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Datenschutzverstöße am laufenden Meter

100 Überwachungskameras auf 400 Meter - so viele Geräte sind auf der sogenannten Mainzer Videomeile installiert. Grund genug für den rheinland-pfälzischen Datenschutzbeauftragten zu einem "alternativen Stadtrundgang" einzuladen - zumal viele der Kameras illegal postiert wurden.

Von Ludger Fittkau | 17.06.2010
    Auf den ersten Blick eine Einkaufspassage wie jede Andere: Die Römerpassagen in der Mainzer Innenstadt. Geschäfte auf zwei Etagen, am Eingang ein Hinweis: Diese Passage ist videoüberwacht. So weit in Ordnung, sagt Dr. Stefan Brink von der Landesdatenschutzbehörde Rheinland-Pfalz. Aber nicht alle der mehr als 30 Überwachungskameras im Einkaufszentrum hängen legal, kritisiert Brink, der Datenschützer für die Privatwirtschaft zuständig ist:

    "Da gehen wir mal ein paar Schritte weiter zu der Eistheke. Wenn sie da mal hinschauen, das kann ich sowieso nur empfehlen, einfach mal ein bisschen genauer hinzuschauen, einfach mal den Blick an die Decke schweifen zu lassen, da stellen sie hinten rechts eine Halbkugel fest, die nach vorne gerichtet ist, also auf den Mitarbeiter und auf die Eistheke gerichtet ist, das ist ein typischer Fall von Überwachung von Mitarbeitern, der unzulässig ist. Mitarbeiter dürfen nicht dauerhaft der Videoüberwachung ausgesetzt werden. Das ist, glaube ich ganz nachvollziehbar. Wer will sich denn an seinem Arbeitsplatz von morgens bis abends überwachen lassen."

    Das Management des Mainzer Einkaufszentrums sitzt in Hamburg. Am Telefon erklärt Zentrumsmanager Markus Neumann, die Videoüberwachung der einzelnen Geschäfte sei nicht Sache des Gesamtmanagements. Man sei lediglich für die 13 Kameras verantwortlich, die in den Durchgangsbereichen zur Verfolgung von Ladendiebstahl installiert worden seien:

    "Was in den Geschäften nachher passiert, wenn es nicht gerade grobe Fahrlässigkeit ist oder wenn es nicht Bedenken gegen irgendwelche bautechnischen oder feuerschutztechnischen Auflagen gibt, haben die Mieter tatsächlich selber in der Verantwortung, wie die gegenüber Angestellten auftreten, da gehe ich zumindest bei unseren Mietern auch davon aus, dass der Großteil das rechtlich abgestimmt hat. Da gibt es ja zum Teil auch Betriebsräte, die das prüfen und ich denke schon, dass da gesetzliche Regelungen eingehalten werden."

    Aber auch Betriebsräte lassen sich zum Teil auf Videoüberwachungen ein, die nicht den Datenschutzbestimmungen entsprechen, berichtet Datenschützer Stefan Brink.

    Die Römerpassage mündet auf der Fußgängerzone. Auf 400 Metern sind hier rund 100 Videokameras installiert, praktisch jeder Schritt der Kunden wird dokumentiert – monatelang. Der Datenschutz akzeptiert nur wenige Tage. Die nächste illegale Kamera ist in einer mit Chrom und Licht gestylten Imbissbude auf die Theke und die Verkäufer gerichtet. Und auf die Kunden, die an Stehtischen Pommes essen. Datenschützer Stefan Brink:

    "Die Kunden werden gefilmt. Was soll das denn? Das geht keinen was an, ob ich kleckere oder nicht und deswegen gehören solche Kameras in den gastronomischen Bereich nicht hinein. Das sind aber gerade die Bereiche, wo wir in den letzten Monaten und Jahren extreme Steigerungsraten festgestellt haben. Die Gastronomie hat nachgerüstet. Das muss man so deutlich sagen."

    Als ich auf den Besitzer der Edel-Imbissbude zugehe und ihn frage, warum er diese illegale Videokamera aufgehängt hat, beginnt er nach dem Mikro zu schlagen:

    "Wegen Idioten wie sie. Ist mir egal, geh weg, geh weg. Das ist unser Raum, du hast hier nichts zu suchen."

    Der Geschäftsführer eines benachbarten Kaufhauses, der eine Videokamera im Bereich der Umkleidekabinen installiert hat und sich deswegen die Rüge des Datenschutzes eingehandelt hat, wird wenigstens nicht handgreiflich, als ich ihn nach der Kamera frage:

    "Kein Kommentar, wir haben eine klare Vorgehensweise, dabei bleibe ich, Thema erledigt."

    Für Stefan Brink aus dem Team des Landesdatenschützers Rheinland-Pfalz ist das Thema nicht erledigt. Doch sein Team ist so klein, das es nur die gröbsten Verstöße ahnden kann. Dann kann Brink bis zu 300.000 Euro Bußgeld verhängen. Doch bei 50.000 Videokameras allein im öffentlichen Raum von Rheinland-Pfalz müssen auch die Bürger mitziehen. Sie sollen sich in den Läden die Videobilder zeigen zu lassen, die von ihnen gemacht wurden. Das Recht dazu habe jeder, betont Stefan Brink, auch gegenüber rabiaten Ladenbesitzern:

    "Es kann nicht sein, das alle Welt über Google Street View redet, und gleichzeitig vor der eigenen Haustür nicht aufräumt. Deswegen unser Ansatz, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die kritischen Rückmeldungen, die wir auch von Unternehmen bekommen haben, zeigen, dass diese öffentliche Debatte sehr sinnvoll ist."