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Deep Purple melden sich zurück

"Now what?!" ist ein gediegenes Rockalbum. Ein großer Wurf ist es nicht. Die Deep Purple der Post-Blackmore-Ära sind zu guten alten Freunden geworden. Ihre Geschichten kennt man meist schon - und auch ihre Musik.

Von Fabian Elsäßer | 30.04.2013
    Drei Bands haben Anfang der 70er-Jahre mehr als alle anderen den Grundstein für Hardrock und Heavy Metal gelegt – Led Zeppelin, Black Sabbath und Deep Purple. Und von allen ist bis heute zu hören. Von Led Zeppelin nur noch posthum, von Black Sabbath sporadisch mit größeren Pausen. Nur Deep Purple haben nach der Reunion der berühmten Mark II-Besetzung – auch schon fast 30 Jahre her – durchgängig weiter gemacht. Und das Personenkarussell hat sich dabei unermüdlich gedreht. Erst nach dem endgültigen Weggang von Gitarrist Richie Blackmore und mit Hilfe von Steve Morse beruhigte sich das Bandgefüge. Seitdem sind Deep Purple vor allem eine Tourneeband, die live inzwischen fast nur noch auf das klassische Material bis ca. 1985 zurückgreift. Dabei waren die meisten der vier Studioalben mit Steve Morse gar nicht so schlecht, wie die niedrigen Verkaufszahlen vermuten lassen. Aber das Stammpublikum ist da offenbar sehr stur. Trotzdem wagen die fünf Herren (Durchschnittsalter 64) nach langer Pause wieder einen Anlauf mit neuen Songs. "What now!?" ist vergangenen Freitag erschienen, Fabian Elsäßer hat sich das Album und die Vorab-Single – durchaus mit bangem Herzen - angehört.
    BEITRAG

    Ach guck mal, die Little River Band ist zurück? Die hat doch damals schon keiner gebraucht. Aber der Gesang, der Gesang. Don Henley vielleicht? Nein, wir haben uns nicht im CD-Stapel vergriffen. So klingen Deep Purple im Jahr 2013. Allerdings nur auf der Single "All the Time in the World", mit der die Band nur zu offensichtlich auf den amerikanischen Markt schielt. Auf dem Album ist dieser Song sorgsam im hinteren Drittel versteckt, stattdessen beginnt "Now what?!" doch so, wie sich das für Deep Purple ziemt: im Marschtempo mit dicken Orgelschwaden und gierig schnappendem Gitarrenriff.

    "Now what?!" ist das 19. Studioalbum von Deep Purple, und es folgt dem Vorgänger "Rapture of the Deep" mit gewaltigem Abstand von acht Jahren. Was sich damals schon andeutete, wird nun zur Gewissheit. An musikalischen Einfällen fehlt es nicht, aber Sänger Ian Gillan gehen allmählich die Gesangslinien und eingängigen Refrains aus. Nur wenige erfüllen hier noch den für das Genre unabdingbaren Willen zur Hymnentauglichkeit.

    Wenn Gillan sich nicht gerade in seltsamen Tonarten versteigt, gibt er ganz den Grandseigneur mit wohligem Whiskey-Bariton. Schön. Aber manchmal auch verschenkt. Die Melodie von "Above and Beyond" zum Beispiel tänzelt wie ein edler Lipizzaner im Dreivierteltakt, scheint gespannt die Nüstern zu blähen – doch dann führt ihn Onkel Ian versöhnlich summend vom Reitplatz. Ruhig Brauner, ganz ruhig!

    Titel und Ikonografie des Albums wirken da fast schon resignativ, weniger selbstironisch. Das P in Purple wurde durch ein Fragezeichen ersetzt, so als hätten Gillan, Glover, Paice, Morse und Airey sich während der Aufnahmen inständig gefragt: Und nun? Was tun? Tja…

    Vielleicht Rückbesinnung. Wir erinnern uns. 1996 begann endlich die Zeit nach dem despotischen Richie Blackmore. Zusammen mit dem amerikanischen Gitarristen Steve Morse wurden vier verunsicherte ältere Herren wieder zu einer Band, die Spaß am Musizieren hatte. Morse machte Purple eklektischer, grooviger, auch komplizierter.

    Während das Vorgängeralbum "Rapture of the Deep" so etwas wie die Zusammenfassung des bisherigen Schaffens mit Steve Morse war, greift "Now what?!" weiter aus, bis in die 70er und 80er und damit doch wieder zu Blackmore. Mal hört man "Perfect Strangers" heraus, mal ein Granulat des 73er- Albums "Who Do We Think We Are?"

    Und dann klingt es sogar kurz so, als wollten Emerson, Lake and Palmer mit Yes um die Wette spielen. In der Tat ein zirzensischer Spaß.
    So ist denn "Now what?!" auch dank der beeindruckend herzenswarmen Produktion von Bob Ezrin, auch so einem Urgestein, ein gediegenes Rockalbum. Ein großer Wurf ist es nicht. Die Deep Purple der Post-Blackmore-Ära sind zu guten alten Freunden geworden, die nie weg waren. Doch ihre Geschichten kennen wir alle schon.