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Dein Land, mein Acker

Das Jordantal in Israel ist fruchtbar. Hunderte von verschiedenen Sorten Obst und Gemüse wachsen hier. Direkt an der grünen Linie, die Israelis und Palästinenser voneinander trennt, hat der Staat Israel zum ersten Mal palästinensisches Land einem Kibbuz auf israelischem Territorium zugeschlagen. Das sorgt für Konfliktstoff.

Von Katja Strippel | 03.12.2011
    Bardala heißt übersetzt "Das Tor zum Himmel". Der kleine Ort mit den weißen Steinhäusern liegt mitten im fruchtbaren Jordantal – jenseits der Grünen Linie, auf palästinensischem Boden. Fateh Derad steht auf dem Dach der Schule von Bardala. Er streckt seine Hand aus und zeigt auf das, was einst seinen Vorfahren gehörte:

    "Das rote ist das Land von 1948 – zwischen den Plastikhäusern und dem roten Land können Sie einige Zitronenfarmen sehen – die grünen Bereiche. 2006 haben die Israelis damit begonnen, den Sicherheitszaun durch das Jordan-Tal zu bauen. Insgesamt 6.000 Land wurden damals beschlagnahmt – 1.500 Dunam davon gehören Familien aus Bardala."

    1.500 Dunam – das sind 150 Hektar. Diese 150 Hektar Erde werden gerade von einem Traktor umgepflügt. Und der hat kein palästinensisches, sondern ein israelisches Nummernschild. Am Steuer sitzt Ja'akov. Ja'akov arbeitet seit 20 Jahren auf dem Feld. Auf die Frage, was sich geändert hat, seit er auf der Farm angefangen hat, antwortet er:

    "Es gibt einem großen Unterschied. Früher hatten wir ein großes Problem mit Wasser. Aber das haben wir heute nicht mehr."

    Kein Wunder – jetzt haben sie das Wasser aus Bardala. Fünf Kilometer entfernt – auf dem Dach der Schule – redet sich Fateh deshalb in Rage.

    "Dieses Dorf ist eines von 52 palästinensischen Dörfern im Jordantal, das in der Nähe von Wasser-Quellen gebaut wurde. Bardala hat besonders viel Wasser im Untergrund – und das war einer der Gründe, warum die Israelis das Land konfisziert haben. Jetzt bringen sie das Wasser zu verschiedenen Plätzen im Jordantal, um die Siedlungen zu versorgen."

    Fateh Derad ist in Bardala geboren und aufgewachsen. Er war elf Jahre lang der Bürgermeister des kleinen Ortes. Und er liebt dieses Land:

    "Es könnte paradiesisch sein, denn wir haben hier Zitronenfarmen, Früchte, meine Familie hatte auf ihrer Farm sieben verschiedene Apfelsorten – ich kann mich noch erinnern. Aber heute ist dieses Land nur noch Wüste."

    Da übertreibt er ein bisschen. Verglichen mit vielen anderen Orten im Westjordanland wirkt Bardala immer noch wie eine kleine Oase – wie das Tor zum Himmel. Aber dass vor dem Tor zum Himmel jetzt der Sicherheitszaun verläuft, das ärgert nicht nur Fateh. Vor dem Gemeindehaus des Dorfes sitzt Ashrof Sawafta auf einem Plastikstuhl. In der rechten Hand hält er eine kleine Porzellan-Tasse mit starkem Kaffee, der ordentlich ins Schwanken gerät, als Ashrof erklärt:

    "Als Israel dieses Land 1973 konfisziert hat, haben sie die Leute rausgeschmissen und ihnen damit gedroht, dass sie getötet werden, wenn sie zurückkommen. Glauben Sie, dass keiner seine Felder und Wiesen freiwillig aufgegeben hat. Die Leute lieben dieses Stück Erde, sie leben davon und sie hatten keine andere Wahl. Sie können uns das Land nicht einfach wegnehmen, uns verbieten, es zu betreten und dann sagen: Weil ihr es nicht bestellt habt, wird es euch weggenommen."

    Die Geschichte ist kompliziert. Denn das annektierte Land liegt jenseits der grünen Linie – auf palästinensischem Boden. Der israelische Staat hat es aber dem Kibbuz Ma'aleh Gilboa zugeschlagen. Was bleibt, ist Enttäuschung.

    "Wir wohnen hier nur ein paar Kilometer von ihnen entfernt, und sie wissen, dass wir da sind. Aber sie nennen uns Absentees, um zu rechtfertigen, warum sie uns das Land geklaut haben."

    Direkt neben dem Feld, das einst den Palästinensern gehörte, arbeitet Gabi auf einer Hühnerfarm. Gabi war noch nie in Bardala – obwohl der Ort nur fünf Kilometer entfernt ist. Aber er kennt ein paar Araber, die bei ihm Hühner kaufen.

    "Ich weiß nicht im Detail, was das Problem mit diesem Land ist. Aber es ist wichtig, dass wir eine Einigung finden. Und zwar zwischen beiden Seiten, wenn es um das Land und die Frage geht, wem es gehört."

    Auf dem Feld dreht Ja'akov im Traktor weiter seine Runden. Er verscheucht ein paar Kraniche, die auf der roten Erde gelandet sind, um sich von ihrer weiten Reise zu erholen. Die Vögel sammeln sich und fliegen hinüber zu den weißen Häusern von Bardala – über den Sicherheitszaun hinweg zum Tor des Himmels.