Hintergrund
Debatte ums Bürgergeld für Ukrainer: Das sagen Experten

Bayerns Ministerpräsident Söder will das Bürgergeld für alle Ukrainer stoppen. Experten halten das für falsch und erklären, warum Arbeit und Integration zusammengehören - und was Studien über Anreize und Motivation belegen.

    Man sieht den oberen Teil des Anttragsformulars, auf dem ein roter Kugelschreiber liegt.
    Antragsformular für das Bürgergeld. (picture alliance / Zoonar / stockfotos-mg)
    Geflüchtete aus der Ukraine sollten aus Sicht von Arbeitsmarktforschern weiterhin Bürgergeld bekommen. Nur dann seien sie in die Förder- und Forderstruktur der Jobcenter eingebunden, und das helfe bei der Integration in den Arbeitsmarkt, sagte Herbert Brücker, Leiter des Forschungsbereichs Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung dem Bayerischen Rundfunk.

    "Schnellschuss, der nicht zum Ziel führt"

    Söder (CSU) hatte gefordert, dass alle Ukraine-Flüchtlinge statt des Bürgergeldes Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten sollten. Dies ist aber im Koalitionsvertrag nur für solche Geflüchteten vorgesehen, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind. Den Vorschlag des Bayerischen Ministerpräsidenten bezeichnete Brücker als einen Schnellschuss, der nicht zum Ziel führen werde: "Wenn die Menschen in die Jobcenter integriert sind, dann müssen sie sich zu Sprachkursen melden, daran teilnehmen, an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, sich der Arbeitsvermittlung stellen, Bewerbungen schreiben", so Brücker. "Und wenn sie das nicht tun, kann es auch sanktioniert werden." Wenn sie hingegen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterstützt würden, seien sie bei den Kommunen angesiedelt und müssten von sich aus zu den Arbeitsagenturen finden. "Nach unserer Forschung passiert das sehr selten", so Brücker.
    Da viele der geflüchteten Ukrainer Frauen seien, müsse auch das Thema Betreuung berücksichtigt werden, um sie leichter in Arbeit zu bringen, so Brücker weiter. Zudem warnte er vor einer Neiddebatte, wenn die Diskussion um das Bürgergeld auf dem Rücken der Ukrainer ausgetragen werde. Die Forschung habe gezeigt, dass in Deutschland eine große Mehrheit von ihnen sehr motiviert sei, zu arbeiten.

    Ifo-Institut: Arbeit ist Flüchtlingen wichtiger als Sozialleistungen

    Laut einer Studie des Münchner Ifo-Institut entscheiden sich Geflüchtete aus der Ukraine vor allem für Länder mit guten Jobchancen. Weniger relevant seien hingegen höhere Sozialleistungen, erklärte das Institut zu seiner Untersuchung. Es habe daher wenig Wirkung, die Flucht in bestimmte Länder durch geringere Sozialleistungen unattraktiver zu machen. Das habe eine Studie mit 3.300 Befragten und einem hypothetischen Szenario zur Länderwahl gezeigt. "Die Aussicht auf einen Arbeitsplatz, der zur eigenen Qualifikation passt, und ein höheres Lohnniveau haben einen deutlich stärkeren Effekt auf die Entscheidung der Geflüchteten, in welches Land sie gehen, als Sozialhilfen oder andere staatliche Leistungen", so das Ifo-Institut. Lohnunterschiede wirkten viermal stärker als solche bei Sozialleistungen.
    Staatliche Hilfe zu kürzen, könne sich langfristig aber negativ auf die Integration auswirken.

    Über 700.000 Anspruchsberechtigte

    Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland unter Berufung auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit berichtete, hatten zum März rund 700.000 Menschen ukrainischer Staatsbürgerschaft in Deutschland Anspruch auf Bürgergeld. Darunter seien 502.000 Erwerbsfähige Ukrainer von 15 Jahren bis zum Renteneintrittsalter, hieß es. Arbeitslos gemeldet sind demnach aktuell 217.000 Ukrainer, etwa 24.000 besuchten einen vom Jobcenter geförderten Berufssprachkurs.
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    Diese Nachricht wurde am 05.08.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.