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Deep Learning und Big Data
Renaissance der neuronalen Netzwerke

Die International Joint Conference on Neural Networks, abgekürzt IJCNN, gehört zu den größten Konferenzen über neuronale Netzwerke, Big Data und Maschinenlernen. Sie fand zum ersten Mal vor 26 Jahren statt. Das war allerdings kein Vergleich zu den spektakulären Erkenntnissen in diesem Jahr.

Von Maximilian Schönherr | 25.07.2015
    Killarney, Irland, Internationales Kongresszentrum. Das ist die Postersession II, eröffnet am zweiten Kongresstag der IJCNN abends um halb 8. Es sind etwa 100 junge Wissenschaftler, viele Doktoranden, für die Informatikszene relativ viele Frauen. Sie stellen mit ihren A0-Postern Vorschläge für Forschungsvorhaben aus. Wie gestern schon auf der ersten Postersession sind zwei Themen Dauerbrenner: Spracherkennung und Gesichtserkennung.
    Überall, wo große Datenmengen und Unschärfen im Spiel sind, sind heute neuronale, selbst lernende Netzwerke das Mittel der Wahl. Sie brauchen keine Supercomputer. Mit Hirnsynapsen, wie man früher dachte, hat das nichts mehr zu tun. Den schwedischen, jetzt in Oxford arbeitenden Zukunftsforscher Anders Sandberg interessiert an neuronalen Netzwerken, dass man nicht genau wissen muss, wie man ein Problem löst.
    "Man füttert die Daten ins neuronale Netz und hofft, dass es das Problem selber löst.
    "Und man weiß dabei nicht, wie es das genau macht?"
    "Ganz genau. Man hat eine Black Box, die genau das tut, was du verlangst. Du weißt aber nicht, wie. Und du weißt nicht, ob es in einem speziellen Fall, an den du nie gedacht hast, falsch reagiert."
    "Weil man es nicht genau testen kann?"
    Man kann es für viele Fälle testen, aber das reicht eben nicht, sagt Anders Sandberg. Man denke nur ans autonome Fahren bei für die Sensoren nie da gewesenen Witterungsverhältnissen. Deswegen setzt die Automobilindustrie bei sicherheitsrelevanten Systemen auch keine neuronalen Netze ein, sondern viel weniger flexible klassische Software, wo man bei jedem Fehler genau weiß, an welcher Stelle im Code er passiert ist.
    Es wimmelt auf der Neuronalen Netzwerk-Konferenz in Irland von Methoden und Anwendungen. Eine ist die Erkennung von Malware-Nachrichten, also Emails mit Schadsoftware. Ein ehemaliger Schachprogrammierer aus Israel stellt ein sogenanntes "mehrschichtiges Deep Belief Network" vor, das die bösen Mails mit einer Trefferquote von 98,8 Prozent erkennen soll.
    Die Konferenzveranstalter der IJCNN kommen fast alle aus dem asiatischen Raum, vor allem aus China, und haben vorwiegend Europäer und Amerikaner wie eben Anders Sandberg als Keynote-Redner eingeladen. Der irische Informatiker Barak Pearlmutter erörtert in seiner Ansprache, wie müßig es sei, das Gehirn mit neuronalen Netzen zu vergleichen. Energetisch arbeite das Gehirn fast immer nah am kritischen Punkt des Zusammenbruchs und verwende beträchtliche Teile seiner Ressourcen, um nicht durchzudrehen; dafür gibt es in der Informatik kein Pendant. Und auch keines für den Schlaf, sagt – voller Respekt – Pearlmutter.
    Sandberg spricht von Robotern, die Schmerz empfinden und leiden können – und von der Ethik von Big Data. Als Beispiel nennt er Google. Google hat ja dieses neue Verfahren entwickelt, zu erkennen, was auf einem Foto zu sehen ist.
    "Es basiert sicherlich auf einem Deep Learning Netzwerk, trainiert mit unzähligen von Bildbeispielen. Und dann passierte das: Ein junges Pärchen dunkler Hautfarbe lud ein Selfie hoch, und das neuronale Netz kam zu dem Schluss: zwei Gorillas. Die beiden regten sich ziemlich darüber auf, und Google war entsetzt: Man hatte natürlich nicht Sinn, dass der Algorithmus rassistisch ist."