Donnerstag, 25. April 2024

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Debüt der britischen Band Sorry
Groß klingender LoFi-Sound

Experimentell, seltsam und verschroben: Das britische Duo Sorry hat mit „925“ ein bemerkenswertes Debüt veröffentlicht. Die Schulfreunde Asha Lorenz und Louis O’Bryen, gerade mal Anfang 20, verbinden LoFi-Attitüde mit Studiotüfteleien.

Von Thomas Elbern | 05.04.2020
    Ein Mann im dunklen Pulii und eine Frau mit Pelzmütze und Jacket stehen vor einem vorbeifahrendem Zug.
    Band Sorry: Der Albumtitel „925“ bezieht sich auf den Reinheitsgrad von Silber (Sam Hiscox)
    Man hat das Gefühl, dass die beiden Macher von Sorry sich dank Streaming durch einen riesigen Katalog an Musik durchgearbeitet haben, um ihren sehr eklektischen, aber eigenen Sound daraus zu entwickeln: Nina Simone, The B 52’s, Tears For Fears, Chet Baker und Nirvana. Das geht nicht zusammen? Scheinbar doch, wenn man Sorry ist und aus London stammt. Gitarrist Louis O’Bryen:
    "Wir haben die letzten Jahre als "das große Ding" verbracht. Wenn Du das über zwei Jahre bist, dann kann das auch etwas entmutigend sein. Aber in England gibt es eine Menge guter Musikblogs und Publikationen, die genauso DIY wie wir sind und uns über Jahre schon folgen und positiv über uns berichten."
    Es rumpelt, es knarzt: das Debütalbum des britischen Duos Sorry. In Zeiten digital glattgebügelter Gleichmacherei klingt "925" überraschend unperfekt. Die Gitarren klingen, als wären sie mit einem alten Kassettenrecorder aufgenommen, das Schlagzeug gewollt schludrig, hält so gerade den Takt.
    LoFi als Kunstgriff
    Die Stimme von Sängerin Asha Lorenz tut das Übrige: Sie klingt eher gelangweilt und lakonisch. Alles schon gesehen und gehört. Und genau das ist der Kunstgriff von Sorry, wie Louis O’Bryen weiß:
    "Das Klangbild von Sorry ist ein Stilmittel. Wir lieben diesen rauen Sound und die Persönlichkeit der Musik kommt viel besser rüber, wenn sie nicht perfekt ist. Der Albumtitel "925" bezieht sich auf Silber, das den höchsten Reinheitsgrad hat. Das ist perfekt und gleichzeitig auch unperfekt. Wir dachten, dass das eine coole Idee für einen Albumtitel ist. Und dieses Thema zieht sich durch das ganze Album."
    Man denkt bei "925" unweigerlich an die abgehangenen Klanglandschaften der Eels oder des amerikanischen Allrounders Alex G, dessen Do it yourself-Attitüde ein großer Einfluss für das Duo ist. Zu Hause komponieren, an Sounds feilen und aus dem Fehlen eines professionellen Aufnahmestudios eine Tugend machen - das ist auch genau der Ansatz des Duos. Sorry leben und arbeiten in England, fühlen sich musikalisch aber mehr mit den USA verbunden. Schon ihr erstes Mixtape "Home demons", das die Band 2017 als 30-MinutenKurzfilm auf YouTube stellte, bringt die Idee von Sorry gut auf den Punkt. Die Videos wirken, als wären sie lässig aus der VHS-Ära gesampelt, und die verschiedenen Songs dazu fangen irgendwo an und hören irgendwo auf.
    "Wir hatten immer eine enge Beziehung zu LoFi-Musik. Songs, die nach der Zeit klingen, in der sie entstanden sind oder denen du das verwendete, billige Equipment anhörst. Das hat etwas sehr Persönliches und daher stammt auch unsere Liebe zu DIY. Die Idee, ein Mixtape zu machen stammt noch aus der Zeit, als Kassetten angesagt waren. Du hast einem Freund oder einer Freundin ein Mixtape gemacht und achtest dabei sehr auf die Auswahl der Songs, die alle eine Bedeutung haben. Das war die Inspiration für unser Videomixtape, weil wir alle diese verschiedenen Songs hatten, und Asha machte dazu die Animationen."
    Produzent James Dring als Katalysator
    Und ganz auf ein Studio und professionelle Hilfe haben Sorry dann doch nicht verzichtet: Der britische Produzent James Dring, der auch schon mit den Gorillaz, Lana Del Rey oder Blur gearbeitet hat, hat beim Album "925" am Mischpult gesessen. Er hat es geschafft, dem Sound von Sorry die LoFi-Note zu lassen, ihn aber auch größer klingen zu lassen: Die Refrains gehen im Klangbild richtig auf, und obwohl die Produktion bewusst voller krachiger Gitarren, Feedback und polternden Drums ist, lassen die Songs trotzdem keine Dynamik vermissen.
    "Die Arbeit mit James Dring hat sich als sehr fruchtbar herausgestellt, denn er ist ein sehr netter Kerl und hatte Lust von Anfang an, an den Demos zu arbeiten und war nicht pedantisch und ließ uns viel Freiraum. Wir wussten von Anfang an, wo wir soundmäßig hinwollten und er half uns sehr, das zu erreichen."
    Wie übersetzt Sorry gebauten Sound in ein Livekonzert, was essenziell wichtig für das Überleben einer jeden Band ist? Das Duo hat sich mit befreundeten Musikern aus ihrem Londoner Umfeld zusammengetan und spielt live zu fünft als komplette Band. Neben Supportshows hat Sorry unter anderem im Januar auf dem holländischen Eurosonic-Festival gespielt. Live stehen Sorry noch am Anfang, und das Selbstbewusstsein, das sie in ihren Videos präsentieren, wird hier auf eine Probe gestellt:
    "Live zu spielen, ist für uns sehr wichtig! Natürlich für unsere Fans, die zu unseren Konzerten kommen, aber auch für uns. Damit wir vom Studio auf die Bühne kommen, um zu sehen, ob unsere Songs überhaupt live funktionieren. Als Künstler ist man immer voller Selbstzweifel und der löst sich auf, wenn man sieht, das die Zuschauer eine gute Reaktion zeigen."
    Corona-Krise als Chance?
    Und wie unzählige andere Bands zurzeit hat die Corona-Krise auch Sorry erwischt. Denn, was nutzt es, wenn man gerade angesagt ist, aber trotzdem nicht spielen kann:
    "Klar, die Corona Pandemie ist für uns ein Thema: Wir mussten all unsere Sommertermine absagen und die Festivals, auf denen wir schon gebucht waren, werden wohl nicht stattfinden. Es ist wirklich schlimm, denn wir hatten schon vorbereitet, dieses Album auf die Bühne zu bringen. Darauf hatten wir lange gewartet. Auf der anderen Seite hat es etwas sehr Schönes, gerade jetzt ein Album herauszubringen. Viele Menschen sind gerade ziemlich verzweifelt, und die Idee, dass sie sich für 45 Minuten, also eine Albumlänge davon entspannen können, finde ich ziemlich gut. Außerdem sind einige Ideen auf dem Album sehr von einer Art Apokalypse und Surrealismus geprägt. Es funktioniert für uns also gerade in einer solchen Zeit, ein Album wie "925" herauszubringen."
    "925" ist ein aufregendes Debüt, das LoFi mit aufwändigem Studiosound verbindet. Es gibt auf "925" abwechslungsreiche Arrangements, die wie zufällig wirken. Darüber thronen die lakonischen Stimmen von Asha Lorenz und Louis O’Bryen. Das Duo hat mit Produzent James Dring den perfekten Partner gefunden, um seine Ideen umzusetzen. Egal, ob sie die 80er-Jahre Synthiepopper Tears For Fears im Song "Right round the clock" sampeln oder klingen, als wären sie die besseren Pixies: der DIY- Charme setzt sich in jedem Song durch.
    In der Generation "Streaming" spielen einzelne Genres immer weniger eine Rolle. Kann man deswegen bei Sorry von "Post Genre" sprechen?
    "Unsere Musik als Post Genre zu bezeichnen, fände ich eher übertrieben. Sie ist eher Genre erweiternd. Unsere Einflüsse kommen aus verschiedenen Ecken, also wollen wir das auf dem Album auch abbilden und ganz unterschiedliche Songs schreiben und produzieren. Was uns sehr wichtig dabei ist, ist das wir stilistisch die verschiedenen Stile so genau wie möglich rekonstruieren und abbilden."