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Debatte zum EU-Urheberrecht
Faktenverdrehungen und zweifelhafte Kommunikation

Die Verabschiedung der neuen EU-Urheberrechtsrichtline gehört nicht zu den Glanzstücken der europäischen Gesetzgebung und Debattenkultur, kommentiert Stefan Römermann. Sie zeige, dass zweifelhafte Kommunikationsstrategien auch in der politischen Mitte in Europa zunehmend Fuß fassen.

Von Stefan Römermann | 27.03.2019
Teilnehmerin einer Demonstration gegen EU-Copyright-Reform steht vor der CDU-Parteizentrale und hält ein Schild mit der Aufschrift "Error 404 Demokratie not found" in den Händen.
Um die EU-Urheberrechtsreform wurde erbittert gestritten (picture alliance /dpa / ZB / Monika Skolimowska)
Nein, die Verabschiedung der neuen EU-Urheberrechtsrichtline gehört sicherlich nicht zu den Glanzstücken der europäischen Gesetzgebung und Debattenkultur. Nicht, weil hier jetzt vielleicht die falsche Seite gesiegt hätte. Das gehört zur Demokratie nun einmal dazu, auch wenn ich mir selbst eine andere Abstimmung und deutliche Nachbesserungen am Entwurf gewünscht hätte.
Immerhin: Das freie Internet wird nicht mit dem Inkrafttreten der Richtline verschwinden. Es wird damit auch keine Zensur in Europa eingeführt. Und auch die lustigen Meme-Bildchen und andere Elemente der Netzkultur werden die Reform wohl überleben.
Doch klar ist auch: Die Risiken und Nebenwirkungen der neuen EU-Regeln werden sich erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zeigen. Und ein Teil der negativen Auswirkungen werden wir vermutlich gar nicht mitbekommen – weil manche Gedanken wegen der verschärften Urheberrechte gar nicht erst gedacht werden und bestimmte neue Geschäftsideen deshalb gar nicht erst entstehen. Kreative Kollateralschäden nennt man so etwas dann wohl heute.
Populistische Kommunikationsstrategien
Wirklich bedenklich ist aber, wie die Debatte um die Reform in den vergangenen Monaten geführt wurde.
Den Vogel abgeschossen hat dabei sicherlich der CDU-Politiker Daniel Caspary. Mit Blick auf die Massendemonstrationen gegen die Richtline sprach vom Versuch, Demonstranten zu kaufen – und räumt erst auf mehrfache Nachfrage ein, dass da offenbar doch einfach nur 20 Menschen Fahrtkosten erstattet wurden. Den Einsatz solcher Faktenverdrehungen für das eigene politische Anliegen kennt man bisher eigentlich eher von Populisten am rechten Rand.
Doch offenbar verschwimmen die Grenzen immer mehr und zweifelhafte Kommunikationsstrategien fassen auch in der politischen Mitte in Europa zunehmend Fuß. Schließlich wurden die Proteste gegen die Richtline von Anfang an als quasi fremdgesteuerte Kampagne der großen US-Internet-Konzerne dargestellt. Getragen nicht etwa von besorgten Internet-Nutzern und Aktivisten – sondern von kriminellen Botnetzwerken - im Auftrag und bezahlt von den großen amerikanischen Internetfirmen.
Fehlende Neutralität und Ausgewogenheit
Auch in den Feuilletons und Medienseiten großer Zeitungen wurde in den vergangenen Wochen massiv für die Reform getrommelt. Die Autoren und Redakteure haben dabei manchmal offenbar jeden Gedanken an Neutralität und Ausgewogenheit über Bord geworfen. Und zwar vermutlich nicht, weil sie die umstrittenen Uploadfilter wirklich allesamt prima finden. Dahinter stecken dürften wohl zu einem guten Teil die Interessen ihrer Arbeitgeber. Denn mit der Richtline wird auch ein europaweites Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt – für das viele Verlagshäuser und die Verlegerverbände massiv gekämpft haben.
Aber auch die Kritiker der Urheberrechtsreform haben sich nicht wirklich mit Ruhm bekleckert und immer nur anständig, brav und wahrhaftig argumentiert. Es mag Teil der Netzkultur sein, sich mit vermeintlich witzigen Bildern oder Tweets über politische Gegner lustig zu machen. Trotzdem sollte das persönliche Verletzen und Beleidigen ein Tabu sein. Morddrohungen oder Hassmails – die es ebenfalls gab - sowieso.
Unserer Debattenkultur und unserer Demokratie würde vermutlich schon ein alter Gedanke weiterhelfen: Einfach davon auszugehen, dass die andere Seite auch recht haben könnte.