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Debatte um Windkraftanlagen in Brandenburg

Auch in Brandenburg erlebt die Windkraftnutzung einen Boom - mit derzeit 617 Windanlagen zählt das Bundesland, deutschlandweit gesehen, zur Spitzengruppe. Weil es dabei auch zahlreiche Interessenkonflikte, unter anderem mit dem Naturschutz und der Tourismusbranche gibt, überarbeitet das Umweltministerium in Potsdam derzeit die bislang gültigen Windenergie-Regelungen, berät mit Experten der Universitäten, Gutachtern und Artenschützern der Umweltverbände über die sinnvollsten Standortkriterien.

von Klaus Hart |
    Auch in Brandenburg freut sich die deutsche Windkraftbranche über stetigen Aufschwung, kräftige Zuwächse - vor allem im Norden bläst der Wind recht kräftig über die flache Landschaft, gibt es besonders viele geeignete Anlagenstandorte. Gleichzeitig wird über Windkraft derzeit recht heftig gestritten, lässt sich die Landesregierung deshalb von möglichst vielen Experten beraten. Dazu zählt Professor Doktor Beate Jessel, mit Lehrstuhl für Landschaftsplanung an der Universität Potsdam.

    Das Problem ist ja, wenn wir über das Thema Windkraft diskutieren, haben wir es mit einem sehr spannungsgeladenen Thema zu tun, weil die Emotionen sehr stark im Sinne eines Pro und Kontras hochschlagen.(206) Es ist unzweifelhaft so, dass Windkraftanlagen am Zunehmen begriffen sind, dadurch auch sehr starken Unruheeffekt in die Landschaft hineinbringen - und ich würde mal sagen, es gibt Punkte, wo mich das stört, sogar sehr stört, und den ganzen Landschaftsgenus verderben kann - und es gibt Punkte, da ist es auch vertretbar. (224)Also diesen Wildwuchs, den gibt es zweifelsohne - da kursiert ja auch dieses schöne Wort Verspargelung der Landschaft.

    Andreas Piela, Experte im Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Raumordnung, überarbeitet deshalb jetzt mit seinen Kollegen den Windenergieerlass Brandenburgs. Er enthält neue, gründlich veränderte Positionen der Landesregierung zu den Ausschlusskriterien für Windkraftanlagen.

    Sie werden heute in einer Gesamthöhe bis zu 150 Metern Höhe errichtet und prägen damit ganze Landschaften neu, es werden Landschaften durch diese technischen Bauwerke überformt. Von daher ist es umso wichtiger, auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz sie nicht mehr überall an jedem beliebigen Standort des Landes zuzulassen. (137)Wir wollen einfach im Interesse auch anderer Nutzung, auch der Erholungsnutzung, der Möglichkeit, Menschen noch Räume präsentieren zu können, in denen sie ihr Auge uneingeschränkt von technischen Neuerungen schweifen lassen können, wo sie Landschaft erleben können - ermöglichen, dass nun nicht von jedem Punkt des Landes am Horizont jeweils eine Windkraftanlage zu sehen ist.

    - was die Umweltorganisationen Brandenburgs ebenfalls wollen. NABU-Geschäftsführer Wolfgang Mädlow, Biologe und Artenexperte, heißt die neue Position der Landesregierung grundsätzlich gut, nennt besonders die Konflikte in der auch von zahlreichen Berlinern gerne besuchten Uckermark, mit inzwischen auffällig vielen Windanlagen.

    Wir sehen zunehmend die Beeinträchtigung, gerade für das Landschaftsbild, für die Vogelwelt, auch für andere Schutzgüter in der Kulturlandschaft - und wir stellen schon fest, dass auch in unserer Mitgliedschaft es immer mehr Kritiker inzwischen gibt.(180) Die Uckermark ist ein sehr sensibles Gebiet, es gibt dort besondere Konzentrationen an Kranichen, anderen Großvögeln, Rastbeständen - wir haben uns in einigen Fällen auch ganz klar gegen Windkraftanlagen an solchen sensiblen Stellen ausgesprochen, oder in Bereichen, wo Adler brüten - das werden wir auch weiterhin tun.

    Entsprechend umstritten ist in der Region Umweltdezernent Dr. Günter Heise, der auch von Bürgerinitiativen beschuldigt wird, weit mehr Windanlagen als vertretbar zugelassen zu haben. Heise weist zuallererst auf Gesetze und Vorschriften, an die er gebunden sei.

    Ich sehe es so, dass wir nicht die vielen Windkraftanlagen in der Uckermark haben, weil dort irgendein Druck gemacht wird, die Kriterien, die rechtlich vorgeschrieben sind, die treffen bei uns eben auf einer großen Fläche zu - weil wir eine sehr dünne Besiedlung haben, weil kaum Nutzungskonkurrenzansprüche da sind, also Landnutzungskonkurrenzansprüche...

    wenngleich man weiter östlich, in der Priegnitz, das anders beurteilt. Anselm Ewert, Artenexperte und Gutachter in der dortigen Naturschutzbehörde, orientiert sich bei der Abwägung strikt am Bundesnaturschutzgesetz.

    Da halten wir es eben für erforderlich, dass wir dem Artenschutz Vorrang geben, weil die vorhandenen Lebens- oder Teillebensräume von diesen Arten nur noch Rückzugsgebiete oder eher Restareale einstiger Lebensräume sind. Und dann sagen wir eben ganz einfach, aus Sicht des Artenschutzes geht es nicht. Denn an einem Beispiel in Heiligengrabe können wir nicht zustimmen, weil wir dort die Bedeutung des Bereiches für ziehende Kraniche kennen, und wir wissen auch, dass Windkraftanlagen für Kraniche ein Problem darstellen. Es gibt einen Standort, den haben wir abgelehnt, weil in unmittelbarer Nähe der Seeadler brütet. Und der Lebensraum einer Art beschränkt sich ja nicht nur auf seinen Brutplatz.