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Daxaufsteiger
Das Erfolgsmodell des digitalen Zahlungsdienstleisters Wirecard

Kaum jemand kennt ihn, aber viele nutzen ihn: Wirecard aus Bayern wickelt Zahlungen im Onlinehandel ab. An der Börse ist das Unternehmen mit mehr als 23 Milliarden Euro inzwischen mehr wert als die Deutsche Bank - und doppelt so viel wie die Commerzbank, der Wirecard nun den Platz im Dax abgerungen hat.

Von Michael Watzke | 06.09.2018
    Kreditkarten zum kontaktlosen Bezahlen in einem Showroom von Wirecard. Foto: Sven Hoppe/dpa | Verwendung weltweit
    Daxaufsteiger - Bezahlkarten mit Wirecard-Technologie (Sven Hoppe / dpa)
    Die Geschäfts-Idee der Firma Wirecard lässt sich in drei knappen Worten zusammenfassen: niemand bezahlt gern. Das Bezahlen, sagt Wirecard-Gründer Markus Braun in breitem, österreichischem Englisch, ist für den Kunden immer eine Last. Wirecard nimmt dem Kunden die Last des Bezahlens so weit wie möglich ab, sagt Braun. Und zwar mit Hilfe der Digitalisierung.
    Wirecard hat eine allumfassende digitale Plattform erstellt, auf der sich alles um den Transfer von Geld dreht. Und zwar so, dass der Kunde möglichst wenig davon merkt. Bezahlen soll unsichtbar werden, fordert Braun. "In Zukunft werden wir biometrisch bezahlen. Durch Gesichtserkennung, Fingerabdrücke. Wirecard beseitigt die Hürden beim Bezahlen. So dass sich der Kunde auf die positiven Seiten des Kaufprozesses konzentrieren kann."
    Wirecard will das Shoppen scheinbar schöner machen
    Bei solchen Sätzen muss der 49-jährige Österreicher selbst ein bisschen grinsen. Denn er weiß: Bezahlen - also ihr Geld bereitstellen - müssen Kunden natürlich auch in Zukunft selbst. Aber wenn sie keine Scheine mehr aus dem Portemonnaie ziehen oder eine Kreditkarte durch das Lesegerät ziehen müssen, werden sie möglicherweise mehr Geld ausgeben als bisher. Fin-Tech-Firmen wie Wirecard machen Shoppen scheinbar schöner, weil die Rechnung - also die Erkenntnis des Bezahlens - diskreter und später kommt. Das ist die Strategie des Münchner DAX-Unternehmens: der unsichtbare Bezahlvorgang bietet der Firma Zugang zu Kunden und Händlern, um ihnen weitere Services anzubieten.
    Dieses technologische Ökosystem, wie es Braun nennt, erweitert Wirecard unaufhörlich. Mit neuen Ideen, mit Zukäufen und mit Partnerschaften, wie zuletzt dem internationalen Flughafen-Shop-Betreiber Heinemann. In Asien - wo digitales Bezahlen längst weiter verbreitet ist als in Europa - ist Wirecard bestens vernetzt, vor allem mit Internet-Handelsgiganten wie Alibaba oder Tencent. Viele chinesische Kunden bezahlen bereits mit Technologie, die die knapp 5000 Wirecard-Mitarbeiter im Münchner Osten entwickelt haben. Und seit dem Start der Firma 1999 seien es immer mehr geworden, behauptet Braun.
    "Es ist ein Substitutionsprozess: Offline-Zahlungen gehen online. Online-Zahlungen gehen mobil. Heute sind wir, würde ich sagen, sehr erfolgreich auf beiden Kanälen: online und mobil." Dafür hat Wirecard auch eine Banklizenz. Denn das Unternehmen streckt beim Bezahlen das Geld für den Kunden vor. Später holt es sich das Geld zurück - mit einem kleinen, aber lukrativen Aufschlag, den der Kunde fast gar nicht bemerkt.