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David gegen Goliath

Von Antwerpen in Belgien nach Rotterdam in den Niederlanden sind es gerade eimal 100 Kilometer. In beiden Städte liegen große Häfen – nur das in dem Rotterdamer Hafen die dreifache Warenmenge umgeschlagen wird. Dagegen versucht sich Antwerpen mit allen Mitteln zu behaupten. Ruth Reichstein berichtet.

    Jedes Jahr werden im Antwerpener Hafen rund 6,5 Millionen Tonnen Waren umgeschlagen. Die kommen von überall in der Welt: Pullover aus China zum Beispiel oder Lebensmittel aus Südamerika. Damit ist der belgische Hafen der drittgrößte Europas – hinter Rotterdam mit rund neun und Hamburg mit acht Millionen Tonnen Umschlag. Minco van Heizen vom Rotterdamer Hafenbetrieb:

    "In Antwerpen und Hamburg wird immer das Schreckbild von Rotterdam aufgerufen. Das verstehen wir auch. Aber es ist ganz einfach: Die Schiffsbetriebe und Verlader im Hinterland haben kein Interesse, die Sachen in einem Hafen zu konzentrieren. Das ist immer schlecht für die Preise. Daran sollte man auch bei Rotterdam und Antwerpen denken: Konzentration, das wird der Markt nicht akzeptieren."

    Aber Antwerpen muss kämpfen – um jede Tonne. Im vergangenen Jahr wuchs der Umschlag nämlich nur um sieben Prozent und lag damit deutlich niedriger als bei der Konkurrenz.

    Um sich gegen die beiden großen durchzusetzen, müssen sich die Antwerpener also einiges einfallen lassen. Gerade haben sie ein neues Dock eröffnet, um die Kapazitäten zu erweitern. Und, das meint zumindest der Antwerpener Hafensenator Leo del Weide, sein Hafen hat noch andere Vorteile:

    "Antwerpen ist wie Hamburg ein Seehafen. Das heißt, die Schiffe kommen die ersten 100 Kilometer über die Flüsse. Das heißt, da brauchen wir keine Bahn oder keine Lastwagen. Und 30 bis 40 Prozent der Waren gehen dann per Binnenschiffe weiter. Deshalb denken wir, dass wir gemeinsam mit Hamburg der umweltfreundlichste Hafen Europas sind."

    Diesen Wettbewerbsvorteil will Antwerpen gerne noch weiter ausbauen und plant schon seit mehreren Jahren die Wiedereröffnung der Bahnstrecke "Eiserner Rhein", der den Hafen mit dem Ruhrgebiet verbinden soll. Die Schienen gibt es bereits, aber die Strecke ist zurzeit stillgelegt. Leo del Weide:

    "Natürlich ist die Straße noch immer das wichtigste Verkehrsmittel. Aber die Binnengewässer sind wichtig, und wir versuchen jetzt, auch die Bahn wichtiger zu machen. Zurzeit ist der Umschlag nur neun bis zehn Prozent. Nach unserer Meinung ist das zu wenig. Und wir haben eine wunderbare Strecke direkt ins Ruhrgebiet, den so genannten Eisernen Rhein. Wir versuchen, dieses Projekt jetzt zu entwickeln."

    Für Leo del Weide ist der "Eiserne Rhein" einer der wichtigsten Pfeiler für die Zukunft des Antwerpener Hafens. 125 Millionen Euro soll der Ausbau kosten. Und damit hätte Antwerpen einen weiteren Vorteil gegenüber Rotterdam. Die Niederländer haben nämlich erst im vergangenen Jahr eine neue Bahnstrecke nach Deutschland in Betrieb genommen und die hat stolze 7,5 Milliarden Euro gekostet.

    Deshalb scheinen die Niederländer nun das belgische Projekt zu boykottieren. Das sagt zumindest der belgische Staatssekretär Bruno Tuybens. Er hat der niederländischen Regierung kürzlich vorgeworfen, den Ausbau mutwillig zu verhindern. Der Grund: Einige Kilometer der Bahnstrecke führen auch durch die südlichen Niederlande.

    Die Regierung in Den Haag hat der Strecke zwar bereits zugestimmt, aber zum Beispiel die Verfahren für die Baugenehmigungen ziehen sich immer weiter in die Länge. Die niederländische Regierung will die Vorwürfe bisher nicht kommentieren. Und der Antwerpener Hafensenator Leo del Weide setzt auf Fairplay:

    "Ich denke, dass wir Wettbewerb schätzen. Natürlich soll der Wettbewerb immer korrekt und loyal sein. Und wir rechnen darauf, dass man in Rotterdam auch weiß, was loyale Konkurrenz ist."

    Und es gibt auch freundschaftliche Beziehungen zwischen den Häfen. Jedes Jahr tauschen die beiden Häfen rund eine Million Güter aus. Und die Betriebe in Rotterdam produzieren Hafengeräte für Antwerpen und umgekehrt. "Wir brauchen einander", meint auch der Antwerpener Hafensenator Leo del Weide. Und Minco van Heizen geht sogar noch einen Schritt weiter:

    "Es ist ein bisschen wie in guten Ehen: Man liebt einander und man hasst einander ein bisschen."