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Defizite in der Brustkrebsbehandlung

Die Behandlung von Krebs, insbesondere von Brustkrebs, ist nicht ausschließlich eine Frage der richtigen Operation, Chemotherapie oder Strahlentherapie. Mindestens genauso wichtig ist das Wohlbefinden der Patientin. Genau hier liegt in deutschen Krankenhäusern manches im Argen. Deswegen hat die Deutsche Krebshilfe eine Studie durchgeführt, die den oft undurchsichtigen Weg der Frauen durch den Dschungel des Medizinbetriebs ausleuchtet.

Von Carsten Schroeder |
    21 Frauen wurden nach ihrer Brustkrebsdiagnose ein ganzes Jahr lang begleitet. Ihre Versorgung war sehr unterschiedlich, zum Beispiel nach der Entlassung aus dem Krankenhaus, wenn sie wieder bei ihrem behandelnden Arzt waren. Wilfried Jacobs, Vorstandsmitglied der Deutschen Krebshilfe:

    Es ist ein Phänomen, dass beispielsweise diese 21 Frauen nach sechs Wochen, sagten die ersten Frauen mein Arzt hat mir gesagt, ich soll mal anschließend in Kur gehen, das wäre besser für meine Seele, gleichzeitig sagten aber fünf Kilometer weiter die anderen Frauen, mein Arzt hat gesagt, gehen Sie bloß nicht dahin, da werden Sie todkrank. Das passierte nach sechs Wochen. Nach dreizehn Wochen konnte man feststellen, dass bei der einen Frau die Frage, was soll dann jetzt geschehen in der Nachsorge, definitiv mit dem Arzt besprochen war, in dem anderen Fall hatte der Arzt gesagt: Nachsorge? Nehmen Sie Tamoxifen, und lassen Sie alles mal zur Seite. Also ganz unterschiedlich, ohne dass Sie auch nur eine Logik hineinkriegen, und da braucht man sich nicht zu wundern, wenn’s den Patienten in der Seele irgendwann schlecht geht.

    Die an Brustkrebs erkrankten Frauen werden von ihren behandelnden Ärzten mal gut, mal schlecht begleitet; Regeln, Anhaltspunkte oder Leitlinien gibt es nicht. Jeder Arzt macht es so, wie er es für richtig hält. Damit kann er aber oft genug falsch liegen.

    Die psychosoziale Begleitung der an Brustkrebs erkrankten Frau ist nicht systematisch orientiert, sie folgt dem Zufall. Psychosoziale Betreuung hängt davon ab, was der Arzt persönlich davon hält. Der Arzt kann sich persönlich in seiner Einstellung aber auch irren. Und es ist nicht möglich, dass die Seele einer Patientin genormt ist in der Einstellung des jeweiligen individuellen Arztes, was er zur psychosozialen Betreuung denkt oder nicht. Hier muss eine Leitlinie her, und hier muss viel stärker auf die Interessenslage der Frau eingegangen werden.

    Ständiger Stein des Anstoßes ist die Betreuung in den Krankenhäusern, nicht nur durch unfreundliches und überarbeitetes Personal. Postpaketen gleich werden die Patienten durch den nüchternen Krankenhausbetrieb geschleust. Wie sieht eigentlich das Umfeld bei der Strahlentherapie und der Chemotherapie aus, wollten die Autoren der Studie wissen:

    Hier sagen die meisten Frauen, wir sitzen in den Fluren – übrigens Klammer auf: Es geht nicht nur den Frauen so – Es muss zum Teil auch aus strahlentherapeutischen Gründen so sein – aber das kann man auch verändern. Und was die Chemotherapie betrifft: Auch dies spielt sich auf den Fluren ab. Das kann nicht so bleiben. Die Preise, die bezahlt werden für eine Brustkrebsbehandlung sind hoch, und dafür darf man diesen Service erwarten.

    Die mit Abstand schwierigste Situation für die an Brustkrebs erkrankte Frau ist der Moment, wenn sie mit der Diagnose konfrontiert wird. Völlig unvorbereitet bricht alles über sie herein, und in kürzester Zeit soll sie schwerwiegende Entscheidungen treffen. Brustkrebs werde in Deutschland wie ein akuter Notfall behandelt, kritisiert Jacobs. Nur selten werde ein zweiter Arzt konsultiert.

    Die Zweitmeinung in der Mammographie muss zur Regel werden, und nicht zur Ausnahme. Heute ist eine Patientin, die den Arzt um eine Zweitmeinung bittet, da muss sie aufpassen, dass der Arzt nicht die Beziehung mit ihr beendet – zumindest nicht die vom Kopf her kommende - wenn die Zweitmeinung erbettelt werden muss, machen wir was falsch in Deutschland. Wir sollten sie zum festen Bestandteil machen des Angebotes der Medizin, und gute, exzellente Mediziner und gute Krankenhäuser haben mit der Zweitmeinung überhaupt keine Probleme, denn meistens bestätigen die Zweimeinungen die Erstmeinung, wenn die Medizin gut war.