Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Datenbank für das Leben der Anderen

Im Bundesrat ist am Freitag der Regierungsentwurf für die nächste Volkszählung diskutiert worden. Doch statt einer aufwändigen Befragung aller Bürger sieht der Regierungsentwurf vor, auf bereits erhobene Daten zurückzugreifen.

Manfred Kloiber im Gespräch mit Peter Welchering | 05.05.2007
    Manfred Kloiber: Daten der Bundesagentur für Arbeit, der Melderegister und aus einem noch zu schaffenden Anschriften- und Gebäuderegister sollen nach dem WIllen der Bundesregierung die Basis für eine zukünftige Volkszählung bilden. Dadurch soll das Volkszählungsverfahren vereinfacht werden und außerdem soll so eine Volkszählung dann auch noch weniger kosten. Trotzdem gab es heftige Kritik am Regierungsentwurf. Warum, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Kritisiert wurde und wird eigentlich der Bereich, der in der Bundesratsdiskussion eine eher untergeordnete Stellung einnahm, nämlich die Auswertung der kommunalen Melderegister. Die werden als kommunale Register dezentral geführt, aber die Pläne für das neue Bundesmeldegesetz sehen ja vor, dass diese dezentralen kommunalen Melderegister zu einem bundeseinheitlichen Melderegister verknüpft werden sollen. Gleichzeitig erhalten alle Bundesbürger von diesem Sommer an eine einheitliche Personenkennziffer vom Bundeszentralamt für Steuern zugeteilt. Diese Personenkennziffer ersetzt die bisherigen Steuernummern, und sie wird eben zentral beim Bundeszentralamt geführt. Bei der registergestützten Volkszählung soll nun mit dieser bundeseinheitlichen Kennziffer gearbeitet werden. Und das würde bedeuten, dass die 5300 Melderegister, die es gibt hierzulande, erstmals zusammengeschaltet werden und über diese Kennziffer alle Daten eines Bundesbürgers recherchiert werden können: Wo wohnt er, welches Einkommen hat er, mit wem wohnt er zusammen, wo arbeitet er, welches Auto fährt er, welche Kredite muss er bedienen - also der gläserne Bürger wird dadurch informationstechnisch Realität.

    Kloiber: Bisher sind die 5300 Melderegister aber doch getrennt. Müssen die beim Bundeszentralamt für Steuern eigens in eine neue Datenbank überführt werden oder wie läuft diese Vereinheitlichung technisch ab?

    Welchering: Was die Vergabe der Personenkennziffer angeht, nimmt die zwar das Bundeszentralamt vor und führt dafür auch eine eigene Datenbank. Aber gleichzeitig werden die kommunalen Melderegister ja gerade in landesweite Meldeportale überführt. Hier ist seit gut einem Jahr ein so genanntes Pyramidenmodell im Einsatz, mit dem alle 5300 Melderegister – rein technisch gesehen – zu einem virtuellen zentralen Melderegister verlinkt werden können. Das Bundeszentralamt für Steuern muss deshalb auch keine zentrale Datenbank führen. Rein technisch gesehen können die Steuer-Sachbearbeiter über eine Portalsoftware auf die Meldeportale der einzelnen Länder zugreifen.

    Kloiber: Aber die Personenkennziffer wird doch nicht in den kommunalen Melderegistern gespeichert. Das wurde zumindest vom Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble versichert.

    Welchering: Nein, die Personenkennziffer wird in den Meldeportalen nicht gespeichert. Das muss sie auch nicht. Denn die Meldeportale und damit die kommunalen Melderegister arbeiten mit einem Datenbankmodell, bei dem die Basisdaten der Melderegister beliebig mit Tabellen verknüpft werden können. Und über eine solche Tabelle kann auch von jedem Meldeportal aus – rein technisch gesehen – auf die bundeseinheitliche Personenkennziffer des Bundeszentralamtes für Steuern zugegriffen werden. Deshalb können alle Behörden, die mit einer Portalsoftware nach dem so genannten Pyramidenmodell ausgestattet werden, diese Personenkennziffer für die Vereinheitlichung ihrer Rasterfahndung benutzen. Wenn dann also, wie von der Bundesregierung gewollt, biometrische Merkmale wie Fingerabdrücke, Iris-Scan und digitale Gesichtsbilder automatisiert abgerufen werden können, kann über diese Personenkennziffer in Kombination mit dem Gesichtsbild eine Schnellabfrage bei allen in Bahnhöfen, Flughäfen oder an öffentlichen Gebäuden installierten Video- und Überwachungskameras abgefragt werden. So kann ein Bundesbürger, der eine Kennziffer des Bundeszentralamtes für Steuern hat, lückenlos überwacht werden. Das ist natürlich nur in rein technischer Hinsicht gesprochen – rechtlich ist eine solche Verknüpfung ja noch verboten.