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Death Metal als Doktorthema

Es muss nicht immer Beethoven sein. An der Uni Oldenburg entsteht zurzeit eine musikwissenschaftliche Doktorarbeit über einen etwas moderneren Sound: den Markt und die Szene von Black und Death Metal. Unvorbereitete Ohren hören bei dieser Musik nur Geschrei, Gitarre und Getrommel - die Texte handeln von Gewalt und Tod, sind aber oft sowieso nicht zu verstehen.

Von Sandra Ketterer | 13.03.2009
    In dieser Kneipe ist es überall etwas düsterer als normal. Die Decke ist schwarz gestrichen, die Wände sehen aus, als ob sie aus großen Steinen gemauert sind. Darin eingelassen sind an einer Wand eine Axt, in der anderen ein Morgenstern. Kerzen flackern auf den Tischen und in den Fenstern, rote Glühbirnen verbreiten ein schummriges Licht. "Paules Metaleck" heißt die Kneipe. Sie liegt in Friedrichshain, in einem Stadtteil von Berlin, in einer der angesagtesten Kneipenstraßen der Stadt. "Paules Metaleck" sieht nicht nur ungewöhnlich aus, hier läuft auch ganz spezielle Musik.

    Auf einer der schwarzen Ledersofas in einer Ecke sitzt eine kleine Frau. Brille, lässige Kleidung, Haare zum Pferdeschwanz gebunden. Keine sichtbaren Tattoos, keine Piercings, keine zerfetzten Jeans. Mit anderen Worten: Keine Frau, der man ansieht, dass sie auf diese aggressive Musik steht. Doch Sarah Chaker beschäftigt sich sogar wissenschaftlich damit. Seit zwei Jahren schreibt sie an ihrer Doktorarbeit über Black und über Death Metal, diesen Sommer will sie fertig werden. Die Musik, die gerade aus dem Lautsprecher dröhnt, findet sie ganz typisch:

    "Der Sänger, der grunzt, also das ist ein sehr tiefes Grunzen, man versteht den Text eigentlich auch nicht. Wir haben E-Gitarren, stark verzerrt, rapides Tempo, Schlagzeug bewegt sich meistens so bei 200 bis 210 Beats per Minute, das ist doppelt so schnell wie bei einem Standard-Rocksong."

    Der Stil ist übrigens Death Metal, der Text nicht so wichtig, sagt sie noch. Und überhaupt, so wahnsinnig verwunderlich findet sie es gar nicht, über dieses Thema zu forschen. Sie hat zwar eine ganz klassische Ausbildung, spielt Blockflöte, Oboe und Klavier. Aber während des Studiums hat sie schon zwei Jahre Rockmusik aufgelegt in einer Disko. Da war sie dann ganz schnell bekannt, denn eine Frau als Rock-DJ, das war etwas neues. Nur Fremde, die wundern sich schon, wenn sie über ihre Arbeit redet:

    "Also, es ist natürlich so, wenn man sich mit seinem Beruf zu erkennen gibt, und sagt, ich bin Musikwissenschaftler, dass die meisten Leute schon davon ausgehen, dass man ein typisches klassisches Thema bearbeitet, Bach, Beethoven und ähnliches. Und wenn ich dann sag, ja, so was ähnliches, ich arbeite zu Black und Death Metal, dann fällt vielen die Kinnlade erstmal herunter, aber im großen und Ganzen lachen die Leute und finden das auch ganz lustig, dass sich damit jemand mal wissenschaftlich beschäftigt."

    Doch Sarah Chaker untersucht nicht nur die Musik. Sie hat sich mit den Fans beschäftigt, mit der ganzen Szene. Unter anderem hat sie über 500 Fans nach ihren politischen Einstellungen befragt. Das Ergebnis überrascht: Die Musik handelt zwar überwiegend von Gewalt und Tod. Vor allem Death Metal Fans wählen aber überwiegend bürgerliche Parteien. Auch Anhänger des Black Metal, oft in schwarzer Kleidung und weißgeschminkten Gesichtern unterwegs, scheinen gesetzter als von außen vermutet. Ganz so bürgerlich wie ihre Kollegen sind sie aber nicht eingestellt:

    "Im Black Metal Bereich sieht es anders aus, da gibt es ne Vorliebe für extreme Parteien, sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite. Wir haben einen Anteil von ungefähr zehn Prozent für die rechten Parteien. Das ist erheblich und erklärt sich dadurch, dass es einen NS-Black Metal Bereich gibt."

    NS-Black-Metal-Bands schreiben oft antisemitische und ausländerfeindliche Lieder, allerdings so verschlüsselt, dass man sie schwer belangen kann. Generell beziehen sich Black Metal Bands gerne auf nordische Mythologie. Für Sarah Chaker eine Erklärung dafür, warum diese Musikart auch für rechtsextreme Gruppen attraktiv ist. Doch auch wenn die Texte von Tod, Satanismus, Krieg und Blut handeln - sie hält die Fans nicht für generell gewaltbereit:

    "Ja, es wird häufig unterstellt, dass Musik, die für manche aggressiv klingen mag, auch aggressiv macht, aber das ist eine Verkürzung, also zwischen einem Klang und einer Handlung liegen eben noch ein paar Zwischenschritte. Und das sind erwachsene Menschen, die zwischen einer fiktiven Ebene, der Musik, und der Realität, in der sie selber agieren, unterscheiden können. Und dadurch kommt es weder auf Festivals noch im Alltag zu Gewalthandlungen. Das ist wirklich sehr, sehr selten, das da was passiert."

    Das ist auch die Antwort, die sie der Polizei gibt. Wenn zum Beispiel ein Schüler gewalttätig wird und man bei ihm zu Hause harte Musik sicherstellt. Für solche Fragen ist sie heute schon Ansprechpartnerin. Ob sie sich für immer mit Black und Death Metal beschäftigen will, nein, sagt sie, dass weiß sie noch nicht. Zunächst will sie die Arbeit abschließen und veröffentlichen - das nimmt ja noch genug Zeit in Anspruch.