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Geplante Schulweg-App in der Kritik

Die Schutzranzen-App soll den Schulweg von Grundschülern sicherer machen, indem sie beispielsweise Autofahrer warnt, wenn sich ein Schulkind in der Nähe befindet. Datenschützer befürchten jedoch, dass die Daten in falsche Hände kommen könnten.

Von Thomas Wagner | 05.04.2018
    Zwei Kinder üben vor ihrer Einschulung das richtige Überqueren einer Straße auf ihrem künftigen Schulweg.
    Datenschützer kritisieren die geplante Schutzranzen-App (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Heinz Handtrack ist Beauftragter für nachhaltige Mobilität der Stadt Ludwigsburg – und arbeitet derzeit an einem bundesweit einzigartigen Projekt, das da heißt: "Schutzranzen-App. Wir wollen den Schulweg etwas sicherer machen - gerade für die kleineren Schüler."
    Den Schulweg sicherer machen mit einer simplen App auf dem Smartphone: Das ist für Heinz Handtrack eine nur allzu verlockende Perspektive. Die Angst vor Schulweg-Unfällen soll Eltern und Kindern durch eine simple App auf dem Smartphone ihrer Kinder genommen werden.
    "Ein Autofahrer hat eine Gegen-App bei sich auf dem Smartphone oder später mal als Onboard-Unit direkt im Fahrzeug. Wenn jetzt dieses Fahrzeug in den Bereich der Schutzranzen-App kommt, das sind etwa 150 bis 300 Meter Radius, dann ertönt ein Signal – entweder per Geräusch oder ein Lichtsignal. Das heißt: Der Autofahrer wird einfach gewarnt."
    Angst vor Datenmissbrauch
    Kurzum, die App signalisiert dem Fahrer: Vorsicht, Schulkind in der Nähe! Aufpassen! Entwickelt wurde das System vom bayerischen Hersteller Co-Drive. Und eigentlich sollte es sowohl im niedersächsischen Wolfsburg als auch im baden-württembergischen Ludwigsburg alsbald erprobt werden. Allerdings: "Zunächst überwog mal die kritische Haltung".
    Erinnert sich Ludwigsburgs parteiloser Oberbürgermeister Werner Spec an jenen Moment, als er mit der Idee der Schutzranzen-App an die Öffentlichkeit ging. Denn: Damit die neue App funktionieren kann, müssen die Bewegungsdaten der Schüler erfasst und übermittelt werden. Kritiker befürchten einen Missbrauch dieser Daten. Carsten Rees ist Vorsitzender des Landeselternbeirates Baden-Württemberg:
    "Naja, wir haben jetzt lernen müssen und lernen immer mehr, dass selbst die Applications und die Anbieter in sozialen Netzen, die als besonders sicher galten, alles andere als sicher sind.
    Das heißt: Unsere Daten schwirren frei in der Weltgeschichte herum, wie wir sie kaum mehr kontrollieren können. Wollen wir unsere Kinder jetzt einem solchen Flotieren ihrer Bewegungsdaten aussetzen? Da habe ich aber meine allergrößten Bedenken."
    Praktische Umsetzbarkeit ist fraglich
    Außerdem stellt Rees die praktische Umsetzbarkeit der Schutzranzen-App infrage: "Damit diese App wirklich funktionieren kann, müssten ja viele Schülerinnen und Schüler und alle Autos diese App haben. Das werden wir nicht erreichen. Außerdem, muss ich sagen, fände ich es besser, wenn Autofahrer im Umfeld von Schulen sehr achtsam auf die Straßen schauen statt auf ihr Handy und ihre Apps."
    Während solche Argumente in Wolfsburg dazu führten, dass sich die Stadt von dem Projekt verabschiedet hat, wollen die Verantwortlichen in Ludwigsburg daran festhalten, allerdings auf der Basis der Freiwilligkeit von Schülern und Eltern.
    Den Einwand, Bewegungsdaten der Schüler könnten missbräuchlich verwendet werden, nehme man zwar sehr ernst. Gleichzeitig habe man aber durch eine Modifizierung der Schutzranzen-App, dafür Sorge getragen, dass es zu keinem Missbrauch kommen könne, so Heinz Handtrack, Beauftragter für nachhaltige Mobilität:
    "Es wurde eine Funktion, die besonders in der Kritik war, in der neuen Version der App herausgenommen, das so genannte Tracking. Die Position des App-Trägers kann nicht nachvollzogen und wird auch nicht gespeichert. Und die Daten, die übertragen werden und angezeigt werden auf der Gegenseite, werden auch sofort wieder gelöscht."
    Doch nicht nur deshalb möchte Ludwigsburgs Oberbürgermeister Werner Spec an der Schutzranzen-App festhalten: "Hier geht es darum, mehr Sicherheit auf dem Schulweg zu ermöglichen. Ich persönlich bin der Meinung, dass wenn die Menschen sehr transparente technologische Entwicklungen sehen, wenn sie selber Chancen und Risiken abwägen können, wenn die Eltern das entscheiden wollen, dann ist so etwas durchaus sinnvoll."
    Ludwigsburg will am Pilotversuch mit App festhalten
    Immerhin habe sich die anfänglich große Skepsis zum Teil gelegt.
    "Wir haben festgestellt, nachdem sich viele Eltern und Schulen sehr differenziert mit diesem Ansatz auseinandergesetzt haben, ist die kritische Haltung bei vielen gewichen. Und viele sehen durchaus Vorteile in einem solchen System."
    Deshalb will Ludwigsburg alsbald "grünes Licht" geben für den Start des ersten Modellversuches mit der Schutzranzen-App – allerdings erst dann, wenn der Landesdatenschutzbeauftragte "grünes Licht" gegeben hat. Das steht derzeit aber noch aus.