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Debütalbum der Champs
Musikalische Referenz an eine uncoole Heimat

Champs nennt sich ein Popduo von der südenglischen Isle Of Wight. Sie haben ihrer Heimat mit ihrer Mischung aus sphärischen Klängen, Folk und Pop eine authentische musikalische Referenz erwiesen.

Von Dirk Schneider | 21.02.2014
    Das "Isle Of Wight"-Festival 1970: Es wird gerne als europäisches Woodstock bezeichnet, dabei war es noch deutlich größer als sein amerikanisches Vorbild. 600.000 Hippies haben die verschlafene Insel an der englischen Südküste damals ins Chaos gestürzt. Und einige von ihnen sind dort hängen geblieben. Auch ein Mann namens Alan Ramsdale-Copper, der seit 40 Jahren der örtlichen Jugend Gitarrenunterricht gibt. Auch die Brüder Michael und David Champion haben bei ihm das Gitarrenspiel gelernt.
    "Er ist so eine Art lokale Legende. Wir haben ihn lange für Donovan gehalten, den Folksänger, er sieht ein bisschen so aus."
    "Und er spielt seine Songs perfekt. Er spielt jeden Samstag im lokalen Pub, ohne Gage, für Freibier. Und er hat vielen Leuten dort das Gitarrespielen beigebracht. Er spielt ein ganz altmodisches Claw Picking, und das ist schon was Besonderes. Die meisten Kids lernen ja heute eher die Rockgitarre, unsere Ausbildung war da eher folkorientiert."
    Auf dem Debütalbum der Champion-Brüder, die sich als Band kurz Champs nennen, ist der Einfluss ihres Lehrers noch zu hören: Doch es gibt noch einen zweiten Mann, ohne den "Down Like Gold", so der Titel des ersten Albums von Champs, nie erschienen wäre: Es ist der Urgroßvater der beiden.
    "Er war Violinist und hatte ein Engagement im Orchester der Titanic. Er hat sich in der Nacht vor der Abfahrt in Southampton mit einem Freund fürchterlich betrunken und darum das Schiff verpasst."
    "Ja, wäre er kein Alkoholiker gewesen, würden wir jetzt nicht hier sitzen. Er wäre mit der Titanic untergegangen."
    Eine schöne Geschichte. Fast ein bisschen zu schön, doch man möchte sie den Brüdern glauben. Das hat auch damit zu tun, dass ihre Musik so ehrlich klingt. Unaufgeregt. Mit weitem Horizont. Vielleicht wie die Isle Of Wight im späten Winter?
    "Es ist schon so, dass man die Jahreszeiten auf der Insel viel stärker wahrnimmt als etwa in der Stadt. Und das Licht - und dann ist es im Winter total einsam auf der Insel, kein Mensch auf der Straße. Das hat natürlich Einfluss auf das Songwriting. Viele Stücke auf dem Album klingen sehr kahl. Und das kommt sicher von der Einsamkeit."
    Dann gibt es mit "Savannah" und "My Spirit Is Broken" aber auch noch zwei Popsongs mit Hitpotenzial, in denen eine wärmende Sonne aus den Wolken über der Insel hervorbricht.
    Der Hall, mit dem Michaels Gesang oft unterlegt ist, stammt übrigens vom Blechdach eines alten Wasserturms, in dem das Aufnahmestudio untergebracht ist. Der wiederum gehört zum Osborne House, einem kleinen Schloss, das Queen Victoria sich auf der Isle Of Wight hatte bauen lassen. Und nun behaupten die Champion-Brüder auch noch, dass es dort spukt:
    "In "Down Like Gold", ich glaube in der zweiten Strophe, gibt es so eine Art Rückwärtsecho, das reinkommt und wieder geht. Und wir haben keine Ahnung, wo das her kommt. Keiner von uns hat das gemacht. Und der Produzent ist auch schon mal mitten in der Nacht aus dem Haus gerannt, weil er Angst hatte."
    Tatsächlich, es ist unverkennbar, bei 1:15 Minuten hat sich im Titelstück des Albums ein viktorianischer Geist zu Wort gemeldet. Hier noch einmal.
    Sicher helfen all diese Geschichten, dem Debüt der zwei Champs etwas Aufmerksamkeit zu verschaffen. Denn zugegeben: Ganz neu ist ihre Musik nicht. Schwelgereien in Folk und Pop, eine zeitgemäße Mischung aus den Harmoniegesängen der "Fleet Foxes" und dem unscharfen, sphärischen Sound diverser Dream-Pop-Gruppen. Doch man hört auch, dass diese Musik nicht von zwei angestrengten, Vollbart tragenden Hipstern aus der Londoner Mittelschicht stammt. Michael und David Champion trauen sich, ihrer uncoolen Heimat eine musikalische Referenz zu erweisen. Und präsentieren zehn Songs, die nicht aus dem Berufswunsch Popmusiker entstanden sind, sondern aus echter Inspiration. Es wird gewiss noch mehr zu hören sein von diesem Duo namens Champs.
    "Das zweite Album haben wir schon in der Tasche. 35 Songs haben wir dafür geschrieben. Wir wollen so bald wie möglich ins Studio gehen und versuchen, ein noch besseres Album aufzunehmen."