Donnerstag, 02. Mai 2024

Archiv


Datenstrom mit Klippen

Technik. - Informationen über die Weltmeere sind schwer zu bekommen, vor allem wenn sie über lange Zeiträume gesammelt werden müssen. Messstationen, die am Boden verankert werden und einmal im Jahr per Schiff eingesammelt werden, sind derzeitiger Standard. Doch das Sammeln klappt nicht immer, daher haben Forscher jetzt eine Alternative entwickelt.

Von Tomma Schröder | 26.11.2009
    "Die ganzen ozeanographischen Daten, wie verläuft welche Strömung in der Arktis – also das basiert grundsätzlich auf vielleicht 40 bis 50 Einjahressätzen – und die Arktis ist verdammt groß!"

    Und verdammt eisig. Das macht das Messen dort nicht eben leicht. Um ozeanographische Daten zu gewinnen, werden deshalb vor allem so genannte Moorings eingesetzt. Torben Klagge, Ingenieur am Leibniz-Institut für Meereswissenschaften in Kiel:

    "Eine Mooring ist so aufgebaut, dass man unten ein Gewicht hat, das wird auf dem Meeresgrund verankert. Man hat oben eine Boje und diese beiden Teile halten eine Messkette im Wasser. Und an dieser Messkette selber sind verschiedene Geräte angebracht."

    Die messen Strömung, Temperatur und Salzgehalt im Wasser. Und wenn man von einigen Unfällen mit Fischerbooten absieht, klappt das im offenen Ozean auch recht gut. Die Boje an der Wasseroberfläche sammelt die Daten und verschickt sie direkt ins jeweilige Institut. In der Arktis aber muss die obere Boje unter Wasser sein, da sie bei einer Jahresmessung sonst einfrieren und kaputt gehen würde. Sie kann mitsamt den gesammelten Daten nur im Sommer von einem Forschungsschiff aus wieder an die Oberfläche geholt werden. Klagge:

    "In einer Mooring, da gibt es unten über dem Anker ein Release, ein Auslösungssystem. Das wird ferngesteuert über ein Hydrophon, das heißt man gibt die passenden Kommandos. Und dieses Hydrophon löst dann aus. Das heißt der Anker verbleibt auf dem Meeresgrund. Der Rest der Kette steigt nach oben, weil die Boje es nach oben trägt. Das Problem ist, diese Release hängen ein bis zwei Jahre im Wasser, sie können dichtwachsen, es können Kalkablagerungen dran sein. Irgendetwas, was verhindert, das dieses Release auslöst."


    Um die gespeicherten Daten trotzdem zu retten, hilft dann nur noch eines: Fischen

    "Das bedeutet, man hat ein Seil, das hinter dem Schiff ausgelegt wird in einer großen, großen Schleife um diese Mooring herum, mit Haken dran, mit Ankern, Gewichten. Das heißt, das Seil liegt auf dem Meeresgrund und fährt dann weg mit dem Schiff. Das heißt, diese Schlinge zieht sich zu. Und wenn man Glück hat, dann bleibt einer dieser Anker an der Mooring hängen, und man kann das ganze Gerät hochziehen. Das ist – ja – Fischen im Trüben. Bis jetzt Erfolgsquote: Ungefähr die Hälfte."

    Denn wenn die Boje oben durch treibendes Eis etwa weggerissen wurde, hilft auch das Fischen nicht mehr. Kilometerlange Moorings im Wert von einer Millionen Euro sind so schon in der Arktis geblieben – und mit ihnen natürlich die wertvollen Daten, auf die Forscher ein oder auch zwei Jahre lang gewartet haben. Um das zu verhindern, hat Torben Klagge gemeinsam mit drei anderen Wissenschaftlern am Institut für Meereswissenschaften in Kiel nun eine neue Mooring entwickelt.

    "Wir haben das Ding Scouts genannt: Satellite connected oceanographic popup transmitting system."

    Hinter dem komplizierten Namen verbirgt sich ein leicht verständliches System: Ein Steuerelement sammelt das ganze Jahr über alle Daten. Sobald ein akustisches Signal meldet, dass die Wasseroberfläche eisfrei ist oder sobald die Mooring sich stärker als 60 Grad neigt, werden diese Daten an eine von mehreren kleinen Bojen übertragen. Die löst aus, schwimmt an die Oberfläche und sendet alle bis dahin gesammelten Daten. Bei 15-minütigen Messungen kommt da in einem Jahr einiges zusammen.

    "365 Tage mal 24 mal 4 sind…."

    über 35000 Einzelmessungen. Doch das Datenvolumen wird so komprimiert wie möglich gespeichert. Hält die Mooring ein Jahr unversehrt durch, entsteht ein Paket von 20 Megabyte – ein Volumen, das man ohne Probleme auch per Email versenden könnte. Doch in der Arktis ist auch das nicht so einfach. Denn über die einzig mögliche Satellitenverbindung, Iridium, werden die Daten mit 2 Kilobyte pro Sekunde gesendet. Klagge:

    "Diese Bojen sind so gebaut, dass die Batterien für acht Stunden Strom haben. Und bei normalen Verhältnissen braucht er sechs Stunden, um diese 20 Megabyte zu senden. Und das ist schon schnell. Die meisten sagen: 20 Megabyte – ist ja nicht viel, geht schnell weg. Um diese 20 Megabyte zu übertragen haben wir ein System entwickelt, was 150.000 Euro gekostet hat."

    Entwickelt sind die Scouts bereits, befinden sich aber schon wieder in Reparatur, weil das Senden der Daten nicht funktionierte. Torben Klagge ist sich jedoch sicher, dass es jetzt nur noch um Kleinigkeiten geht. Schließlich ist man Rückschläge beim Datensammeln in der Arktis mittlerweile gewohnt.