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Datentresor mit Ausdauer

Physik. - So genannte USB-Sticks schieben seit wenigen Jahren die Diskette auf das Altenteil. Ihre Vorteile: sie sind klein, mobil und benötigen keinen Strom. Jetzt könnten die praktischen Datentresore nochmals drastisch verkleinert werden - quasi durch einen Materialfehler.

Von Arndt Reuning |
    Chemisch korrekt müsste die Verbindung Strontium-Titan-Trioxid heißen. Aber nicht ihre Zusammensetzung lässt sie attraktiv erscheinen als Datenspeicher, sondern ihre Kristallstruktur. Die ähnelt dem atomaren Aufbau des Minerals Perowskit. Normalerweise sind Perowskit-Verbindungen Isolatoren, das heißt: sie leiten den elektrischen Strom nicht. Aber mit einer speziellen Behandlung in einem Vakuumofen lassen sie sich in leitfähige Kristalle umwandeln. Für den Vorher-Nachher-Test packt Krzystof Szot vom Forschungszentrum Jülich ein paar Proben aus. Sie sehen aus wie winzige Glasstückchen.

    "Sie sehen, dass die Kristalle ohne Behandlung durchsichtig sind. Das sind perfekte Kristalle. Die Atome sind regulär geordnet. Nach der Behandlung sind wir in der Lage, von den durchsichtigen Kristallen Kristalle erzeugen, die ganz gut leiten."

    Was man ihnen auch ansieht, denn die leitfähigen Kristalle sind dunkelblau gefärbt, beinahe schon schwarz. Isolator oder elektrischer Leiter. Das sind die beiden Zustände, zwischen denen sich die Perowskit-Verbindungen hin und her schalten lassen. Die beiden Zustände, mit denen sich jene Abfolge von Nullen und Einsen darstellen lässt, mit der Computer rechnen.

    "Und damit kann man sich für die Zukunft vorstellen, Chips zu bauen, Memorychips zu bauen, die an ganz bestimmten Stellen diese Eigenschaften ändern und wir durch Einschreiben und Ändern dann wieder feststellen können: Aha, hier ist die Information vorhanden, nämlich "Ich bin leitend" oder "Ich bin nicht leitend"."

    Sagt Wolfgang Speier, ebenfalls vom Forschungszentrum Jülich. Zusammen mit Rainer Waser von der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hat er sich auf die Suche begeben nach der kleinsten räumlichen Einheit für die gespeicherten Informationen. Im Inneren der Perowskit-Kristalle lassen sich nämlich Fehler finden im eigentlich regelmäßigen Kristallgitter. So etwas wie winzig feine Risse, die von einer Seite zur anderen verlaufen. Entlang der Risse kann ein Bestandteil des Oxides wandern, nämlich der Sauerstoff. Je mehr Sauerstoff aus solch einem Riss verschwindet, desto besser kann elektrischer Strom dort entlang fließen. Die Leitfähigkeit des behandelten Perowskit-Kristalls kommt also daher, dass sich viele kleine Kabel durch sein Inneres spannen. Die Physiker aus Jülich und Aachen haben nun einen Weg gefunden, jeden einzelnen Riss zu kontaktieren und hin und her zu schalten. Dazu setzten sie eine ultrafeine Metallspitze an den Riss an und bewegen mit einer elektrischen Spannung den Sauerstoff.

    "Man kann also einerseits den Sauerstoff reindrücken oder rausholen. Und dadurch kann man das freimachen oder zumachen. Und das ist genau der Trick. Das ist ähnlich wie mit einem Korken. Man setzt den Korken auf, das heißt Sauerstoff gibt man rein, gibt man rein an die Stelle oder holt den Sauerstoff raus und dann kann man ein freies Ladungsband bekommen."

    Jeder Riss kann auf diese Weise ein Datenbit repräsentieren. Eins oder Null. Leitend oder nicht-leitend. Und der Clou: Der Riss ist nur wenige Atomdicken breit, was für die Speicherdichte und für die Schreib- und Lesegeschwindigkeit Vorteile bringt.

    "Je kleinere Dimensionen man hat, desto besser und desto schneller kann man natürlich diesen Sauerstoff hin und her transportieren und beeinflussen. Und dann hat man über eine kleine Distanz die Möglichkeit, große Veränderungen in den elektronischen Eigenschaften zu bekommen und damit Veränderungen im Strom."

    Eine Herausforderung müssen die Physiker allerdings noch meistern: Sie müssen dafür sorgen, dass noch mehr Risse in das Kristallgitter des Perowskits eingebaut werden. Und vor allem, dass sich die Risse in einem regelmäßigen Muster anordnen.

    "So können wir das erreichen, was heutzutage Traum aller Computerspezialisten ist: Speicher zu realisieren, wo ein Terabit Dichte von Informationen kann erreicht werden."