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Debatte um Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge
"Der Wunsch der Gemeinde ist sehr klar definiert"

Die 1939 abgerissene Bornplatzsynagoge in Hamburg soll wieder aufgebaut werden. Dafür gibt es breite Unterstützung. Doch nun wird darüber gestritten, wie der Bau einmal aussehen soll: Wird es eine exakte Kopie des historischen Neubaus oder wäre ein neues, modernes Gebäude besser?

Von Axel Schröder | 11.02.2021
09.11.2018, Hamburg: Besucher einer Mahnwache stehen auf dem Joseph-Carlebach-Platz, auf dem mit Kreide die Grundrisse der Bornplatz-Synagoge, die von den Nationalsozialisten zerstört wurde, aufgemalt sind. Zum Gedenken an die Pogromnacht von 1938 fand auf dem Platz eine Mahnwache statt.
Hier stand einst die Bornplatzsynagoge: Gedenken an die Pogromnacht von 1938 auf dem Joseph-Carlebach-Platz in Hamburg (picture alliance/dpa | Axel Heimken)
Auf dem weiten Bornplatz - Ende der Achtzigerjahre in "Joseph-Carlebach-Platz" umbenannt - zeichnen in den Boden eingelassene schwarze Pflastersteine die Grundlinien des Kuppeldachs der einstigen Synagoge nach.
"Das Gebäude war sehr imposant. Ein großer Bau, der Selbstbewusstsein ausstrahlen sollte und der praktisch das Zentrum der Aufmerksamkeit der Hamburger Juden seinerzeit war. Die Kuppel, 40 Meter hoch, die war ein Statement."
Das erklärt Philipp Stricharz, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Hamburg. Erbaut aus rotem Ziegelstein mit großen, runden Rosettenfenster, wurde das Gotteshaus 1906 eingeweiht.

Jüdisches Leben sichtbarer machen

Damals lebten rund 14.000 Juden in Hamburg. Für Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky steht fest, dass die Synagoge nach den Ursprungsplänen wieder aufgebaut werden soll:
"Die Jüdische Gemeinde Hamburg hat sehr klar gesagt: wir möchten wiederaufbauen. Äußerlich, wie es früher einmal war. Der Wunsch und Wille der Gemeinde ist sehr klar definiert."
Das, so der Landesrabbiner, hätte sich auch in so vielen Gesprächen in der Gemeinde gezeigt. Und auch der Hamburger Senat unterstützt die Pläne. Auch Hamburgs Erster Bürgermeister, Peter Tschentscher, machte mit bei der Werbekampagne für das Projekt:
"Wir wollen die Arbeit der jüdischen Gemeinden stärken und das jüdische Leben in unserer Stadt sichtbarer machen. Dazu gehört: ein Wiederaufbau der von den Nazis zerstörten Synagoge am Bornplatz im Grindelviertel."

Kritikerin: "Gut gemeinter Revisionismus"

Bei einer Unterschriftenaktion sprachen sich über 100.000 Menschen für den Wiederaufbau aus. Und trotzdem gibt es Kritik an diesen Plänen. Zum Beispiel von der Historikerin Miriam Rürup. Bis vor kurzem leitet sie das Leitung das Hamburger Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Heute ist Miriam Rürup Direktorin des "Moses Mendelsohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien" an der Uni Potsdam. Schon im Sommer 2020 erklärte sie, warum sie jede Art von Synagogen-Bau auf dem Joseph-Carlebach-Platz ablehnt:
"Aus meiner Sicht ist es die Phantasie von einer vermeintlich heilen Welt, zu der man zurück könnte. Zu der man aber nicht zurück kann. Dass man sich dorthin zurückwünscht, finde ich völlig nachvollziehbar. Aber wir können diese Wehmut nicht dadurch überwinden, dass wir es herstellen. Weil es quasi ein Revisionismus ist, auch wenn es ein gut gemeinter Revisionismus ist."
Auch Ruben Herzberg, bis 2011 Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Hamburg, lehnt einen originalgetreuen Wiederaufbau des Gotteshauses im Grindelviertel ab. Dass dort eine Synagoge entstehen soll, diese Idee unterstützt er aber:
"Dass sie nicht mehr so groß sein kann wie vor der Shoa, das liegt einfach an der Tatsache, dass in Hamburg lange nicht mehr so viele Juden leben wie vor der Shoa. Dass es außer einer Synagoge, also einem Betraum im engeren Sinne, auch noch andere Räume geben sollte, im Sinne eines neuen Gemeindezentrums, das erscheint mir sehr sinnvoll. Und es ist auch genau der richtige Ort dafür."
Lichttafel der zerstörten Synagoge am Joseph-Carlebach-Platz.
Jüdische Orte in Hamburg - In einer ruinösen Situation Die jüdische Synagoge im Hamburger Grindelviertel wurde zur Nazizeit zerstört. Der Anschlag von Halle hat nun die Diskussion um einen Wiederaufbau befeuert. Doch manche Experten warnen vor der Idee der Rückkehr in eine vermeintlich heile Welt.
Kritisiert wird jetzt vor allem, dass die jüdische Gemeinde sich einer breiten öffentlichen Debatte über das Für und Wider von Neubau oder originalgetreuem Wiederaufbau bislang verschließt. So sei auch die kleine "Liberale jüdische Gemeinde" bislang nicht in die Diskussionen eingebunden worden. Und auch der Slogan der Wiederaufbau-Kampagne stößt vielen Jüdinnen und Juden in Hamburg auf: "Nein zu Antisemitismus - Ja zur Bornplatzsynagoge" – was alle, die gegen den Wiederaufbau sind, zu Antisemiten stempeln würde. Für den Hamburger Landesrabbiner Shlomo Bistrizky ist aber klar: die Synagoge wurde der Jüdischen Gemeinde genommen. Und sie allein dürfe darüber entscheiden, was aus dem Joseph-Carlebach-Platz wird.