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Debüt von Tropic
Sonderlinge mit alten Soundtracks

Die Band Tropic macht nicht zufällig eine sehr cineastische Musik: Peter Folk und Johannes Lehniger mochten schon in ihrer Schulzeit Ennio Morricone und Udo Jürgens. Mit ihrem neuen Album "I am the rain if you are the meadow" verneigen sie sich vor den Musikstilen der letzten 30 Jahre.

Von Christiane Rebmann | 16.04.2016
    Früher schrieben der 42jährige Singer Songwriter Peter Folk und der 36jährige Filmmusiker Johannes Lehniger zusammen Soundtracks für Film und Fernsehen. Jetzt haben sie gemeinsam das Popalbum "I am the Rain if you are the meadow" aufgenommen.
    Johannes Lehniger war schon als Teenager ein Sonderling, weil er Burt Bacharach und Ennio Morricone liebte.
    Und auch Peter Schütz alias Peter Folk fiel als Schüler durch einen extravaganten Musikgeschmack auf.
    Vorliebe für ältere Musik
    "Ich hatte als Kind Seven Inches von Udo Jürgens und Elton John, und diesen groß produzierten Schmalz. Später kamen dann noch Abba und Elvis dazu."
    Lehniger ergänzt: "Wir haben beide eine Vorliebe für ältere Musik aus den 60er, 70er Jahren, wo auch so eine gewisse Art der Arrangierkunst noch mehr gang und gäbe war. Große Orchester hatten wir jetzt nicht zur Verfügung, aber wir hatten immerhin Kammermusikstärke, mit sechs Streichern und Holzbläsern."
    So entwickelten die Berliner Musiker mit viel Spielfreude ihren ganz eigenen Stil zwischen Singer-Songwriter-Pop und epischem Filmsound. Und endlich konnten sie auch mit verschiedenen Gesangsstilen herumexperimentieren. Folk:
    "Wir haben viel an den Gesangsmelodien gearbeitet und auch an den chorischen Sachen, die im Hintergrund laufen. Wir stehen auf die Crooner, Scott Walker, Bobbie Darin, dieses "Rumcroonern" mit viel Hall."
    Filmmusik spielt eine große Rolle
    Der Titelsong sei von der der französischen Filmmusik der 60er Jahre beeinflusst, erklärt Johannes Lehniger. Vor dem inneren Auge seines Kollegen lief dagegen während der Kompositionsarbeit auch ein Klassiker aus der deutschen Filmgeschichte ab.
    "Ich musste da an "Martha" denken, den Film von Rainer Werner Fassbinder. Eine eigenartige Geschichte von Versklavung in einer Beziehung", erklärt Folk.
    An den meisten Texten hat Peter Folk jahrelang gearbeitet, bis sie sich richtig anfühlten.
    "Das ist oft wie ein Brett vor dem Kopf. Dann gibt es diese kleine offene Tür, und dann kommt so ein Text raus. Wie ein Tierfilmer komme ich mir manchmal vor, dass man so ewig wartet, und dann kommt so ein seltener Vogel vorbei."
    Die Songs klingen wie in sich abgeschlossene Kurzfilme - dennoch sind die Stücke auch miteinander verbunden. Und so wurde aus dem Debütwerk eine Art Konzeptalbum.
    "Es beginnt in der Nacht, und es ist wie eine albtraumhafte Nacht und endet dann an einem Morgen. Die Sonne scheint, und man fährt in einen neuen Tag, von dem man nicht weiß, was er bringt."
    "Es geht sehr viel um Dämonen und Ängste"
    In vielen seiner Texte schildert Peter Folk nächtliche Szenen und arbeitet mit dunklen Bildern.
    "Auf dieser Platte geht es sehr viel um Dämonen und Ängste, um gestörte Beziehungen. Vielleicht war das doch irgendwie eine düstere Phase in meinem Leben, die ich gar nicht als so düster empfunden habe. Ohne dass es biographisch ist, das würde ich überhaupt nicht sagen."
    Die Spannung entsteht dadurch, dass die Arrangements die dunkle Stimmung in den Texten wieder aufheben, oder ihr zumindest etwas entgegensetzen. Lehninger:
    "Das ist die Aufgabe, wenn man arrangiert, halt nicht in die gleiche Kerbe zu hauen wie der Text, sondern tatsächlich manchmal bewusst kontrapunktisch zu arbeiten, indem man einen helleren Ton oder eine hellere Klangfarbe dagegensetzt."
    Johannes Lehniger empfand es als Befreiung, sich nicht innerhalb der engen Grenzen bewegen zu müssen, die ihm bei der Arbeit für Werbe- und Imagefilme oder bei der Komposition von Tatort-Musiken gesteckt werden.
    "Es ist oft so, dass gewünscht wird, dass viele Emotionen noch mal untermalt werden mit Musik, wo man sagen kann: Das spielt ja der Schauspieler schon, dass er Angst hat. Aber dann wird noch mal eine Angst von der Musik drübergelegt. Das ist nicht mal die Entscheidung des Filmkomponisten, sondern da sind natürlich sehr viele Entscheidungsträger dabei, und diese Subtilität ist nicht immer gegeben. Ironie Fähigkeit ist da auch nicht die Tagesordnung. Das ist ja, was wir auch manchmal probieren, eine leichte Musik gegen einen schweren Text oder umgekehrt, zu setzen. Dieses kontrapunktische Denken ist nicht populär."
    Unterhaltsame Zeitreise durch die Musikgeschichte
    Nur selten kippen die Songs auf Tropics Debütalbum ein wenig ins Banale. Insgesamt nehmen uns die beiden auf eine unterhaltsame Zeitreise durch die Musikgeschichte. Im Lied "The Trip" etwa ist all das enthalten, was die Musik von Tropic so interessant macht: Dezenter Croonergesang, eine kokette Verneigung vor den Musikstilen der letzten 30 Jahre, vom Beat bis zum Britpop, und dazu eine skurrile Geschichte über eine nächtliche Bahnfahrt, in der die Bäume vor dem Zugfenster zu den Passagieren sprechen. Peter Folk hat sich hier von der Literatur inspirieren lassen.
    "Hier musste ich immer an den Anfang von "Der Idiot" denken, von Dostojewski, wo es auch sehr lange Zugabteils-Gespräche und Beschreibungen gibt."