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Debatte um Abschaffung von Feiertagen

Meurer: SPD und Union wollen gemeinsam über die Gesundheitsreform verhandeln. Das war bei allen Meinungsverschiedenheiten gestern ein Ergebnis der ersten Lesung der Gesundheitsreform der Bundesregierung im Deutschen Bundestag. Wer aber wird die Verhandlungsdelegation oder die Gespräche von Seiten der Union leiten? Horst Seehofer hat sich gestern Nachmittag in mehreren Interviews doch zu Wort gemeldet. Er bleibt in seinen Ämtern, tritt nicht zurück, aber er bleibt auch bei seiner Meinung und will sich in Zukunft "nicht mehr von Vorsitzenden vorschreiben lassen", was er zu denken habe, wenn er prinzipiell anderer Meinung sei. Am Telefon begrüße ich Michael Glos. Er ist der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Guten Morgen, Herr Glos.

    Glos: Guten Morgen, Herr Meurer.

    Meurer: Zunächst: Wie froh sind Sie, dass Horst Seehofer nicht zurücktritt? Daran gedacht hatte er ja.

    Glos: Horst Seehofer ist derjenige, der in den Reihen der Union die größte Erfahrung mit der Gesundheitspolitik hat und der unsere Politik immer nach außen wie ich finde glänzend vertreten hat. Insofern kann ich mir nicht vorstellen, dass man auf einen Mann wie Horst Seehofer ohne weiteres verzichten kann.

    Meurer: Kann er in Zukunft denn die Position der Union nach außen noch vertreten?

    Glos: Aber ja. Es ist ein Punkt, wo Horst Seehofer anderer Meinung gewesen ist. Er weiß auch, dass Politik und vor allen Dingen gemeinsame Beschlüsse immer das Ergebnis von Kompromissen sind. Man tauscht Argumente aus, man ringt sich zu einer Lösung durch. Man kann dann nicht immer in allen Punkten Recht bekommen. Manchmal muss man nachgeben. Es fällt ihm in einem Punkt sehr schwer, aber insgesamt wird er sicher die Linie der Union dort vertreten. Er wird in den Verhandlungen mit der SPD natürlich nicht auf eigene Rechnung verhandeln als Abgeordneter Horst Seehofer, sondern für CDU und CSU.

    Meurer: Wird er der Verhandlungsführer sein?

    Glos: Ich kann mir das gut vorstellen. Wir haben darüber noch nicht im engsten Führungskreis der Union gesprochen, aber es ist selbstverständlich, solange er der dafür zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende ist, dass er der Verhandlungsführer ist.

    Meurer: Was ist in den letzten Tagen, Herr Glos, schiefgelaufen, dass der Kompromiss vom Montag zu hastig eingefädelt wurde, wie Horst Seehofer sagt, oder dass umgekehrt Ihr Kollege Seehofer vielleicht auch am Montag oder Dienstag in Gremien seinen Standpunkt hätte erläutern können, worauf er ja verzichtet hat?

    Glos: Wir machen jetzt keinen Untersuchungsausschuss miteinander, wie das Ganze zu Stande gekommen ist. Es lehrt uns aber sicher, dass wir in Zukunft noch sorgfältiger miteinander reden müssen, vielleicht nicht auf Telefonschaltkonferenzen, wie das geschehen ist, sondern dass wir uns zusammensetzen und das an einem Tisch miteinander austragen. Das ist vielleicht leichter. Wir haben es dieses Mal über modernere Kommunikationsmittel versucht. Wir werden sicher zu der alten Erfahrung zurückkehren, dass es besser ist, man schaut sich dabei gegenseitig in die Augen, als dass man es am Telefon austrägt.

    Meurer: Zur Sache selbst: Wie glaubwürdig kann die Union ihr Gesundheitskonzept vortragen und vertreten gegenüber der Wählerschaft und der Öffentlichkeit?

    Glos: Ich sehe da überhaupt keine Probleme. Es ist ja wie gesagt lediglich ein Punkt, in dem Fall die Leistungen für Zahnersatz. Das ist ein vollkommen pragmatischer Punkt. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, um einzusparen. Wir sind in diesem Punkt nicht alle einer Meinung. Horst Seehofer hat sich ja zu dieser Meinung durchgerungen, das auf die Privatversicherungen zu übertragen, auch um einmal zu probieren, wie die privaten Versicherungen dann mit einem Versichertenkreis umgehen, den sie praktisch qua Pflicht erhalten haben. Diese Erfahrung soll damit nach Vorstellung der CDU gewonnen werden. Es war ein Vorschlag der CDU. Wir haben ihm in der CSU in Kompromissform zugestimmt. Wenn man darüber verschiedener Meinung ist, hat man doch noch lange nicht seine Glaubwürdigkeit verloren. Es geht ja bei der Gesundheitsreform um einen größeren Wurf. Es geht darum, die ständig steigenden Beiträge zurückzudrängen. Wir können uns diese hohen Lohnnebenkosten nicht mehr leisten. Da haben jetzt beide Gruppierungen - Rot-Grün auf der einen, die Union auf der anderen Seite - Konzepte vorgelegt. Jetzt müssen wir miteinander sehen, ob daraus etwas Gemeinsames wird. Ansonsten muss Rot-Grün, wie wir es in der Vergangenheit gewohnt sind, wieder sein Gesetz alleine durch den Deutschen Bundestag peitschen.

    Meurer: Nur: Für die Öffentlichkeit und für Horst Seehofer ist das nicht nur ein einzelner Punkt, sondern eine grundsätzliche Weichenstellung, wie er sagt: Privatisierung oder solidarische Bürgerversicherung.

    Glos: Ich sehe das anders.

    Meurer: Es ist doch eine Grundsatzfrage, ob ich einen Teil der Sozialversicherung privat ausgliedere, oder ob ich sogar vorschlage - wie Seehofer das tut -, in der Rentenversicherung eine Bürgerversicherung einzuführen, in die auch Beamte einzahlen sollen.

    Glos: Herr Meurer, hier versuchen Sie - und das ist legitim - Dinge miteinander zu verquicken. Horst Seehofer hat sich wegen der Bürgerversicherung längerfristig perspektivisch geäußert. Das hat nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Zweitens, Stichwort Leistungsausgrenzung: Die SPD will das Krankengeld ganz und gar ausgrenzen als Leistung. Insofern ist die Tatsache sicher, dass die Leistung wie Zahnersatz Pflichtleistung bleibt. Sie soll lediglich in private Trägerschaft gegeben werden. Eine weniger gravierende Ausgrenzung als es die SPD auf der anderen Seite mit dem Krankengeld vorschlägt. Ich kann ja viel weniger durch eigenes Verhalten beeinflussen, ob ich krank werde oder längerfristig krank bleibe als ich beeinflussen kann, was mit meinen Zähnen ist und wie rasch ich Zahnersatz brauche. Ich glaube, Sie haben da eine falsche Argumentation.

    Meurer: Die Argumente werden jetzt demnächst ausgetauscht werden zwischen Union und SPD. Wann wird mit den Verhandlungen begonnen?

    Glos: Ich hoffe, möglichst frühzeitig. Möglicherweise haben sich gestern schon die Spezialisten auf Termine geeinigt. Das weiß ich nicht.

    Meurer: Das heißt, Sie plädieren schon dafür, nicht bis zum Vermittlungsausschuss im Herbst abzuwarten?

    Glos: Nein, man kann möglichst rasch handeln, wenn man will. Nur ist es im Moment so, dass die SPD und die Grünen ein Konzept vorgelegt haben, von dem sie gewusst haben, dass es bei der Union auf keinerlei Resonanz stößt. Das heißt, sie müssen, nachdem sie ihre Reihen geschlossen haben, erst einmal von den ideologischen Verbohrtheiten wie zum Beispiel neue Überwachung für Ärzte, Einschränkung auch unserer Apothekenvielfalt durch Zulassung von Gesamtapotheken, und so weiter, von all diesen Punkten Abschied nehmen. Ansonsten kann es mit der Union keine Einigung geben.

    Meurer: Die Hälfte Deutschlands, Herr Glos, hat heute Feiertag, nämlich Fronleichnam. Wir erleben eine Debatte, die der Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement angestoßen hat: Feiertage abzuschaffen, um die Konjunktur anzukurbeln und die Wirtschaft zu stärken. Was ist Ihre Auffassung?

    Glos: Feiertage sind natürlich auch Ausdruck der gewachsenen Vielfalt unseres Landes. Sie haben das Beispiel des heutigen Tages gebracht. Das ist in unterschiedlichen Teilen unseres Landes unterschiedlich geregelt. In Bayern ist Fronleichnam Feiertag. Wir lassen uns auch von niemandem außerhalb Bayerns vorschreiben, welche Feiertage wir in Bayern machen. Bayern hat mehr Feiertage als andere Bundesländer, hat eine bessere Produktivität und eine geringere Arbeitslosigkeit. Es kann also nicht an den Feiertagen alleine liegen. Feiertage dienen auch dazu, einmal innezuhalten und dann wieder weiterzumachen. Clement hat aber eine andere wichtige Debatte wieder angestoßen: Wie viel müssen wir in Deutschland arbeiten, um unseren Wohlstand halten zu können? Es war ausgerechnet die SPD, deren führender Repräsentant Clement ist, die in engem Schulterschluss mit den Gewerkschaften, die ja zum allergrößten Teil - insbesondere die DGB-Gewerkschaften - ein Stück SPD-Gewerkschaften sind, die die Arbeitszeit bei uns im Land brutal zurückgefahren hat. Dadurch hat sie Arbeit immer mehr verteuert und immer mehr Arbeitsplätze aus Deutschland geradezu vertrieben in einem Arbeitsplatzvertreibungsprogramm, so wie man es jetzt in den neuen Bundesländern wieder macht, wo man für die 35-Stunden-Woche streikt. Hier müssen wir wieder einen umgekehrten Weg gehen. Wir müssen als Deutsche insgesamt mehr arbeiten. Dann kommen wir wieder von den höheren Kosten runter und bekommen auch in Deutschland mehr Arbeit.

    Meurer: Über die Arbeitszeiten, Herr Glos, können ja aber nicht die Politiker entscheiden. Das ist Sache der Tarifvertragsparteien. Wären nicht die bundesweiten Feiertage ein Hebel, mehr Arbeitszeit einzuführen?

    Glos: Das wäre ein Hebel, den der Gesetzgeber hätte. Ich kann da aber nur raten, das zusammen mit den Tarifpartnern zu machen. Da ist meiner Ansicht nach auch der Ansatzpunkt. Es ist zum Beispiel nach meiner Auffassung sicher vernünftiger, zwei oder drei Stunden in der Woche mehr zu arbeiten als radikale Einschnitte bei Feiertagen oder Urlaub zu machen. Es gibt hier eine Reihe von Stellschrauben, wenn die Erkenntnis wächst, dass wir in Deutschland wieder mehr arbeiten müssen.

    Meurer: Das war der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, Michael Glos, bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Glos, besten Dank und auf Wiederhören.

    Glos: Auf Wiederhören. Danke schön.