Unser gesamtes öffentliches Leben besteht aus Manifestationen von Privatleben. Da parkt eine Frau vor einem Haus, dort telefoniert jemand laut mit seinem Schatz, hier kauft ein Mann sich eine Hose. Man bekommt das alles mit, es ist der Alltag unserer Gesellschaft. Aber es geht einen nichts an. Es wird vielmehr erwartet, dass man diesen Strom von Eindrücken zu nichts verwendet, also keine Aufzeichnungen anfertigt, die Aufzeichnungen nicht auswertet und die Auswertungen nicht veröffentlicht.
Freilich, man könnte es tun. Die technischen Voraussetzungen haben sich in letzter Zeit so dramatisch verändert, dass es zum ersten Mal überhaupt in der Menschheitsgeschichte möglich ist, die Pufferzonen der Anonymität wie mit Laserstrahlen zu durchschneiden und den fundamentalen Gegensatz von Öffentlichkeit und Privatheit aufzulösen. Man könnte das öffentliche Straßengeschehen permanent filmen, öffentlich geführte Telefonate aufnehmen und dann eine gigantische Zuordnungs- und Rückverfolgungsarbeit leisten, an deren Ende bestimmt einige ungeahnte Zusammenhänge ans Licht kämen.
Die dazu nötigen Apparaturen sind ja längst in Stellung gebracht: Überwachungskameras sprenkeln den öffentlichen Raum in Bussen und Bahnen und auf städtischen Plätzen, Google View kurvt durch die Straßen, und die Leute tragen selber zu dieser Mediensammlung bei, was sie nur können, indem sie beispielsweise Fotos von sich ins Internet stellen und auf Facebook, Myspace und SchülerVZ die tollsten Dinge über sich preisgeben.
Es ist nur so, dass diese Inhalte in gewisser Weise so aleatorisch und unstrukturiert erscheinen müssen wie die Menschenmassen, deren Wege wir kreuzen. Wir hängen an dieser Vorstellung von Anonymität, die aus einer vordigitalen, vormedialen Epoche stammt. Deswegen funktionieren die sozialen Netzwerke trotz aller Elektronik noch wie das gute, alte Telefonbuch: Die Datensätze sind nach Namen geordnet.
Doch ähnlich der Inverssuche beim Telefonverzeichnis lassen sich auch die Teilnehmerdatensätze von SchülerVZ beliebig anders ordnen, wenn man ihrer nur habhaft wird. Dazu bedarf es keiner Hacker-Tricks, die Datensätze sind für Mitglieder frei einsehbar, allerdings immer nur häppchenweise, sodass man mit "Kopieren" und "Einfügen" nicht allzu weit kommt. Doch es gibt Programme, Crawler genannt, die diese Arbeit automatisch erledigen, tage- und nächtelang. So fließt prekärer Inhalt auf eine private Festplatte, und so ist es im Fall von SchülerVZ geschehen.
Die Geschäftsbedingungen, gegen die dabei verstoßen wurde, halten solche Vorkommnisse nicht ab. Sie sind überhaupt keine dauerhaft effektive Form von Datenschutz. Denn Daten, die vorhanden sind, lassen sich nicht dadurch schützen, dass ihre Benutzer sie zu schützen versprechen. Das ist wie bei einem Büffet, wo man sich à discrétion bedienen darf: Manch einer stopft sich dann die Taschen voll und wickelt Sandwichs in Servietten ein, weil Zulangen ja erlaubt ist. So wird das Absaugen von Daten à la longue wahrscheinlich als ähnlich normal empfunden werden wie das Überqueren einer Straße bei Rot.
Die Voraussetzungen von Anonymität haben sich eben so gravierend geändert, dass wir alle ein ganz anderes Verhältnis zur Öffentlichkeit unserer Privatdaten bekommen werden. Baudelaire schmachtete nach der fremden Frau, die im Großstadtgewühl an ihm vorüberlief; heutzutage würde er als Erstes nach ihr googeln.
Freilich, man könnte es tun. Die technischen Voraussetzungen haben sich in letzter Zeit so dramatisch verändert, dass es zum ersten Mal überhaupt in der Menschheitsgeschichte möglich ist, die Pufferzonen der Anonymität wie mit Laserstrahlen zu durchschneiden und den fundamentalen Gegensatz von Öffentlichkeit und Privatheit aufzulösen. Man könnte das öffentliche Straßengeschehen permanent filmen, öffentlich geführte Telefonate aufnehmen und dann eine gigantische Zuordnungs- und Rückverfolgungsarbeit leisten, an deren Ende bestimmt einige ungeahnte Zusammenhänge ans Licht kämen.
Die dazu nötigen Apparaturen sind ja längst in Stellung gebracht: Überwachungskameras sprenkeln den öffentlichen Raum in Bussen und Bahnen und auf städtischen Plätzen, Google View kurvt durch die Straßen, und die Leute tragen selber zu dieser Mediensammlung bei, was sie nur können, indem sie beispielsweise Fotos von sich ins Internet stellen und auf Facebook, Myspace und SchülerVZ die tollsten Dinge über sich preisgeben.
Es ist nur so, dass diese Inhalte in gewisser Weise so aleatorisch und unstrukturiert erscheinen müssen wie die Menschenmassen, deren Wege wir kreuzen. Wir hängen an dieser Vorstellung von Anonymität, die aus einer vordigitalen, vormedialen Epoche stammt. Deswegen funktionieren die sozialen Netzwerke trotz aller Elektronik noch wie das gute, alte Telefonbuch: Die Datensätze sind nach Namen geordnet.
Doch ähnlich der Inverssuche beim Telefonverzeichnis lassen sich auch die Teilnehmerdatensätze von SchülerVZ beliebig anders ordnen, wenn man ihrer nur habhaft wird. Dazu bedarf es keiner Hacker-Tricks, die Datensätze sind für Mitglieder frei einsehbar, allerdings immer nur häppchenweise, sodass man mit "Kopieren" und "Einfügen" nicht allzu weit kommt. Doch es gibt Programme, Crawler genannt, die diese Arbeit automatisch erledigen, tage- und nächtelang. So fließt prekärer Inhalt auf eine private Festplatte, und so ist es im Fall von SchülerVZ geschehen.
Die Geschäftsbedingungen, gegen die dabei verstoßen wurde, halten solche Vorkommnisse nicht ab. Sie sind überhaupt keine dauerhaft effektive Form von Datenschutz. Denn Daten, die vorhanden sind, lassen sich nicht dadurch schützen, dass ihre Benutzer sie zu schützen versprechen. Das ist wie bei einem Büffet, wo man sich à discrétion bedienen darf: Manch einer stopft sich dann die Taschen voll und wickelt Sandwichs in Servietten ein, weil Zulangen ja erlaubt ist. So wird das Absaugen von Daten à la longue wahrscheinlich als ähnlich normal empfunden werden wie das Überqueren einer Straße bei Rot.
Die Voraussetzungen von Anonymität haben sich eben so gravierend geändert, dass wir alle ein ganz anderes Verhältnis zur Öffentlichkeit unserer Privatdaten bekommen werden. Baudelaire schmachtete nach der fremden Frau, die im Großstadtgewühl an ihm vorüberlief; heutzutage würde er als Erstes nach ihr googeln.