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Datenmangel in Afrika

Umwelt. - Trockenheit ist insbesondere für Afrika ein großes Problem. Man sollte also meinen, dass die Afrikaner ihre knappen Wasserressourcen besonders im Auge behalten. Tatsächlich fehlt es aber an der Grundlage für ein gutes Wassermanagement: an Messdaten über die Wege des Wassers. Auf der Welt-Wasserwoche in Stockholm zerbrechen sich Experten den Kopf, wie man das verbessern kann.

Von Volker Mrasek |
    Eigentlich müsste es gerade in Afrika Messstationen zuhauf geben. Der Bedarf, sagt der schwedische Hydrologe und Ingenieur Rikard Lidén, sei jedenfalls groß:

    " In Süd- und Ostafrika schwankt das Klima sehr stark. Das meiste ist semi-arides Gebiet, gekennzeichnet vom Wechsel zwischen Dürreperioden und Regenzeiten. Da braucht man verlässliche Messreihen, will man die langfristig verfügbaren Wassermengen korrekt abschätzen."

    Die Realität sieht nach Lidéns Erfahrungen aber oft anders aus. Und der Mitarbeiter des schwedischen Ingenieur-Büros Sweco hat reichlich Expertise. Schon seit über zehn Jahren befasst er sich in seinen Studien mit Afrika:

    " Das größte Problem ist die Messung der Abflussmengen in den Flüssen. Dabei ist es gerade im Not leidenden Afrika wichtig zu wissen, wie viel Wasser sie übers Jahr führen. Ich denke, dass vielleicht die Hälfte aller Abfluss-Messwerte falsch ist."

    Afrika leide nicht nur an Wasser-, sondern auch an Datenmangel, mahnte Lidén jetzt in Stockholm, wo das Thema in einem Seminar erörtert wurde. Mit dabei auch Sten Bergström, Forschungsdirektor beim Schwedischen Wetter- und Wasserdienst in Norrköping:

    " Manchmal fehlen Daten einfach, weil niemals gemessen wurde. Manchmal werden Messstationen zerstört, durch Bürgerkriege. Doch meistens fehlt es den Wasserbehörden an Geld, um Leute für die Messungen abzustellen und die Instrumente zu warten. Das ist wirklich ein großes Problem."

    Ein Problem, von dem Rikard Lidén sagt, dass es immer größer werde - da auch die Qualität der Daten immer stärker nachlasse und viele Messreihen heute nicht mehr fortgesetzt würden. Dadurch könne der Wassermangel in Afrika sogar noch verstärkt werden, warnt der Ingenieur und schildert ein Beispiel aus der Süd-Ost-Ecke des Kontinentes. Dort fließt der Umbeluzi durch Swasiland und das angrenzende Mosambik. Beide Länder beanspruchen das Wasser des Flusses: Landwirte in Swasiland benötigen es für ihre Zuckerrohr-Felder; Mosambik braucht es für die Versorgung seiner Hauptstadt Maputo. Dort leben immerhin 1,8 Millionen Menschen. Lidén fand nun heraus, dass die Abflussmenge des Stromes zur Regenzeit krass überschätzt worden ist. Und zwar um fast 50 Prozent! Und das noch vor zwei Jahren, auf der Grundlage falscher Messdaten:

    " Was wäre, wenn man weiter von viel zu hoch gegriffenen Abflussmengen ausginge? Swasiland würde vermutlich noch mehr Zuckerrohr anbauen. Und in Maputo käme es dann zu viel größeren Engpässen bei der Wasserversorgung."

    Wie die jüngsten Analysen zeigten, lag der Fehler in der Auswahl der Messstation in Swasiland. Die hatte zwar den Pegelstand des Umbeluzi zur Regenzeit immer korrekt erfasst. Daraus war aber nie die richtige Abflussmenge abgeleitet worden. Die Formel war schlicht falsch! Rikard Lidén benutzte Daten einer anderen hydrologischen Station. Dadurch fiel der systematische Fehler an anderer Stelle auf. Ein Irrtum, der zu einer krassen Fehlkalkulation wertvoller Wasser-Ressourcen führte. Der Umbeluzi sei beileibe kein Einzelfall in Afrika, so Lidén. Nötig seien viel mehr wissenschaftlich validierte, also überprüfte Daten. Und um die zu bekommen, müssten die Wasserbehörden stärker unterstützt werden, meinen Forscher wie Bergström, nicht nur finanziell, sondern auch durch die Vermittlung von Know-how und die Qualifizierung von Mitarbeitern vor Ort. Nur so komme man der wahren Situation bei den Wasserressourcen näher:

    " Dadurch bekommen wir nicht mehr Wasser, aber gescheitere Versorgungssysteme."