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Debatte über Handyverbot
Fußgänger, die auf Smartphones starren

Ausgerechnet ein Fußgängerverband hat angeregt, Fußgängern bei Unfällen eine Mitschuld zu geben, wenn sie dabei durchs Smartphone abgelenkt waren. Hinter dem Vorschlag steckt eine besorgniserregende Entwicklung: Bei immer mehr tödlichen Unfällen spielte die Handynutzung eine Rolle.

Von Cornelius Wüllenkemper | 19.03.2015
    Eine 13-jährige Jugendliche spieltauf ihrem Smartphone das Spiel "Candy Crush".
    Das Handy ist Ablenkungsfaktor Nummer eins bei Fußgängern. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Eine viel befahrene Verkehrsachse im Zentrum Berlins. Zur Mittagszeit kreuzen hier Autos, Roller, Fahrräder und Fußgänger gleichzeitig. Die Zahl der Verkehrsunfälle steigt seit Langem. 16.500 Verletzte im Jahr 2013 gegen 17.500 2014, die Statistik der Berliner Polizei ist eindeutig.
    "Das berichten auch die Kollegen, dass das Handy Ablenkungsfaktor Nummer eins ist, das ist nicht wegzudiskutieren bei Fußgängern. Dass das Handy immer öfter im Spiel ist, sieht man schon daran, dass wenn der Funkwagen zum Unfallort eilt, und dort liegt die verletzte Person auf der Straße und das Handy liegt daneben. Da sieht man schon in der Praxis, wie oft das Handy die Menschen im Verkehr ablenkt und das sie nicht mehr auf den Straßenverkehr achten."
    Sagt Steve Feldmann von der Berliner Polizeigewerkschaft. Schnell noch eine SMS schreiben, Mail beantworten oder einen Anruf annehmen, während man die Straße oder die Straßenbahngleise überquert? Die Handy-Spur, die man kurzzeitig ich China einführte, hat sich ebenso als Flopp erwiesen wie die Smartphone-App aus Japan, die das Handy verriegelt, sobald sich der Nutzer vom Fleck bewegt.
    Debatte über Handyverbot
    Jetzt wartet der Fachverband Fußverkehr Deutschland mit einer neuen Idee auf. In der aktuellen Zeitschrift stellt der FUSS e.V. seinen 600 Mitgliedern die Frage, ob und wie man das Problem in den Griff bekommen kann. Ein Handy- und Smartphone Verbot für Fußgänger? Wie bei Fahrradfahrern und Autofahrern die Benutzung von mobilen Endgeräten ahnden? Das wäre laut FUSS-Mitgliederzeitschrift "nur gerecht". Dem Fußgänger in Deutschland einfach mal das Telefonieren verbieten - auch Stefan Lieb, Leiter der Bundesgeschäftsstelle des FUSS e.V. in Berlin-Wedding, ahnt, dass das schwierig werden könnte:
    "Wie ist die Überwachung dazu? Ein Autofahrer, der beim Fahren ein Handy am Ohr hat - ist klar. Aber ein Fußgänger, der am Straßenrad steht zum Beispiel und rumtippt, müsste da das Ordnungsamt kommen und sagen: Sie wollen doch jetzt über die Straße und achten nicht auf den Verkehr? Oder ist der Fußgänger gerade dabei sicher zu stehen, seine SMS zu Ende zu schreiben und dann rüberzugehen?"
    Fußgänger haften nicht
    Eben. Schwierig wird es auch bei der Frage, wie es verkehrsrechtlich zu beurteilen wären, wenn man sich beim Überqueren der Straße angeregt mit seiner Begleitung unterhält, oder beim Gehen Zeitung liest. Ein Berliner Kurierfahrer, der in seinem Auto im Monat zwischen 5.000 und 10.000 Kilometer innerhalb des Stadtgebiets zurücklegt, hat die Antwort: "und wenn ich dann links abbiege, rennt mir regelmäßig jemand vors Auto oder ins Auto rein. Habe ich jetzt schon zig Mal gehabt. Ich habe noch nie erlebt, dass ein Fußgänger kontrolliert wird. Immer nur die Autofahrer. Das Problem ist die Haftung. Fußgänger haften eben nicht, und das wissen die auch."
    Auch gegen diesen schlimmen Missstand hat der Fachverband Fußgängerverkehr einen Vorschlag parat: Er schlägt bei Verkehrsunfällen die Einführung einer Mitschuld für Fußgänger mit Handy vor. Davon hält der renommierte Unfallforscher Siegfried Brockmann allerdings nicht viel:
    "Zunächst mal zeugt der Vorschlag nicht von allzu viel juristischer Kompetenz. Denn natürlich muss sich ein Fußgänger, unabhängig von der Frage, warum er nicht auf den Verkehr geachtet hat, immer eine Mitschuld anrechnen lassen, wenn er ohne auf den Verkehr zu achten die Fahrbahn betritt, und dazu braucht es jetzt keinen neuen Tatbestand, das ist immer so gewesen."
    Präventionsarbeit an Schulen
    Statt einer weiteren Verreglementierung und Kontrolle des Alltagslebens ist im Kampf für mehr Aufmerksamkeit im Verkehr vor allem die Präventionsarbeit an Schulen wichtig zu sein, heißt es vonseiten der Berliner Polizei. Aber immerhin: Steve Feldmann von der Polizeigewerkschaft meint, dass Verkehrsrichter die Ablenkung durchs Handy in Zukunft als straferhöhend einstufen könnten.