauer Jörn Busenbeil aus Gruft bei Koblenz benannte die Probleme, die die landwirtschaftlichen Betriebe trotz inzwischen strenger Richtlinien immer noch mit der lückenlosen Dokumentation der Herkunft und Zusammensetzung der eingesetzten Rohstoffe haben:

    Ich glaube zur Zeit ist da ein großes Wirrwarr. Wenn man die Rohstoffe, sieht: Wo die überall herkommen, aus der ganzen Welt. Für den einzelnen Landwirt ist das kaum nachvollziehbar. Es sei denn, man hat geschlossene Betriebskreisläufe, füttert nur eigenes Futter, da kann man dann sicher gehen.

    Computergestützter Datenaustausch zwischen Erzeugern, Verarbeitern, Handel und Verbrauchern soll aber nun die Informationsflüsse weiter verbessern helfen. Dazu haben Informatiker der Fachhochschule Bingen Software entwickelt, die passgenau auf die Belange des Agrarsektors zugeschnitten ist. Angewendet wird diese Technik zum Beispiel bereits in Mecklenburg-Vorpommern, wie Monika Mense von der mehrheitlich vom Land getragenen LMS Landwirtschaftsberatung in Bad Doberan berichtete. Dort sind in einem Modellprojekt neun große Agrarbetriebe, die Braugerste anbauen, online mit einer Zuckerfabrik und einer Mälzerei verbunden:

    Für so ein großes Unternehmen wie eine Mälzerei, die Malz für die Biergerstenproduktion herstellen, ist es sehr wichtig zu erfahren, welche Sorte und welche Düngung benutzt wurde. Die Düngung ist relativ eingeschränkt bei der Braugerstenproduktion, weil trübes Bier mögen wir nicht sehr gerne und wenn sehr viel Stickstoff gedüngt wird, ist sehr viel Eiweiß im Produkt und das ist nicht gut für die Bierproduktion.

    Damit Daten auf den Höfen aber möglichst einfach erfasst werden können, gibt es Fachleute wie Thomas Damme. Der Wirtschaftsinformatiker aus dem thüringischen Zeulenroda programmiert handliche Datenerfassungsgeräte, die der Landwirt mit aufs Feld oder in den Stall nehmen kann:

    Also im Prinzip ein elektronisches Gerät, was ein bisschen größer ist als ein Handy, ungefähr so groß wie eine Handfläche, deswegen nennt man sie auch Handtels, und da können halt im Prinzip verschiedene Programme drauf laufen und wir als Firma machen gerade für den landwirtschaftlichen Bereich mobile Lösungen, zum Beispiel angefangen von einfacher Schlagdokumentation über Herdenmanagement-Programme, eine große Anzahl von Programmen für den landwirtschaftlichen Bereich, die halt alle auf Sim, dem kleinen elektronischen Assistenten laufen können.

    So oder ähnlich werden Daten künftig weltweit auf Bauernhöfen erfasst - und über das Internet in Sekundenschnelle vom Erzeuger bis zum Verbraucher zur Verfügung stehen. Davon zeigte sich in Bingen Horst Lang überzeugt, der für eine große Warenhaus-Kette international für die Qualitätssicherung beim Einkauf zuständig ist. Ob ein Lieferant nachwachsender Rohstoffe aus China oder ein Gemüsebauer in Südspanien - alle werden künftig über Internet mit den Händlern in Europa vernetzt sein:

    Das ist absolut machbar und es wird ja schon zum Teil praktiziert. Es fehlen jetzt nur einheitliche Systeme, um es dem Markt anzupassen. Es ist ja nicht nur für den Lebensmittelmarkt von Bedeutung, sondern für sämtliche andere Bereiche , bis hin zu den Arzneimitteln, wo solche Informationsflüsse einfach generiert werden müssen.

    Gute Nahrung - ohne Bildung? - das Protestplakat am Tagungsort bezog sich übrigens auf Pläne, den Fachbereich Landwirtschaft an der Fachhochschule Bingen aus Kostengründen zu schließen - das empörte viele Tagungsteilnehmer. Auch den Einzelhandelsmanager Horst Lang. Denn so global man künftig bei der Frage der Rückverfolgbarkeit in der Lebensmittelproduktion agieren müsse, so lokal habe man gerade bei Bildungseinrichtungen zu denken, die neue Ideen für die Landwirtschaft entwickeln. Wie die Fachhochschule Bingen:

    Bingen ist für die die Region Rheinland-Pfalz/Saar wichtig, es ist die einzige Agrarfakultät die existiert und wir haben hier ganz spezialisierte Agrarwirtschaft, vom Bierbereich bis hin zum Weinanbau und auf dieses Know How möchten wir natürlich in dieser Region auch nicht verzichten.