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Debatte über Medienfreiheit in Italien

Die Medienmacht des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi beschäftigt nun auch das Europäische Parlament. Die Liberalen im Europaparlament fordern eine europäische Richtlinie, die die Medienfreiheit in allen EU-Mitgliedsländern garantiert, die Konservativen aus der EVP werfen den Berlusconi-Kritikern eine Hetzkampagne vor.

Von Doris Simon |
    "Die Diskussion ist ganz sicher eine extrem sensible Angelegenheit."

    Es geht um Politik, Wirtschaft und Journalismus, und Martin Schulz, der Vorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion ahnt, dass es heute Streit geben wird bei der Debatte im Europäischen Parlament. Für die Mehrheitsfraktion der EVP ist sie ein abgekartetes Spiel: Hier soll ein erfolgreicher Geschäftsmann und Premierminister von seinen weniger erfolgreichen politischen Gegnern fertiggemacht werden. Zur EVP gehören unter anderem CDU und CSU und die Berlusconi-Partei Popolo d'Italia. Europa dürfe nicht zur Berufungsinstanz für nationale Diskussionen werden, sagte der Fraktionsvorsitzende Joseph Daul. Der italienische EVP-Abgeordnete Mario Mauro befand vorab, mit Medienfreiheit habe die angesetzte Debatte nichts zu tun:

    "Berlusconi hat die Unterstützung der Mehrheit, die italienische Linke dagegen hat ganz einfach verloren. Das sagt doch alles über den Wahrheitsgehalt dieser Debatte aus. In Wirklichkeit führen sich Medien wie die 'Republicca' und 'L'espresso' seit Jahren auf wie politische Parteien - allerdings mit nur mit einem Programmpunkt: Sie wollen den politischen Erfolg Silvio Berlusconis zerstören."

    Bande, Räuberpack, verlogene Schreiberlinge: Das sind alles Worte, mit denen Silvio Berlusconi und seine politischen Freunde kritische Journalisten belegt haben. Zugleich ist die Debatte schärfer geworden um den Mann, der in Personalunion ein Medienimperium und die italienische Regierung führt. Die Veröffentlichungen über Berlusconis Umgang mit Prostituierten haben dem Premierminister mehr geschadet als alle Korruptionsaffären davor. Seine wütende Reaktion bekamen nicht nur die Zeitung "Republicca" und das katholische Blatt "Avvenire" zu spüren, Berlusconi verklagte auch mehrere europäische Qualitätszeitungen auf Schadensersatz.

    Das war der Moment, wo ich aufmerksam geworden bin, sagte gestern Guy Verhofstadt, der Vorsitzende der Liberalen im Europaparlament. Der frühere belgische Premierminister findet es bedenklich, dass die unabhängige Organisation Freedom House Italiens Medienlandschaft zuletzt für nur teilweise frei befand. Die Liberalen im Europaparlament fordern deshalb eine europäische Richtlinie, die die Medienfreiheit in allen EU-Mitgliedsländern garantiert. Auch der frühere Korruptionsermittler Antonio di Pietro unterstützt ein solches europäisches Gesetz: Der italienische Oppositionspolitiker sieht im Vorgehen der italienischen Regierung gegen kritische Medien ein europäisches Problem:

    "Deshalb haben wir diese Debatte beantragt. Das Europäische Parlament sollte sich an vorderster Stelle dafür einsetzen, dass jeder europäische Bürger die Garantie bekommt, dass er in einer Demokratie lebt, in der der Bürger sich darauf verlassen kann, dass die Informationen, die er über die Medien erhält, korrekt sind und nicht einseitig oder verzerrt."

    Denn das, was derzeit in Italien passiere, könne auch in jedem anderen EU-Land vorkommen, sagte di Pietro. Die Diskussion müsse auf europäischem Niveau geführt werden, glaubt auch Martin Schulz, der SPD-Fraktionsvorsitzende, und verweist auf den Binnenmarkt in der EU:

    "Wir haben in Europa keine Wirtschaftsgrenzen mehr. Das heißt, es gibt keine ausschließlich nationale Medienlandschaft mehr. Wir haben es mit einer europäischen Medienlandschaft zu tun. In einem Monat ist das Italien, in einem anderen Monat ist das vielleicht Frankreich, im dritten Großbritannien, im vierten Monat Deutschland, aber immer ist es, weil wir uns mit einem grenzenlosen Europa konfrontiert sehen, eine europäische Debatte."

    Die heutige Debatte über die Medienfreiheit in Italien dürfte nicht die letzte sein im Europäischen Parlament: In der nächsten Plenarwoche wollen die Europaabgeordneten eine Erklärung beraten.