Dienstag, 07. Mai 2024

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Warnstreik
Öffentlicher Verkehr weitgehend lahmgelegt - Debatte über Verhältnismäßigkeit

Der bundesweite 24-stündige Warnstreik hat den Verkehr mit Zügen, Bussen und Flugzeugen weitgehend zum Erliegen gebracht. Die Gewerkschaften EVG und Verdi äußern sich zufrieden über die Beteiligung. Kritik kommt unter anderem von der Mittelstandsunion und dem Deutschen Landkreistag. Bundesinnenministerin Faeser setzt auf eine Tariflösung.

28.03.2023
    Frankfurt/Main: Ein Mann läuft mit seinem Hund durch das ansonsten menschenleere Terminal des Flughafens in Frankfurt.
    Warnstreiks in Deutschland - Flughafen Frankfurt (Boris Roessler / dpa / Boris Roessler)
    Die Vorsitzende der Mittelstandsunion, Connemann, wertete den Warnstreik als überzogen. Die CDU-Politikerin sagte im Deutschlandfunk, normalerweise richte sich ein Ausstand gegen den Arbeitgeber; in diesem Fall seien aber Millionen unbeteiligte Dritte wie etwa Pendler oder Familien betroffen. Maß und Mitte seien verloren gegangen. Connemann betonte, in einer solch kritischen Infrastruktur dürfe ein Streik nur das letzte Mittel sein. Sie forderte klare Regeln. Unter anderem dürfe es Arbeitsniederlegungen erst nach einem verbindlichen Schlichtungsverfahren und einer Ankündigungsfrist geben. Zudem müsse ein Notdienst eingerichtet werden. (Das Interview mit Gitta Connemann können Sie hier nachlesen.)
    Der Präsident des Landkreistages, Sager, bezeichnete den Großstreik als überdimensioniert. Die Arbeitgeber hätten bereits auf die Forderungen der Arbeitnehemer reagiert und ein Angebot vorgelegt, betonte Sager im Deutschlandfunk. In der dritten Verhandlungsrunde sei es nun wichtig, dass die Gewerkschaften den Arbeitgebern entgegenkämen.
    Auch Bundesinnenministerin Faeser forderte ein Entgegenkommen der Gewerkschaften. Sie zeigte sich aber zuversichtlich, dass der Tarifstreit im öffentlichen Dienst in dieser Woche beigelegt werden kann. Sie erkenne an, dass die Beschäftigten unter den hohen Preisen litten, sagte Faeser in Potsdam. Deshalb sei es auch gemeinsame Aufgabe, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen guten Abschluss fänden.

    Gewerkschaften zufrieden - EVG: Keine weiteren Aktionen über Ostern

    Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG zeigte sich zufrieden mit der Streikbeteiligung. Nach Angaben der EVG beteiligten sich bundesweit mehr als 31.000 Beschäftigte an 350 Standorten. Der Gewerkschaftsvorsitzende Burkert nannte die Arbeitsniederlegung notwendig und verhältnismäßig. "Es geht jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung", sagte er in Potsdam. EVG-Tarifvorstand Loroch schloss weitere Arbeitsniederlegungen vor und während der Osterfeiertage aus. Man wolle nicht die Reisenden bestreiken, sondern die Arbeitgeber.
    Der Verdi-Vorsitzende Wernekesagte im Deutschlandfunk, bei den Tarifverhandlungen habe man keine Fortschritte gesehen. Die Arbeitgeber gingen ignorant an den Forderungen der Gewerkschaften vorbei. Mit deren Angebot werde die Preissteigerungsrate nicht ausgeglichen. Zudem lehnten sie jede soziale Kompomente ab. Werneke drohte mit einer "neuen Dimension" von Streiks, wenn bei der heute beginnenden dritten Verhandlungsrunde keine Einigung erzielt werde. (Das Interview mit Frank Werneke können Sie hier nachlesen.)

    Dritte Verhandlungsrunde im Zeichen bundesweiter Ausfälle

    Die dritte Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen begann am Vormittag in Potsdam. Verdi und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten - mindestens aber 500 Euro monatlich mehr. Die Arbeitgeber bieten bisher fünf Prozent über 27 Monate und eine steuerfreie Einmalzahlung von 2.500 Euro an.
    Derweil steht der Verkehr mit Zügen, Bussen und an den meisten Flughäfen heute still. Mit Frankfurt am Main ist auch der größte deutsche Flughafen lahmgelegt. Es fänden keine Passagierflüge statt, teilte der Betreiber Fraport mit. Nur einzelne medizinische Notflüge oder Flüge für Hilfsgüter würden abgefertigt. Auch morgen müsse mit Auswirkungen wie längeren Wartezeiten gerechnet werden. Ursprünglich waren am Flughafen Frankfurt fast 1.200 Starts und Landungen mit 160.000 Passagieren geplant.
    Warum in Deutschland - im Gegensatz etwa zu Frankreich - so viel über Verhältnismäßigkeit von Streiks diskutiert wird, lesen Sie hier.
    Diese Nachricht wurde am 27.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.