Dienstag, 07. Mai 2024

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DDR-Museum
70.000 Exponate ziehen um

Vom Haarföhn bis zum Camping-Trabbi: Die Mitarbeiter des pleitegegangenen DDR-Museums Radebeul müssen gerade alle Exponate in Umzugskisten verpacken. Ein Münchner Unternehmer hat die Sammlung gekauft, um damit ein neues Museum in Dresden zu eröffnen. Er will damit ein Zeichen setzen.

Von Alexandra Gerlach | 03.02.2017
    DDR-Schilder und Mini-Trabis stehen am 06.11.2014 in Radebeul (Sachsen) im 2006 eröffneten DDR-Museum "Zeitreise".
    Das DDR-Museum "Zeitreise" zieht nach Dresden um. (dpa / picture-alliance / Matthias Hiekel)
    Gabi Reißig schüttelt den Kopf, gestern noch, als sie den Kindergarten eingepackt hat, war ihr die Triola in die Hände gefallen. Ein typisches Musikinstrument ihrer frühen Kindertage. Begeistert hat sie sofort ausprobiert, ob sie es noch spielen konnte, doch jetzt fallen ihr nur andere vertraute Spielzeuge in die Hände
    "Na, hier haben wir diese typische Plastik-Eisenbahn, Holzspielzeug."
    Die 53-jährige ist ein echtes Ostgewächs aus dem Erzgebirge. Als Projektleiterin hat sie die Aufgabe, das gesamte ehemalige DDR-Museum in Radebeul einzupacken und im historischen DVB-Haus, dem ersten Spannbeton-Hochhaus Dresdens, wieder aufzubauen. Seit Weihnachten packt sie die DDR in Kisten:
    "Ja, also das ist schon ein bewegendes Gefühl. Ich bin ja selber in der DDR groß geworden und viele Dinge kommen in Erinnerung, die man dann wieder in den Händen hält und sich an sich fragt, Mensch, das hattest Du früher auch, wo ist das überhaupt abgeblieben? Also wo schon die Gedanken wirklich sehr in die Zeit zurückgehen."
    Nostalgie kommt auf
    So zum Beispiel wenn es an den Transportwagen-"Rolli" geht, mit der in Einzelteile zerlegten hellbraunen Schrankwand, mit dem leuchtend weißen Klebezettel "MDW 80".
    "Also hier haben wir schon den Inhalt der Anbauwand oder die Dekoration und da kann ich von sehr gutem und wertvollem Lauscha-Glas sprechen, das war eine Rarität zu DDR-Zeiten und da war jeder glücklich, wenn er im Kunstgewerbe so ein Teil, eine Vase oder einen Cognac-Schwenker oder was auch immer erworben hat, und das in der Wand Platz finden dürfte.
    Schwungvoll packt sie in die Dekoration wieder in die Kiste und deckt sie sorgsam zu. Der tägliche Umgang mit diesen Alltagsutensilien aus einer untergegangenen Welt geht nicht spurlos an ihr vorüber:
    "Ich hab vereinzelt so etwas auch noch zuhause. Ich kann‘s nicht wegwerfen. Ich habe es manchmal in der Hand und denke so für mich, mmhh, aber das sind so viele Erinnerungen, man kann es nicht wegbringen."
    Vom Haarföhn bis zum Camping-Trabbi
    Rund 70.000 Objekte umfasst das frühere DDR-Museum in Radebeul. Vom klassischen DDR-Haarföhn in unterschiedlichen Farben über ganze Klassenzimmer und genormte Wohnungseinrichtungsprogramme für die typischen DDR-Plattenbauwohnungen, im Volksmund auch "Arbeiterschließfach" genannt. Ein ganzer Fuhrpark ist dabei, mit Volkspolizei-Wartburg, Pritschenwagen, Camping-Trabbi, Marke Eigenbau oder einem noblen Wolga.
    Nicht alles wird mit umziehen, manche Leihgeber haben ihre Exponate erst mal abgezogen. Doch Peter Simmel stört das nicht. Der 57-jährige Unternehmer aus Poing bei München ist ein echter Self-Made-Man und Einzelhandelskaufmann von der Pieke auf. Seit 1990 ist er in Sachsen aktiv. In und um Chemnitz betreibt er 14 große Lebensmittelmärkte, in Dresden hat er ein kleines Einkaufszentrum konzipiert. Hier wird die DDR-Ausstellung ab Ende Januar ihr neues Zuhause finden. Baut der Münchner hier die DDR wieder auf?
    "Auf keinen Fall, wir bauen die DDR auf keinen Fall auf, weil ich da auch gar keine Erfahrung der Geschichte dazu habe. Ich war also nie zu Zeiten, wo die DDR noch existiert hat, im Osten. Wir waren an der Grenze mal, das war für mich grausam und damit war das Thema erledigt."
    Vor allem Schulklassen sollen kommen
    Dass er nun doch mit einem gewissen Wiederaufbau der DDR zu tun hat, verdankt er einem Zufall. Auf der Suche nach einer Immobilie sei er wortwörtlich über das insolvente Museum gestolpert. Die Schau habe ihn sehr an seine Startphase in der ehemaligen DDR, direkt nach dem Mauerfall erinnert, sagt Simmel. Zugleich sei ihm bewusst geworden, dass die Jugend heute die DDR nur noch aus Büchern und Erzählungen kenne. Da habe er ein Zeichen setzen wollen:
    "Weil wir nach meiner Wahrnehmung im Paradies leben, wir wollen es oftmals nur nicht wahrhaben und wie wir leben, wie es uns geht, ist also nicht selbstverständlich. Und dieses DDR-Museum erinnert schon auch mich sehr, sehr stark daran, dass es eben auch anders sein kann, dass es nicht immer so war, wie es jetzt ist."
    Peter Simmel wünscht sich, dass vor allem Schulklassen die neue Ausstellung "Welt der DDR" ab Februar besuchen sollen. Nachdenklich reagieren auch Passanten, die die aktuelle Foto-Ausstellung vom "Leben in der DDR" im noch leeren Foyer der neuen Ausstellung besuchen. Qualmende Schlote, verfallene Häuser, viel Grau und viel Gerümpel in den Straßen, Betriebsfeste, beschwerlicher Einkaufsalltag, viele verschlossene Gesichter:
    "Komischerweise, wenn man die Bilder so betrachtet, dann sagt man sich, 'Hat man damals so gelebt?" Aber es war eben so, aber man hat das leider vergessen oder verdrängt. Aber ich finde es schön, dass das wieder in Erinnerung gebracht wird."