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Dauensteiner: Chrysler-Arbeitnehmer dürfen nicht die Verlierer sein

Alexander Dauensteiner, Vertreter der kritischen Aktionäre bei DaimlerChrysler, hat vor einer überstürzten Trennung der Konzernteile gewarnt. Der Verkauf von Chrysler sei sinnvoll, man dürfe aber die Beschäftigten nicht einfach fallen lassen. Dauensteiner forderte zugleich den Rücktritt von Vorstands-Chef Zetsche. Dieser habe die Entwicklung der Benzinpreise "komplett verpennt".

Moderation: Elke Durak |
    Elke Durak: Die Hauptversammlung von DaimlerChrysler hat vor zwei Stunden in Berlin begonnen. Eine Zäsur für das Unternehmen steht an. Das allerdings nicht, weil der Vorsitzende des Aufsichtsrates Hilmar Kopper nun sein Amt aufgibt. Für Vorstandschef Zetsche ist diese Hauptversammlung eine erste größere Gelegenheit, Bilanz nach einem Jahr an der Spitze des Unternehmens zu ziehen, aber es ist vor allem erwartet worden, dass er in Sachen Chrysler reinen Tisch macht.

    Einer der ganz genau zugehört hat, was Vorstandschef Zetsche angekündigt, erklärt, berichtet hat, und auch selbst heute auf der Hauptversammlung sprechen wird, ist Alexander Dauensteiner, Automobilexperte der Kritischen Aktionäre von Daimler-Chrysler. Wir erreichen ihn in Berlin. Er hat die Versammlung kurz für uns verlassen. Danke dafür, Herr Dauensteiner, und einen schönen guten Tag.

    Alexander Dauensteiner: Guten Tag!

    Durak: Wie fällt denn Ihr kurzes Fazit aus zur Rede von Zetsche?

    Dauensteiner: Ähnlich wie das von Herrn Nürnberger. Der hat das schon ganz gut zusammengefasst, wie ich finde. Der Vorstand gibt im Moment in seiner Rede keinerlei Hinweise auf die weitere Entwicklung mit Chrysler. Wir von den kritischen Aktionären sagen aber auch ganz klar, ein so schnell wie möglich weg von Chrysler kann nicht die Lösung sein. Dieser Konzern hat Verantwortung mit der Übernahme 1998 übernommen. Übrigens haben wir damals dagegen gestimmt aus den Gründen, die jetzt leider so eingetreten sind. Deswegen muss man jetzt auch eine Lösung finden, die für die Arbeitnehmer bei Chrysler eine gute Lösung ist. Das kann notfalls auch ein bisschen länger dauern. Jetzt irgendwie so schnell wie möglich raus, damit Zetsche seinen Kopf aus der Schlinge zieht, ist nicht die Lösung.

    Das zweite Thema ist auch schon angesprochen worden: Ökologisierung der Fahrzeugflotte. Auch da wurde von dem großen Investment-Fonds DWS im Moment ein klares Statement und Antworten verlangt, wie dort die Fahrzeugpalette neu aufgestellt werden kann, denn der Kraftstoffverbrauch ist inakzeptabel hoch.

    Durak: Lassen Sie uns, Herr Dauensteiner, noch mal kurz beim Ersten bleiben. Chrysler sollte verkauft werden?

    Dauensteiner: Ich denke schon, dass es mit Chrysler keinen Sinn mehr macht. Unser Sprecher Jürgen Kösslin hat das heute Morgen noch mal deutlich gemacht. Wir waren immer gegen diese Fusion und deswegen ist es für uns nur konsequent, wenn man jetzt diese Fusion wieder trennt. Allerdings gibt es in einer Ehe, wenn man sich scheidet, auch Kinder und auf die Kinder muss man aufpassen. Das sollte man jedenfalls tun und so sehen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Chrysler. Die kann man jetzt nicht einfach von heute auf morgen fallen lassen. Insofern ist uns sehr daran gelegen, eine Lösung zu finden. Uns liegen auch konkrete Vorschläge aus der Chrysler-Corporation von der Arbeitnehmerschaft vor, wie das ablaufen kann, und das müsste man eben auch ernsthaft prüfen.

    Durak: Nämlich welche? Können Sie uns diese Vorschläge kurz erläutern oder zumindest andeuten?

    Dauensteiner: Andeuten kann ich das schon. Es handelt sich dabei um Modelle, wo die Arbeitnehmerschaft sehr stark an den Unternehmen beteiligt werden. Da spielen Rentenfonds eine große Rolle und Steuerersparnisse für die Unternehmen, wie sozusagen eine anteilige Beteiligung von Arbeitnehmern in den USA ja sehr weit verbreitet ist, als das hier in Europa noch der Fall ist. Diese Vorschläge gibt es im Detail aber schriftlich. Wir werden heute auf der Hauptversammlung auch dem Vorstand diese Papiere anbieten und darum bitten, dass die ernsthaft geprüft werden, denn es kann wie gesagt jetzt nicht darum gehen so schnell wie möglich raus, sondern wie Zetsche an sich auch richtig sagt um die bestmögliche Option und die bestmögliche Option ist für uns auch die, wo die Arbeitnehmer nachher am Ende nicht die Verlierer sind.

    Durak: Schon Anfang der kommenden Woche soll es ja zu einem Treffen mit potenziellen Käufern kommen, heißt es in verschiedenen Berichten von Insidern vielleicht. Das heißt Sie hoffen darauf, dass bei diesen Treffen noch nicht der Vertrag unterzeichnet wird?

    Dauensteiner: Ich gehe davon aus, dass das nicht der Fall sein wird, dass man das so schnell hinkriegt, denn kein Mensch kauft eine Chrysler-Gruppe von heute auf morgen. Die Gespräche laufen ja erst seit ein paar Wochen. Zum zweiten würde das auch keinen Sinn machen. Ich meine wir haben jetzt diesen Konzern seit über acht Jahren, jetzt im neunten Jahr nach der Übernahme integriert und es ist bis heute nicht gelungen, eine solide Basis für den Gesamtkonzern Daimler-Chrysler zu schaffen. Dann kommt es sicherlich nicht auf Monate an, wo man sich jetzt überlegt wie sieht die Zukunft für beide Unternehmen aus. Da sollte man weniger auf Tempo drücken, sondern mehr auf Qualität achten.

    Durak: Herr Dauensteiner, zur Zukunft von Daimler. Sprechen wir jetzt mal nur von Daimler. Was müsste das Unternehmen an der Produktpalette, an der strategischen Ausrichtung ändern, um mehr Produkte absetzen zu können, denn damit steht es ja so gut in Summe nicht?

    Dauensteiner: Allerdings! Wir haben mal analysiert, wie die 419 derzeit in Deutschland angebotenen PKW, auch der Chrysler- und Daimler-Gruppe aussehen. Das sind sechs Marken, darunter eben auch Chrysler und Mercedes. Da liegt der Kraftstoffverbrauch im Schnitt heute, was angeboten wird, bei knapp 10 Litern. Das ist nicht zukunftsfähig. Wir müssen dort weitaus mehr tun in Zukunft und der Vorstand muss da eine radikale Kehrtwende einleiten in Richtung sehr viel kraftstoffsparenderer Automobile. Übrigens sind das nicht immer nur die kleinen und dann wenig luxuriösen Automobile. Das lässt sich intelligent machen. Da muss man eine Menge Gehirnschmalz reinstecken. Ich glaube auch, dass dieses Unternehmen das Potenzial an Ingenieuren hat, um das zu schaffen. Da hat man eine Menge unterschätzt. Herr Zetsche hat heute in seiner Rede gesagt, dass es zu einem unvorhersehbaren Wandel in den Käuferabsichten der Chrysler-Käufer in den USA kam wegen steigender Benzinpreise. Da kann ich nur lachen. Die Entwicklung der steigenden Benzinpreise auch in den USA geht seit Jahren und wer das nicht vorhersehen konnte, der hat einfach eine Entwicklung komplett verpennt oder wollte sie nicht erkennen.

    Durak: Und müsste, Herr Dauensteiner, doch eigentlich auch die Konsequenzen daraus ziehen?

    Dauensteiner: Sicher!

    Durak: Persönliche.

    Dauensteiner: Ich glaube sowieso, dass Herr Zetsche für die Sanierung dieses Unternehmens der falsche Mann ist. Er hat schließlich als langjähriger Chef der Chrysler-Group eine Menge Verantwortung dort zu tragen und hat eben nicht die Produktpolitik in den USA geändert, wie es hätte sein müssen. Er hat als langjähriges Vorstandsmitglied bei DaimlerChrysler die Verantwortung zu tragen. Also wir sehen eigentlich auch wenig Hoffnung, dass Dieter Zetsche dort der richtige Mann ist. Deswegen glaube ich wäre es konsequent, auch da einen Schnitt zu machen, dass er angesichts der desolaten Lage - das ist ja ein Offenbarungseid, was man hier heute ablegt - auch die Konsequenzen als Manager zieht und sagt okay, ich trage die Verantwortung und trete zurück. Das wird er aber nicht tun.

    Durak: Alexander Dauensteiner, Automobilexperte der Kritischen Aktionäre von Daimler-Chrysler. Herzlichen Dank Herr Dauensteiner für dieses Gespräch.

    Dauensteiner: Gerne!