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Datenspende Blut

Alltag in deutschen Kliniken: Ein Arzt entnimmt einem Patienten Blut und schickt die Probe ins Labor. Doch was geschieht damit, nachdem die Untersuchungen abgeschlossen sind? Wandert die Probe tatsächlich in den Müll? Oder wird sie zum Rohmaterial für die Wissenschaft oder gar für die kommerzielle Nutzung?

Von Eva Schindele | 21.11.2004
    Eine Frage, die in Zeiten molekulargenetischer Forschung berechtigt ist. Blutproben, verbunden mit Angaben zu Krankheitsgeschichte oder Lebensstil der Spender werden inzwischen in Biobanken gesammelt. Auf der Suche nach Krankheitsgenen durchforsten Biomediziner die Bevölkerung Schleswig-Holsteins und staatliche Kliniken gründen Vermarktungsgesellschaften für Patientenmaterial. Versprochen wird eine maßgeschneiderte Medizin: jedem Patienten seine eigene Pille. Doch die Lieferanten des Rohmaterials sind nicht immer informiert - und sie sind nicht geschützt. Denn Forschen mit Biobanken geschieht derzeit oft ohne sicheren rechtlichen Rahmen.

    Aus einem Informationsblatt für Eltern: Liebe Eltern! Ob Mädchen oder Junge, Sie wollen seine Gesundheit sichern! Das Neugeborenen-Screening ist eine Vorsorgeuntersuchung und dient dazu gesundheitliche Risiken für Ihr Baby rechtzeitig zu erkennen und schädlichen Auswirkungen auf seine Entwicklung vorzubeugen.

    Der Guthrie-Test für Neugeborenen - laut Informationsblatt eine sinnvolle Sache. Nur der kleinen Luisa gefällt es überhaupt nicht, dass ihr die Kinderärztin in die Ferse piekst und Blut abnimmt. Luisa ist drei Tage alt und zwinkert noch verschlafen in die Welt. Ihr Blut soll auf bestimmte Stoffwechselstörungen untersucht werden, die - früh erkannt - mit einer Diät gut zu behandeln sind. Doch was geschieht mit ihrem Blut, wenn die Untersuchungen abgeschlossen sind?

    ... Seit über 30 Jahren werden jedem Neugeborenen in Deutschland in den ersten Tagen nach der Geburt einige Tropfen Blut entnommen, auf eine hygienisch saubere Filterpapierkarte getropft und in ein Screeninglabor verschickt.

    30 Jahre Guthrie-Test, 30 Jahre, in denen Millionen von Karteikarten angelegt wurden, allesamt mit einem kleinen Tropfen Blut. Weiß Antje Gaster, die Mutter der inzwischen 2-jährigen Luisa, was aus ihrer Probe geworden ist?

    Ich bin nicht informiert, was mit dem Blut geschehen ist. Es ist eingeschickt zur Untersuchung und man hat uns mitgeteilt, dass alles in Ordnung ist. Ich kann Ihnen leider gar nicht sagen, was aus dieser Blutprobe geworden ist. Meine Vermutung oder mein Wunsch ist, dass sie vernichtet worden ist, nachdem man die Ergebnisse festgestellt hat.

    Sicher, dass die erste Blutspende ihres Kindes vernichtet wurde, kann Antje Gaster keineswegs sein. Im Jahr 2003 läuft der Hamburger Datenschutzbeauftragte Joachim Menzel durch die Räume der Universitätskinderklinik Hamburg-Eppendorf. Was er findet, sind Stapel von Kärtchen mit Angaben zu Mutter und Kind, gelagert zusammen mit den restlichen Blutproben. Er findet heraus:

    Diese Blutproben werden mit persönlichen Daten – seit 1992 gesammelt. Sie werden gebündelt und jahrgangsweise irgendwo in Schränken aufbewahrt und stehen im Prinzip zur Verfügung. ....

    Besonders brisant: Das UKE wertet den Neugeborenentest für viele norddeutsche Krankenhäuser, niedergelassene Kinderärzte und Hebammen aus. Auch sie wussten in der Regel nichts über den Verbleib der Blutproben.

    In Hamburg schlägt der Datenschützer Joachim Menzel Alarm. Aus dem Blut könnten noch Jahre später persönliche Gesundheitsdaten des Kindes herausgelesen werden. Heute ist das noch ziemlich aufwändig, aber - bei der rasanten technischen Entwicklung - morgen vielleicht schon nicht mehr. Auf jeden Fall ermöglicht die Blutprobe, einen genetischen Fingerabdruck anzufertigen – und da alle Babys getestet werden – wäre so nach und nach die gesamte Bevölkerung genetisch erfasst. Datenschützer befürchten eine "Biobank durch die Hintertür."

    Das heißt man hat sehr gutes Material, wie gesagt jedes Kind eines Jahrgangs wird da untersucht, um über die Blutproben Genomanalysen zu den verschiedensten Fragestellungen zu machen. Das ist auch nicht sehr häufig genutzt – aber die Tendenz geht dahin auch von der Genforschung her - alle möglichen Probenbanken für so etwas zu nutzen.

    Mich beunruhigt die Vorstellung, dass die Daten meiner Tochter zu anderen Zwecken eingesetzt werden zu denen ich mein Einverständnis ganz klar nicht gegeben habe. Das beunruhigt mich sehr. ..... Grundsätzlich finde ich es problematisch, dass mit Daten gearbeitet wird, wo ganz klar nachzuvollziehen ist wo Luisa wohnhaft ist und wenn ich mir überlege, dass sie gentechnisch auseinandergenommen wird, fände ich das einfach nicht in Ordnung.

    Was den Fall ihrer Tochter Luisa angeht, kann Antje Gaster beruhigt sein. Datenschützer und Hamburger Klinikleitung haben sich inzwischen darauf verständigt, die Blutproben nach einem halben Jahr nur noch verschlüsselt aufzubewahren und nach fünf Jahren alle Daten zu vernichten. Im Informationsblatt für die Eltern heißt es jetzt:

    Liebe Eltern ! Für Datenschutz ist Sorge getragen ... Nur in besonderen Fällen und mit ihrer Einwilligung werden die Daten für notwendige Untersuchungen wieder zusammengefügt. Wissenschaftler können auf Antrag Blutproben erhalten, aber nur anonym.

    Jedes Bundesland, zum Teil sogar jedes Labor geht unterschiedlich mit den Blutproben der Babys um. Manche verschlüsseln die persönlichen Daten, andere werfen sie nach wenigen Wochen weg – andere sammeln die Teststreifen seit Jahren.

    Eltern, aber auch Hebammen, Kinderärzte oder Krankenhäuser haben meist keine Ahnung, was mit dem Rest-Blut weiter passiert. Viele haben sich bisher noch nicht einmal diese Frage gestellt. Denn bis vor einigen Jahren war Blut oder Gewebe nach der erfolgten Diagnostik in der Regel Abfall, höchstens geeignet um Befunde nachträglich nochmals zu kontrollieren.

    Doch inzwischen sind Körpermaterialien zu einem wichtigen Rohstoff für die medizinische Grundlagenforschung und die Pharmaforschung geworden. Analyse- und Lagerungstechniken haben sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Die bisher eher unsystematischen Proben-Sammlungen gewinnen an Brisanz - vor allem wenn sie mit der Familiengeschichte, den Krankenakten und dem Lebensstil der Spender verknüpft werden können. Ein weltweiter Wettlauf um die best-sortiertesten Biobanken hat begonnen. - Ohne rechtlich gesicherten Rahmen und ohne Gentestgesetz, das die Spender ausreichend schützen würde.

    Was die Forschung in Universitätskliniken anbelangt, da wird mehr gesammelt und geforscht und zum Teil eben auch leider mit den Namen, als wir uns das bisher klar gemacht haben.

    weiß der Hamburger Datenschützer auch aus anderen Bundesländern.

    Wenn man so die Bündel mit diesen Karten sowohl mit den Blutproben und den persönlichen Daten auf den Schränken liegen sieht, dann hat man schon das Gefühl, da könnte mal jemand kommen und könnte sich den ganzen Stapel mitnehmen und als Forscher – und da ist zum Teil sehr viel Ehrgeiz im Spiel und Renommee, dass da nicht zimperlich umgegangen wird mit derartigen Proben und Daten und das kann dann auch mit anderen Dateien kombiniert werden, wenn man die Namen der Patienten hat. In einem Universitätskrankenhaus ist eben vieles an Dateien vorhanden. Das ist eine Horrorvision und ich gehe davon aus, dass es nicht passiert – aber es ist datenschutzrechtlich problematisch.

    Blutprobe 10 241, männlich, 52 Jahre, Raucher, Kolonkarzinom, Vater starb mit 50 an Magen-Krebs

    Probensammlungen zusammengeführt mit den persönlichen Daten des Probanden heißen inzwischen "Biobanken" oder "Biotheken." Dabei wird Blut nicht mehr als Substanz genutzt, sondern als Datenträger für D-N-A.

    Blutprobe 88259, Mädchen, 3 Tage alt, Mutter: Diabetes

    Bei Bank assoziiert man Geld, vielleicht auch Geldvermehrung, bei Biothek denkt man an Bibliothek und gesammeltes Wissen. Beides trifft die Situation. Der wissenschaftliche Datenhunger ist riesig, die Hoffnung, daraus auch finanziellen Gewinn ziehen zu können auch.

    Viele Bürger und Bürgerinnen fürchten sich vor der wissenschaftlichen Sammelwut. Das Gespenst des "gläsernen Menschen" geht um und die Sorge, dass sich für die genetischen Daten auch Polizei, Arbeitgeber oder private Versicherungen interessieren könnten. In Island, wo die erste Gen-Datenbank der Bevölkerung ohne Einverständnis der Bürger aufgebaut und Daten an die Firma "Decode" und den Pharmamulti "La Roche" verkauft worden sind, hagelte es Proteste. Auch im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin gründete sich eine Bürgerinitiative gegen die lokale Biobank, die unter anderem Alzheimer erforschen will. Die Bewohner fordern eine Garantie, dass ihre persönlichen Daten vor fremdem Zugriff geschützt werden.

    Ein Arzt darf das Blut nur auf die mit dem Patienten besprochenen Aspekte hin untersuchen, also z.B. nicht eigenmächtig einen Aidstest anordnen. Das wäre Körperverletzung. Bernd Bublitz, Hausarzt in Bremen:

    Wir schicken die Proben ins Labor zum Untersuchen und wir bekommen am nächsten Tag die Resultate. Die Proben werden noch eine Woche etwa aufgehoben, solange können wir Resultate nachfordern und danach wird es wahrscheinlich vernichtet....Aber ganz genau weiß ich das nicht

    Haben Sie sich schon mal beim Friseur gefragt, was der Friseur mit ihren Haaren macht?

    antwortet der Mannheimer Rechtsprofessor Jochen Taupitz den misstrauischen Patienten, die wissen wollen, was mit ihrem Blut neben der Krankheitsdiagnose noch alles gemacht wird. Und er erinnert daran, dass auch ein Haar über die genetische Natur Auskunft geben könnte.

    Genauso macht man es auch beim Arzt. Man nimmt eben den Blinddarm nicht in einer Tüte mit nach Hause und man verkauft ihn eben auch nicht weiter. Man geht eigentlich davon aus, dass dieser Blinddarm, der einem aus diagnostischen, aus therapeutischen Gründen entnommen wurde, dass dieser Blinddarm vernichtet wird. So ist es früher auch in der Regel geschehen. Aber seit vielen Jahren gibt es nun ein hohes wissenschaftliches Interesse an Körpersubstanzen. Und man sollte, meine ich, dieses Potential auch ausschöpfen.

    Der Mannheimer Rechtswissenschaftler Jochen Taupitz ist Mitglied im Nationalen Ethikrat. Im März 2004 hat der Nationale Ethikrat eine Empfehlung für Biobanken herausgegeben, und Jochen Taupitz hat daran mitgearbeitet. Zentrale Punkte der Empfehlung:

    Die Patienten müssen ausdrücklich zustimmen, dass ihre Körpersubstanzen oder persönlichen Daten wissenschaftlich genutzt werden dürfen. Allerdings darf an bereits vorhandenen Blut- oder Gewebeproben auch ohne Zustimmung geforscht werden, vorausgesetzt die Proben sind anonymisiert oder so verschlüsselt worden, dass keine Rückschlüsse mehr auf Spender oder Spenderin zu ziehen sind. Eine nachträgliche Zustimmung muss dann nicht mehr eingeholt werden.

    Blutprobe Nr. 638, männlich, 52, Arbeiter, Bypassoperation, Nichtraucher, aus der Türkei eingewandert

    Doch Datenschützer sind skeptisch, ob eine völlige Verschlüsselung wirklich möglich ist. Sie geben zu bedenken, dass gerade bei seltenen Krankheitsbildern oder Angaben zur Familiengeschichte, Rückschlüsse auf den Spender gezogen werden könnten.

    Umstritten ist auch eine andere Empfehlung des Ethikrates: Zukünftig soll eine Blanko-Zustimmung ausreichen, d.h. die Spender stellen ihre Daten über den konkret genannten Forschungszweck hinaus zur Verfügung. Wissenschaftler begrüßen den Vorschlag, da er für sie Rechtssicherheit bedeutet.

    Früher ist man in der Tat davon ausgegangen, dass eine unbeschränkte, eine globale Einwilligung rechtlich unwirksam sei. Und über dieses Stadium der Diskussion sind wir heute Gott sei Dank hinaus. Es wird von immer mehr Juristen die Auffassung vertreten, und auch der nationale Ethikrat hat ja dafür plädiert, dass man eine sehr, sehr weitgefasste, eine globale Einwilligung erteilen kann. Die ja auch nicht global ist, da sie sich auf Forschung, auf Wissenschaft beschränkt, aber andere Dinge, beispielsweise kommerzielle Anwendungen, nicht mit einschließt.

    Doch kann eine solche Trennung von wissenschaftlichen und kommerziellen Interessen überhaupt funktionieren?

    Auch in Deutschland, konkret im Norden Schleswig-Holsteins wird derzeit eine Gen-Datenbank aufgebaut. Der Name des Projekts: PopGen. Einer der leitenden Wissenschaftler ist der Magen-Darm-Spezialist und Sprecher des Nationalen Genomforschungsnetzwerkes Stefan Schreiber von der Kieler Universitätsklinik.

    Popgen kommt von Populationsgenetik, also Bevölkerungsgenetik und das Ziel der Forschung um die Genetik ist es am Ende ein besseres Verständnis von Krankheit zu erreichen.

    Popgen hat bisher von 10 000 Schleswig-Holsteinern Blut und persönliche Informationen gesammelt. 40 – 60 000 sollen es irgendwann einmal werden. Niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser vermitteln den Kontakt. 30 ml Blut, die Krankenakte und Angaben zur Person, zur Familiengeschichte, Herkunft und zum Lebensstil werden abgefragt und jährlich aktualisiert.

    Die Medizin von morgen wird anders sein. Schnelle Diagnosen, individuelle Therapien, effiziente Vorsorge. Mit einer kleinen Blutprobe und einer halben Stunde Zeit können Sie mithelfen, diese neue Medizin in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. Popgen – Ich helfe, weil ich weiß, wie wichtig es ist!

    Daneben das Foto der lächelnden Sabine, 34 Jahre, Gallensteine. Das Faltblatt soll zum Mitmachen motivieren - bei der Aufklärung von Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf Erkrankungen, Neurodermitis, Asthma oder Darmentzündung. Popgen soll als Datenresource für deutsche Genforscher, vor allem für das Nationale Genforschungsnetz dienen.

    Popgen kann ... an einer sehr großen Gruppe von Durchschnittspatienten verstehen, wie diese vielleicht 30, 40, 50 Krankheitsgene miteinander interagieren. Wie viel muss ich denn haben um krank zu werden? Reicht ein Gen, brauch ich zwei, brauch ich drei? Wird das Risiko dann dreimal so hoch oder ist es drei hoch drei? Ist das eine Gen vielleicht vom Risiko mit einer höheren Punktzahl behaftet, als ein anderes? Welche Kombinationen sind wichtig, welche sind unwichtig? .......Kann man daraus etwas entwickeln, was bessere Diagnostik gibt, zum Beispiel eine schnellere Erkennung der Krankheit. Oder kann man vielleicht sogar bestimmte Therapien besser zugänglich machen?

    Um ihr Ziel zu erreichen, lassen sich die Betreiber der norddeutschen Biobank Popgen bereits vorab von den Probanden unterschreiben, dass die aus den Daten gewonnenen Erkenntnisse patentiert und damit kommerziell genutzt werden dürfen. Im Merkblatt für die Spender heißt es:

    Solche Patente sind die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Medikamente. In diesem Fall besteht kein individueller Patentanspruch, basierend auf Ihrem individuellen biologischen und genetischen Material..... Auf die Daten haben nur autorisierte Mitarbeiter des Forschungsprojektes Zugriff. .... Eine Weitergabe Ihrer Daten an unberechtigte Dritte, insbesondere Arbeitgeber und Versicherungen ist ausgeschlossen. Die Weitergabe von Proben und Informationen an wissenschaftliche Kooperationspartner erfolgt ohne Angaben ihrer Person. ....

    Natürlich besteht insbesondere bei genetischen Untersuchungen immer die Gefahr, dass die genetischen Informationen in einem größeren Kreis von Empfängern bekannt werden. Dass dann der Betreffende stigmatisiert, dass er diskriminiert wird, auf Grund der Informationen, die man aus seinem Körpermaterial herausgelesen hat. ....Das muss man verhindern. Deswegen hat der nationale Ethikrat auch sehr strikt für ein Forschungsgeheimnis plädiert. Dass also weder Versicherungen, noch Arbeitgeber und auch nicht der Staat auf die Informationen zugreifen darf, die im Bereich der genetischen Forschung generiert werden.

    Wer bei Popgen mitmacht, wird nichts über seine eigenen Gene erfahren. Das ist auch gut so, meint der Medizinrechtler Taupitz. Denn um seine genetischen Risiken zu wissen, kann den Einzelnen und seine Familie belasten, vor allem dann, wenn keine Therapie zur Verfügung steht. Außerdem müsste beim Abschluss einer Versicherung dieses Wissen mitgeteilt werden – so die rechtliche Situation.

    Alles was ich weiß, muss ich weitergeben. Was ich nicht weiß, muss ich als Versicherungsinteressent auch nicht weitergeben. Deswegen sollten die Forscher möglichst keine Informationen an die betreffenden Personen zurückgeben, die sie untersucht haben. Sie sollten es wenn, dann nur nach einer ausreichenden Beratung tun. In dieser Beratung sollte insbesondere auch auf diese versicherungsrechtliche Problematik hingewiesen werden.

    Bisher schützt in Deutschland kein Gentest-Gesetz vor genetischer Diskriminierung. Allerdings soll sich das bald ändern. Die rot-grüne Regierung will Anfang nächsten Jahres einen Entwurf ins Parlament einbringen. Darin sollen auch Rahmenbedingungen für Biobanken festgeschrieben werden. Zum Beispiel, was mit den Daten passieren soll, wenn eine Biobank pleite geht. Kann sie als Ganzes verkauft werden, so dass die Datenströme frei flotierend durch die Republik oder die globale Welt geistern oder müssen die Daten durch den Schredder gejagt werden?

    Wenn es Popgen nicht mehr gäbe, hätten wir natürlich ein kleines, großes Problem. Weil die versprechen mir , dass sie eine bestimmte Art von Forschung machen. Wenn Popgen diese Froschung nicht abliefert, dann müssten wir Popgen legitimerweise eigentlich abwickeln.

    Bisher wurde das Projekt mit 750.000 Euro finanziert. Eine bescheidene Summe im Vergleich zu den 60 Millionen Pfund, die die umstrittene britische Biobank bereits jetzt als Startkapital verschlang.

    Die Medizin von morgen wird anders sein. Schnelle Diagnosen, individuelle Therapien, effiziente Vorsorge. Mit einer kleinen Blutprobe und einer halben Stunde Zeit können Sie mithelfen, diese neue Medizin in Schleswig-Holstein auf den Weg zu bringen. Popgen – Ich helfe, damit meine Kinder gesund bleiben!

    Der Popgen Flyer zeigt ein Foto der 58 jährigen Ruth, die an Diabetes leidet. Auch der 42-jährige Herzinfarktpatient Andreas will helfen, "weil er das Leben liebt" und die 11-jährige Isabell, die an Epilepsie leidet, will teilnehmen, da ein "gesundes Leben noch schöner ist." Auch die 76 jährige Parkinsonkranke Ingrid will helfen, wo sie helfen kann. popgen – Gesundheit für Generationen. Wird da nicht ein bisschen viel versprochen?

    Na ja, sie brauchen große Ziele um große Dinge zu tun. Wenn sie sich überlegen, dass man sich in den späten 50er Jahren überlegt hat, dass man in 15 oder 20 Jahren auf den Mond fliegen möchte, dann war das sicher Illusion.....Das Ziel ist es tatsächlich, die genetische Information des Menschen für eine bessere Medizin einzusetzen.

    Aber wie soll die bessere Medizin aussehen? Schreiber setzt auf Vorbeugung und glaubt, wenn jemand wüsste, dass er ein Risiko-Gen in sich trägt, würde er sich auch gesünder ernähren oder mehr bewegen. Vielleicht. Er könnte aber auch die Lebenslust verlieren oder keine Arbeit mehr finden…. Oder auf Medikamente hoffen, die ihn als Träger des riskanten Gens vor Krebs oder Diabetes schützen. Auch das wird versprochen.

    Ob es uns gelingen wird, in den nächsten Jahren wirklich diese großen Vorhersagen zu machen, wer an was erkranken wird, das sehe ich doch etwas pessimistischer....

    Der Mediziner Peter Oefner, Vize-Präsident des DNA-Technologie Zentrums an der renommierten amerikanischen Stanford University forscht seit 10 Jahren an Gen-Mutationen, die für Brustkrebs oder Prostatakrebs mitverantwortlich sind. Vom nächsten Jahr an wird er an der Universität Regensburg lehren. Oefner glaubt inzwischen, dass genetische Voraussetzungen durch Ernährung oder andere, noch unbekannte Umweltfaktoren, entscheidend modelliert werden. Das heißt: nicht das Gen ist entscheidend, sondern wie ein Mensch mit bestimmten genetischen Voraussetzungen lebt.

    Diese Faktoren zu charakterisieren ....sind wesentlichere Bemühungen, was die Volksgesundheit betrifft als mit individualisierter Medizin zu versuchen, für jedes entstandene Prostatakarzinom eine ideale Therapie zu finden......

    Jedem seine maßgeschneiderte Pille. Das ist dagegen das, was Biomediziner und Pharmafirmen versprechen. Ob die Strategie zum Erfolg führen oder irgendwo in einer Sackgasse enden wird, weiß heute noch niemand. Das schnelle Geld lässt sich so bis jetzt jedenfalls nicht verdienen. Deshalb zog sich auch das Pharmaunternehmen La Roche aus der isländischen Biobank zurück. Zu wenig spezifisch waren die Daten, Biobanken wie Popgen oder die britische Biobank werden deshalb nur noch aus staatlichen Geldern finanziert.

    Blutprobe 532, 49 Jahre, weiblich, 2 Kinder, Brustkrebs

    Pharmafirmen, die unter einem großen Innovationsdruck stehen, fahren lieber eine andere Strategie. Sie verschaffen sich Zugang zu Patientenmaterial, indem sie mit Kliniken kooperieren.

    Wir brauchen hochwertige Proben, um Biomarker, d.h. Zielmoleküle für neue Diagnostika zu finden und so die individualisierte Medizin weiter voranzutreiben.

    sagt Tom Medclafe, Biochemiker beim Pharmakonzern La Roche, Abteilung Molekulare Diagnostik mit Sitz in den USA. Seine Firma arbeitet an Tests, die bereits vor der Medikamentengabe abschätzen helfen, ob Patient oder Patientin überhaupt auf den Wirkstoff ansprechen. Diese junge Pharmasparte heißt Theragnostics - und ist auf große gut sortierte Biobanken mit Daten von Kranken und Risikoträgern angewiesen, auf Biobanken eben, wie Kliniken sie liefern.

    Blutprobe Nr. 189, weiblich, 81 Jahre, Alzheimer im Anfangsstadium

    Manchmal sind Proben auf dem Markt rar. Dann werden auch mehrere 100 Euro für wenige ml Blut bezahlt. Der Chemiker Michael Schrader, Mitbegründer der jungen Biotech-Firma Biovision in Hannover:

    Richtig professionelle Unternehmen gibt es da gerade in den USA – der Markt ist weitaus größer. Aber auch in Europa zeichnet sich ab, dass diese Probenbanken tatsächlich einen Wert darstellen, dass es Wert ist, diese aufzubauen und zu vermarkten. ... Kliniker haben durchaus erkannt, auf welchen Werten sie sitzen, dass so ein Krankenhaus eine Goldmine in der Hinsicht sein kann.

    Das ist etwas was befürchtet wird, dass wir mit Gewebe und Blut handeln. Ich will es natürlich nicht so ausdrücken.

    sagt die Forschungsdekanin des Universitätsklinikums Eppendorf Ulrike Beisiegel. Doch Tatsache ist: das UKE gründete 2004 eine Tochterfirma: die Medigate GmbH, und die überlegt jetzt, wie sie ihre in langen Jahren gesammelten Blut- und Gewebeproben vermarkten kann.

    Wir haben gesehen, dass die Koordination, z.B. der Biobanken, aber auch der klinischen Forschung in Bezug auf klinische Studien eine echte Managementaufgabe ist. Wir haben auch gesehen ........ dass es besser ist, wenn man als gesamte Universitätsklinik, die Biobanken und die Qualitätskontrolle der Biobanken gemeinsam mit den Professoren und den Wissenschaftlern macht und es nicht jedem Einzelnen überlässt, sondern dass man Richtlinien und Qualitätsvorgaben hat, an die sich ein Universitätsklinikum hält und dann natürlich auch alle beteiligten Wissenschaftler.

    In der Pressemitteilung vom 13. Oktober 2004 des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf heißt es: "Life-Science-Cluster Norddeutschland kommt voran".

    Das Pharmaunternehmen Lilly und das Universitätsklinikum Eppendorf kooperieren in der Diabetesforschung. Die Kooperation ist für das UKE auch deshalb besonders erfreulich, weil es gelungen ist, in den Verhandlungen mit Lilly wie ein privater Wettbewerber behandelt zu werden.

    Wir sind professionell jetzt auf der gleichen Ebene, d.h. Medigate, also die Geschäftsführung von Medigate ist professionell im Erstellen solcher Verträge und damit werden unsere Rechte besser gewährleistet, als wenn ein einzelner Wissenschaftler der vom Vertragswesen überhaupt nichts versteht, die Verträge früher machen musste. Also, das ist sicherlich ein großer Gewinn für uns und für den Transport unseres Wissen nach außen.

    Wie viel die Kooperation mit dem Pharmaunternehmen dem UKE an Profit bringt, war nicht zu erfahren, wie überhaupt beim Thema "Biobanken" die Kliniken wenig auskunftsfreudig sind.

    "Medigate" – das Tor, das aus dem Krankenhaus herausführt.

    Die Vermarktungsgesellschaft Medigate GmbH bemüht sich derzeit um Transparenz und hohe Qualitätsstandards. Nicht alle Chefärzte der Hamburger Universitätsklinik sind von dieser Initiative begeistert, denn Gewebe- oder Blutproben im Kühlschrank zu haben bedeutet Macht und manchmal auch ein zusätzliches Einkommen. Doch das Geld, z.B. auch durch Patente erzielt, soll jetzt wieder zurück in die Klinik und dort vor allem in die Forschung fließen.

    Das Verkaufen von Körpersubstanzen der Patienten als eine neue Einnahmequelle für die Krankenhäuser in Zeiten knapper öffentlicher Kassen?

    Spender und Spenderinnen jedenfalls gehen leer aus. Ingrid Schneider, Politologin an der Universität Hamburg.

    .... nun ist es so, dass die einen auf altruistische Handlungen verpflichtet werden, dass sie also geben sollen im Interesse der Menschheit und des medizinischen Fortschritts, dass aber die, die Körpersubstanzen nehmen und verarbeiten durchaus auf das Leitbild des "homo oeconomicus" ausgerichtet sind und das erzeugt Spannungen, Irritationen und Dissonanzen bei vielen Leuten, wenn sie das hören.

    Darf man sein Blut oder sein Tumorgewebe verkaufen oder gelten sie als Teil der Person und sind dadurch nicht als "Sache" zu veräußern? In der europäischen Verfassung soll die Nichtkommerzialisierbarkeit des Körpers ausdrücklich festgeschrieben werden. Aus gutem Grunde.

    Das heißt, es würden die Menschen, die sich "gut verkaufen" können in der Gesellschaft, würden ihre Körpersubstanzen kaum verkaufen, weil man auch nicht so viel Geld dafür bekommt. Aber diejenigen, deren Arbeitskraft nicht mehr gefragt ist, die arm, vielleicht arbeitslos sind, die sehen sich möglicherweise gezwungen ihre "Haut" zu Markte zu tragen. Das würde die Freiwilligkeit der Abgabe von Körpersubstanzen einschränken. Man würde vielleicht auch gesundheitliche Risiken bei Entnahme von Substanzen in Kauf nehmen .... weil man darauf angewiesen ist, dass man Geld bekommt.

    Wie löst man das Dilemma? Firmen, die von den Körpersubstanzen oder dem Genpool profitieren, könnten einen Teil ihres Gewinns in einen gemeinnützigen Fonds stecken. Diesen Vorschlag hat der Nationale Ethikrat jedenfalls in seine Stellungnahme aufgenommen. Andere, wie der britische Chef-Biobanker John Newton, halten es dagegen geradezu für eine Bürgerpflicht für den "medizinischen Fortschritt" Blut und sonstige Körpersubstanzen zu spenden. Eine Ansicht, die in Großbritannien heftig umstritten ist und der hierzulande, zumindest öffentlich, niemand zustimmen will.

    Viel wird versprochen. Zuerst war es die Entschlüsselung des Genoms, heute begeistert das neue Fachgebiet "Proteonomics" Forscher und Industrie – und morgen? Die kleine Luisa wird wohl schon erwachsen sein, wenn sich zeigen wird, ob die Sammelwut und das Lesen in den Datenbüchern der Biobanken die Medizin besser gemacht haben. Doch schon heute müssen Regelungen Neugeborene und andere Spender schützen, damit nicht der wissenschaftlich und kommerziell motivierte Datenhunger Schatten auf die Zukunft des Einzelnen wirft.