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DDR-Charme trifft auf Nobelclub

In Wladimir Kaminers "Russendisko" - jetzt auch in der Filmvariante im Kino zu sehen - spielt das Berliner Kaffee Burger eine Rolle. Das Tanzlokal aus den 30er-Jahren liegt an der Torstraße: Eine vierspurige Großstadtstraße, in der das alte und das neue Berlin noch gleichzeitig existieren können.

Von Mandy Schielke |
    "Die Geyerbar ist so eine schicke Bar in der doch eher schäbigen Torstraße. Man kann Champagner bestellen, was in Berlin ja nicht so üblich ist."

    "Es ist überhaupt keine Flaniermeile. Es ist viel zu laut dafür."

    "Das war eigentlich immer eine ziemlich öde Hauptverkehrsstraße, wo wenig urbanes Leben stattfand. Hier musste man nur schnell durchkommen."

    Karl Heinz Heymann, Altberliner und Wirt des Kaffee Burgers. Am frühen Abend raucht er in einer Sitzecke aus Kunstleder Zigaretten und blickt aus dem Fenster auf die Torstraße:

    "Als wir hier anfingen, gab es eigentlich nichts auf der ganzen Straße was von Belang gewesen wäre. Es gab an der Ecke noch eine Imbissbude, die war umlagert aber ansonsten war hier alles tot."

    Das war vor zwölf Jahren. In seiner Kneipe ist es so, wie Berlin früher einmal war: staubig, abgewirtschaftet, echt und nicht retro. Angelaufene Velour-Tapeten, DDR-Möbel aus den 70er-Jahren, als Heiner Müller und Thomas Brasch noch Stammgäste im Kaffee Burger waren. Jana Buchholz wohnt gleich in der Nähe - ein paar Häuser weiter Richtung Westen neben einem Fahrradladen und einem Geschäft für Zoobedarf.

    "Wir sind vor anderthalb Jahren hier her gezogen und ich kam ziemlich frisch aus Paris. Ich fand es sehr laut, als ich das erste Mal hier herkam, und hab meinem Freund den Gefallen getan, die Wohnung trotzdem anzuschauen."

    Jetzt steht sie auf ihrem Balkon im fünften Stock des grauen Wohnhauses und blickt nach unten auf die vierspurige Torstraße, die Mitte grob vom Prenzlauer Berg teilt und als Wohnort unter Neuberlinern lange höchstens als Notlösung galt. Schließlich gibt es ringsherum jede Menge ruhige und hübsche Seitenstraßen. Doch das ändert sich. Inzwischen schätzen viele die skurrile Mischung des Boulevards aus Dönerläden, Nobelrestaurants, Plattenbauten und Wohnhäusern, die größtenteils Ende des 19. Jahrhunderts errichtet wurden.

    Jana Buchholz zeigt auf einen Hauseingang schräg unten. Hinter einem unscheinbaren Eingang befindet sich dort eine Bar in warmen Goldtönen namens Trust. Alkohol ist nur in Flaschen zu haben. Das "Trust" ist ein Ort, der in jeder Beziehung das Gegenteil vom Kaffee Burger ist.

    "Du musst viel Geld ausgeben und deswegen gehen dort auch nur Leute hin, die viel Geld ausgeben wollen und viel Geld haben und die, glaub ich, auch vom Soho-House kommen. Seit dem das Soho House da ist, ist auch noch einmal alles anders."

    Der Privatclub aus London, der vor zwei Jahren am östlichen Ende der Torstraße eröffnete, hat den Aufstieg der Torstraße noch einmal beschleunigt, die inzwischen besonders zur Fashionweek zur Hauptschlagader der Berliner Modeszene geworden ist. Eine Flaniermeile wird die Torstraße, die historisch gesehen an der äußeren Stadtmauer entlangführt, auf absehbare Zeit trotzdem nicht werden, sagt der Stadtforscher und Immobilienentwickler Benjamin Herkommer. Dafür sind allein die Bürgersteige viel zu schmal.

    "Man kann die Barrierewirkung immer noch spüren. Es gibt die Straßenbahnlinien in der Mitte, es gibt diesen großen Verkehrsstrom. Man hat relativ wenige Gelegenheiten, mal zu queren. Man macht das nicht spontan, weil man immer das Gefühl hat, irgendetwas könnte einen erwischen."

    Der Sanierungs - und Gentrifizierungsboom in Mitte und Prenzlauer Berg hat die graue Betonschlucht lange vernachlässigt. Sie ist übrig geblieben und ist jetzt einer der wenigen Orte im Zentrum, der noch nicht fertig ist. Das ist der Charme, der für enorme Anziehungskraft sorgt.
    "Sie war auch immer für junge Familien zum Wohnen nicht attraktiv genug, weil sie wahnsinnig laut ist und weil sie relativ gefährlich ist. Und das verhindert, glaube ich, sehr stark, dass so eine Aufwertung sich so durchgängig durchsetzt."

    Eine Prognose, die viele in der Torstraße aufatmen lässt. Die Punks aus dem Baiz, einer Schankwirtschaft, die Karl Heiz Heymann vom Kaffee Burger den Arnarcho-Laden nennt, beispielsweise. "Kein Becks, kein Latte, kein Bullshit" steht auf der Markise vor der Kneipe.

    Karl Heinz Heymann raucht indes immer noch genüsslich und sagt, dass er am Verhalten seines Publikums merkt, dass sich das draußen auf der Torstraße etwas verändert hat. Statt Studenten kommen jetzt Easyjet-Touristen und temporäre Berliner aus Australien und Spanien auf die Russendisko und trinken Sekt Aperol statt Wodka. Trotzdem:

    "Im Prinzip machen wir noch die gleichen Sachen wie vor zwölf Jahren, es sieht auch immer noch genauso aus. Wir sind so etwas wie der Nostalgieanker, die Verlässlichkeit hier."