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Debatte um Verteidungsausgaben
NATO will von Deutschland mehr als Erhöhung auf 1,5 Prozent

Es gehe um "Ausrüstung, nicht Aufrüstung", so hat die Bundeskanzlerin die Erhöhung des Wehretats verteidigt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg geht der Anstieg auf 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht weit genug. Auf dem Gipfel der NATO-Partner am Mittwoch und Donnerstag könnte es Ärger geben.

Von Stephan Detjen | 08.07.2018
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht neben NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt.
    "Deutschland muss noch mehr tun", fordert NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg mit Blick auf die Verteidigungsausgaben (Michael Kappeler/dpa)
    1,5 ist nicht gleich zwei. Das ist die einfache Grundrechenart der Verteidigungspolitik, die Jens Stoltenberg den Deutschen vorhält. Mit einem Interview in der "Bild am Sonntag" sucht der NATO-Generalsekretär die breite Öffentlichkeit, bevor er seine Forderung Ende nächster Woche beim NATO-Gipfel in Brüssel auch der Bundeskanzlerin einmal mehr persönlich vortragen wird: "Deutschland muss noch mehr tun." Auf 1,5 Prozent des Bruttosozialprodukts will die Bundesregierung ihre Verteidigungsausgaben bis zum Jahr 2024 hochschrauben. Zwei Prozent sollen es nach der für alle seit vier Jahren geltenden Vereinbarung der NATO-Partner sein.
    "Deutschland hatte zu Zeiten des Kalten Krieges schon einmal Ausgaben, die höher waren," sagt Angela Merkel."Danach haben wir sehr stak, auch bei der Bundeswehr, eingespart. Und um sofern geht es jetzt um Ausrüstung und nicht etwa um Aufrüstung."
    Bundeswehr müsse von Schrumpfung auf Wachstum umstellen
    Die Koppelung der Verteidigungsausgaben an die volkswirtschaftliche Gesamtleistung stellt Deutschland nicht nur für ein innenpolitisches Vermittlungsproblem. Nach Jahren der Schrumpfung muss die Bundeswehr auf Wachstum umgestellt werden. Für Rekrutierung und Beschaffungsprozesse gilt eine komplette Schubumkehr. Viel mehr als die zusätzlichen Milliarden, die schon jetzt in die Bundeswehr fließen, könne man schon logistisch kaum sinnvoll ausgeben, heißt es in Verteidigungskreisen. Zunächst müsse organisatorisch nachgearbeitet werden, meint auch FDP-Chef Christian Lindner im Deutschlandfunk Interview der Woche
    "Wir müssen zunächst mal über den Auftrag der Bundesregierung sprechen, dann darüber, wie man die Beschaffung besser managen kann und welche Entlastungen wir durch eine europäische Verteidigungsstruktur bekommen."
    Um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO bis zum Jahr 2024 zu erreichen, müssten die Verteidigungsausgaben noch drastischer steigen, als bisher errechnet, heißt es in einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, aus der "Spiegel Online" zitiert. 80 Milliarden Euro müssten demnach am Ende des Prozesses für die Verteidigung zur Verfügung stehen. Nach dem jüngsten Haushaltsentwurf sollen die Ausgaben im kommenden Jahr zunächst auf gut 42 Milliarden steigen. FDP-Chef Lindner meint:
    "Ich vermute aber, dass bei besserem Mangement der Beschaffung und europäischer Integration, wir eher weniger als zwei Prozent, deutlich weniger als zwei Prozent in Europa benötigen, um die Befähigungen zu erreichen, die auch die Vereinigten Staaten von uns erwarten."
    Auch beim NATO-Gipfel wird die Zielmarke-Zwei-Prozent eine große Rolle spielen
    In Brüssel werden die Diskussionen dennoch weiter um die Zielmarke Zwei kreisen. Zugleich aber wird der Gipfel schon im Vorfeld von der Sorge überlagert, dass die USA die Kritik am mangelnden Engagement Deutschlands und anderer NATO-Partner zum Anlass nehmen könnte, sich auch selbst weiter aus der Bündnissolidarität zu entfernen. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere verlassen können, sind ein Stück weit vorbei", hatte Angela Merkel vor einem Jahr gewarnt. Mit Blick auf den NATO-Gipfel betont sie jetzt die Gemeinsamkeit:
    "Wir brauchen die NATO auch im 21. Jahrhundert, weil sie Garant für unsere Sicherheit ist und zwar als transatlantisches Bündnis."
    Könnten die USA aber versucht sein, unter Donald Trump die Bindung zu Europa zu lockern? Truppen aus Deutschland abzuziehen? Schutzgarantien für die baltischen Staaten aufzuheben? Das sind Fragen, die in den europäischen Hauptstädten im Vorfeld des NATO Gipfels gestellt werden. Mit Sorge blicken Merkel und die europäischen Partner vor diesem Hintergrund schon jetzt auch auf das Treffen von US Präsident Trump mit dem russischen Präsidenten Putin, das wenige Tage nach dem NATO-Gipfel in Helsinki stattfinden soll.