Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

DDR-Gebrauchsgrafik
Jenseits von Ampelmännchen und Eierbechern

Der Osten war ebenfalls bunt: Eine Ausstellung im Berliner Museum der Dinge zeigt in einer Ausstellung Gebrauchsgrafik der DDR. So waren zum Beispiel Plakate und Magazine sehr hochwertig gestaltet - wenn auch viele Alltagsgegenstände eher schlicht und grau ausfielen.

Von Jürgen Stratmann | 21.03.2016
    Ein grünes schreitendes Ampelmännchen einer Ampel im Ampelmann Shop am Gendarmenmarkt.
    Ostdeutsch: Das grüne Ampelmännchen mit Hut. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene )
    "An nichts hat es uns gefehlt", sinnierte Manfred Krug im Song "Alles vorbei" aus dem Jahr 1976 - ein Jahr später verließ er die DDR. Jetzt, 40 Jahre später, hängen Herrn Krugs DDR-Plattenhüllen - neben kunstvoll gestalteten Klassik-, Jazz- und Hans-Eisler-Covern - im Museum: als Beleg für die bis heute unterschätzte Klasse der DDR-Gebrauchsgrafik?
    Jedenfalls zeigen sie, dass der Osten mitnichten nur trist und grau war. Die Amiga-Hülle der hier ausgestellten Manfred-Krug-LP "Nur ein Moment" von '71 im pseudo-psychedelisch-knallbunt-hippieskem Blubber-Blasen-Design unterscheidet sich auf den ersten Blick kaum von dem, was etwa die westdeutsche Schlagerschmiede Ariola damals auf den Markt brachte – wo ist da ...
    - "... das DDR-Besondere? Ich bin aus dem Osten, ehrlich gesagt, ich kann es nicht in einen Kontext setzen - du?"
    - "Ich bin jetzt nicht aus der DDR. Und ich würde dem zustimmen, die sehen tatsächlich nicht anders aus, als die Schätze, die ich aus meiner Kindheit kenne."
    Gut, die quietschfidele Schlageroptik passe nicht:
    "Als Schlager würde ich es aus Respekt vor Manfred Krug jetzt nicht bezeichnen."
    Wobei die Beziehung von Cover-Gestaltung zum Musikstil seinerzeit tatsächlich in der Fachpresse diskutiert wurde:
    "In der zeitgenössischen Kritik, ich erinnere mich an einen Artikel zur Amiga-Gestaltung - für diese Sparte Pop und Rock, Unterhaltungs- und Tanzmusik - das ist mit dem Label Amiga abgedeckt."
    So die Kuratorin Florentine Nadolni:
    "Und da wurde nahegelegt: Bei diesen flachen Inhalten kann keine anspruchsvolle Gestaltung herauskommen."
    Überraschend sicher: Dass es eine Fachpresse für Grafik- und Gestaltungsfragen überhaupt gab. Oder dass beispielsweise eine Zeitschrift namens ...
    "... "Neue Werbung" über 40 Jahre erschien, wo man denkt: Wozu braucht eine sozialistische Ökonomie so eine Zeitschrift, wo eben über Werbestrategien, sinnvolle Werbemittel, alles drin enthalten ist. Das wundert einen ja auf eine Art."
    Erklärt Renate Flagmeier, Leiterin des Museums der Dinge.
    Frauenillustrierte "Sybille" galt durchaus als Avantgarde
    Welche Bedeutung die Beschäftigung mit Fragen der Werbung, der Gestaltung und des Designs für die Führung des Arbeiter-und Bauernstaates hatte, verdeutlicht vielleicht eine kurze Sequenz aus dem in der Ausstellung gezeigten Dokumentarfilm "Träume nicht Sybille!", in dem Dorothea Melis, ehemalige Redakteurin der Modezeitschrift "Sybille",erklärt:
    "Eigentlich war die Gründung der "Sybille" eine Reaktion auf den Aufstand am 17. Juni '53. Da hat man gemerkt, dass man dem Volk auch ein bisschen Spiele geben muss – und nicht nur Brot."
    Für die in der Ausstellung gezeigten Zeitschriftentitelseiten gilt das gleiche wie für die eingangs erwähnten Plattencover: Sie halten West-Vergleichen nicht nur stand, die "Sybille"galt durchaus als Avantgarde. Die DDR-Mode-Fotografen lichteten lässig-eleganten Metropolenchic schon in den 60-ern betont locker in Alltagsposen mitten im Leben, vor urbaner Kulisse ab, mit künstlerischem Anspruch, nur:
    "Drucktechnisch hatten sie nicht soviel drauf wie im Westen. Das war klar."
    Sagt Hartwig Jürgen, Ausstellungsbesucher und passionierter Sammler von DDR-Alltagsgegenständen:
    "Die Illustrierten, die waren eben jämmerlich, noch bis zum Schluss. Die hatten nicht so ein gutes Papier. Und alles aus dem Westen sah ja anders aus - auch die Postkarten, da war der Himmel total blau. Die Farben waren besser. So ist der Eindruck entstanden, im Westen war alles besser, weil es eben drucktechnisch eben besser war wie die DDR-Sachen."
    Schlechte Drucktechnik in der DDR
    Ging die DDR also an jämmerlicher Drucktechnik zugrunde? Im Begleittext zur Ausstellung wird jedenfalls folgende These des Philosophen Harry Lehmann zitiert:
    "Der Sozialismus ist an seiner Alltagsästhetik gescheitert. Es war das typische DDR-Design, das die Bürger gegen ihren Staat aufgebracht hat. Die Wende 1989 war eine ästhetische Revolte."
    Kuratorinnen: Ja, es ist natürlich eine zugespitzte These. Wir teilen sie nicht. Aber es ist natürlich widersprüchlich. Es gab schon eine Mangelsituation, aber man sieht schon, dass es einen hohen Anspruch gab."
    Dabei scheint heute wieder gerade das, was als typisches DDR-Design geschmäht wurde - also alles, was im Konsum zu kaufen und schon rein äußerlich nicht mit Konsum-Artikeln westlicher Prägung zu verwechseln war, also diese typische Pappschachtel-Optik,...
    "Diese Recycling-Anmutung, dieses einfach bedruckte Papier, ist ja heute wieder ganz hip."
    Genau: Der hip-aufgeklärte Konsument fordert heute wieder nachhaltige Schlichtheit, selbst Frauenzeitschriften titeln aktuell mit "Unsere Lust auf weniger". Und einfach bedrucktes Papier könne, so Hartwig Jürgen, ja auch wirklich stylish sein, zum Beispiel:
    "Gab es 1962 ein Rasierwasser: Das war nur ein Buchstabe, "R. Das war also das Rasierwasser mit dem kürzesten Namen. Das was also ganz abstrakt."
    Der Besucherandrang bei der Ausstellungseröffnung war enorm. Es war offenbar höchste Zeit, die Gebrauchsgrafik der DDR mal richtig einzuordnen.
    "Weil es mal fällig war: Was man bisher hatte, waren ja eher Eingeborenenausstellungen mit Ampelmännchen und Eierbechern - daran konnte man wenig ablesen, hier hat man mehr Informationen."