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Dein Freund, der Monitor

Der norwegisch-deutsche Künstler Björn Melhus kam vom Film zur Kunst und verwendet in seinen Installationen auch gern Filmausschnitte. Im Haus am Waldsee verfolgt er sein Thema, den "Last Action Hero" quer durch die Kultur- und Literaturgeschichte.

Von Carsten Probst | 11.02.2011
    So sehr es dem Kino und dem Fernsehen angeblich um die Teilhabe des Publikums an der "Welt da draußen" geht, so sehr geht es doch eigentlich immer nur um mich selbst. Insofern ist es nur konsequent, wenn Björn Melhus in seinen Videoszenen, die er gern den Klassikern der populären Filmgeschichte entnimmt, stets alle Rollen selber spielt.

    Das hat manchmal etwas von Parodie, entfernt erinnert es vielleicht manchmal an die Rollenspiele in Ulksendungen der siebziger Jahre wie "Nonstop Nonsens" oder bei den Filmparodien der Zeitschrift "Mad", in denen stereotyp irgendwo immer die mysteriöse Figur von Alfred E. Neumann auftauchte. Melhus' Videoinstallationen bedienen sich der Eingängigkeit des vorgefundenen Filmmaterials, und das macht sie erschreckend unterhaltsam, in gewisser Weise sogar beinahe populär.

    Doch aus der Welt des Geläufigen, Schaumigen und Burlesken führt der Weg geradewegs in die Hölle der notorischen Selbstbespiegelung und Selbstbefriedigung eines Publikums auf Sinnsuche. Als ein Erbe der Pop Art verweist Melhus sein Publikum genussvoll auf die Endlosschleifen von dessen eigenen Sehgewohnheiten, auf den Wiederholungszwang der bekannten Storys und Motive, die das Wahrnehmungsraster des Lebens vorgeben und das man möglichst nie wieder verlässt, wenn man nicht der völligen Sinnlosigkeit anheimfallen will.

    Melhus' Gesicht taucht in verschiedensten Maskierungen überall wieder auf, es hat dabei die nichtssagende und zugleich belustigende Penetranz des Gesichts eines Bruce Nauman, eines von Melhus' künstlerischen Vorbildern. Wenn er in einer seiner neuesten Arbeiten den heimatlos gewordenen "Bärenhäuter" aus dem Märchen der Gebrüder Grimm gibt, der in seinem zotteligen, verwahrlosten Bärenkostüm wandfüllend und schrill immer wiederholt: "I do not belong to this house", dann wirkt er genau so skurril mitleidserregend wie die Clownsfiguren des Texaners.

    Ein Bildschirm-Triptychon, in dem der alienhaft kahlrasierte Melhus Katastrophenmeldungen des US-amerikanischen Haussenders der Rechten, Fox News, herunterrattert, erinnert an Naumans nervenzerrende Videoinstallation "Anthro-Socio", über der ein sich endlos drehender Glatzkopf auf mehreren Monitoren ständig "What is me help me" schreit.

    Doch Melhus hat eine eigene Methode entwickelt, sich zugleich von dem vorgefundenen Bildmaterial zu distanzieren. Anders als viele Medienkünstler geht er bei seinen filmischen Reinszenierungen vom Ton aus. Er bündelt die originale oder synchronisierte Tonspur zu Loops und Wiederholungen und arrangiert das Bildmaterial in Fragmenten, die er selber dreht und in denen er seine Lippen zu den originalen Tonspuren bewegt, die zumeist von inzwischen verstorbenen Hollywoodstars stammen. Die historischen Referenzfilme werden so zwar noch ahnbar, aber sie erscheinen zugleich wie Zerrbilder einer durchgeknallten mechanisierten Filmfantasie.

    In einer seiner jüngsten Serien von Arbeiten, die hier gezeigt werden, geht es um die filmische Verarbeitung von Kriegstraumata heimkehrender Soldaten, so wie sie in den USA nach dem Vietnamkrieg auch in die populäre Filmindustrie etwa mit dem "Rambo"-Stoff Einzug gehalten hat. Die psychische Gebrochenheit der Kriegsveteranen, die sich in die Spaßgesellschaft in ihrer der Heimat nicht mehr einfinden können und dadurch nicht selten zu Selbstmördern oder Amokläufern werden, ist zu einem Stoff für Actionstreifen geworden, und mittlerweile kennt man auch in Deutschland die Tragik von solchen Soldaten-Biografien, die aus Afghanistan oder anderen weitab gelegenen Kriegsschauplätzen in eine fremd gewordene Bundesrepublik zurückkehren.

    Melhus' "Bärenhäuter"-Video spielt auf diese Thematik an, auch in Grimms Märchen geht es ja um einen Heimatlos gewordenen Soldaten, der einen Pakt mit dem Teufel schließt und sich daraufhin sieben Jahre lang nicht waschen darf, von der Gesellschaft verstoßen wird und nur mit Mühe und Hilfe des Teufels sein Überleben sichern kann. Zugleich aber ist Melhus' Arbeit bei allem Humor auch Metapher für den Künstler in der Medienwelt - den buchstäblich "anrüchigen" und "heimatlosen" Verkünder des Traumas, das sich hinter den netten Bildern verbirgt.