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Delacroix-Ausstellung in London
Nicht der letzte Altmeister, sondern erster Moderner

Der Künstler Eugène Delacroix ist ein französischer Romantiker gewesen, an dessen Kunst sich viele Impressionisten orientierten. Eine Ausstellung in der National Galery in London zeichnet seinen Einfluss auf die Moderne nach. "Man findet uns alle in Delacroix", schrieb zum Beispiel einmal Paul Cézanne über sein Werk.

Von Hans Pietsch | 21.02.2016
    Eine Besucherin fotografiert das Gemälde "Les Trellis" von Gustave Courbet, das nach dem Vorbild des Malers Delacroix entstand. Es hängt in der Ausstellung "Delacroix and the rise of Modern art" in der National gallery in London.
    Eine Besucherin fotografiert das Gemälde "Les Trellis" von Gustave Courbet, das nach dem Vorbild des Malers Delacroix entstand. Es hängt in der Ausstellung "Delacroix and the rise of Modern art" in der National gallery in London. (picture alliance / dpa / Facundo Arrizabalaga)
    Auf einem Selbstporträt im ersten Raum der Schau zeigt sich der französische Romantiker, wie ihn sein Freund und Bewunderer, der Dichter Charles Baudelaire, beschrieb - als "kunstvoll hinter einem Blumenstrauss verborgener Vulkan", mit "vollem, glänzendem Haar, trotziger Braue und engen Lippen". Ein Mann, fast 40, von großer Ausstrahlung, aber auch verschlossen. Trotzig blickt er den Betrachter direkt an.
    Eine Ausstellung mit Werken von Delacroix zusammenzustellen, ist kein leichtes Unterfangen. Vor allem, weil seine monumentalen Meisterwerke, von "Die Freiheit führt das Volk an" von 1830 über "Der Tod des Sardanapal" von 1827 bis zu den "Frauen von Algier" von 1834 alle im Louvre in Paris hängen und teils aus patriotischen, teils aus konservatorischen Gründen nicht reisen dürfen. Die Kuratoren müssen sich damit begnügen, spätere, kleinere Versionen an die Wand zu hängen.
    Auf dem "Tod des des Sardanapal" liegt der belagerte assyrische König auf dem eigenen Scheiterhaufen und schaut fast unbeteiligt der Abschlachtung seines Harems zu, ehe er sich selbst das Leben nimmt. Delacroix nannte das Bild "mein zweites Massaker", ein Gewirr von Leibern und immer wieder das Nebeneinander von Rot und Gelb.
    Auf der 1847 entstandenen Version der berühmten "Frauen von Algier" zieht eine Bedienstete den Vorhang zurück und macht drei auf Kissen ruhende Frauen sichtbar. Die leicht schwüle Atmosphäre der Szene erreicht der Maler hier durch fein gradierte Halbtöne der Farben, das Licht hebt nur Einzelheiten wie das Dekolleté der Frau im Vordergrund heraus.
    "Man findet uns alle in Delacroix"
    Die Schau kommt aber erst so richtig zum Leben, weil die Kuratoren ihre These, dass der Romantiker nicht Frankreichs letzter Altmeister war, sondern der erste Moderne mit Werken der ihm verpflichteten nachfolgenden Generationen anschaulich machen - Courbet und Manet, Renoir und Matisse, van Gogh und Gauguin. "Man findet uns alle in Delacroix", schrieb Paul Cézanne. Und seine "Badenden" von 1874 hängen neben Delacroix' 20 Jahre zuvor entstandenem gleichnamigem Motiv - ähnliche Komposition, ähnliche Stimmung und gleiches Licht.
    Delacroix' erste Reise nach Marokko 1832 brachte ihn der Erkenntnis, dass Licht vor allem Farbe ist und Schatten farbige Reflexe, noch näher. Sie hatte großen Einfluss auf die Impressionisten. Auguste Renoir bereiste 50 Jahre später Algerien. Sein "Arabisches Festival" zeigt eine Menschenmasse, die Männer in bunten Kleidern, die Frauen in Weiss, die sich einen Hügel hinauf schlängelt, fast chaotisch, und das in einem goldenen, gleißenden Licht.
    Die Nachfolger dankten es ihm auch, dass er ein erstarrtes Genre wiederbelebte: die Blumenmalerei. Sein "Korb mit Früchten in einem Blumengarten" von 1848 zeigt einen mit Obst überquellenden Korb, fast dreidimensional, umgeben von Blumenkaskaden. Van Gogh malte 1886 ein ähnlich überbordendes "Stillleben mit Wiesenblumen und Rosen" und Odilon Redons "Anemonen" von 1906 leuchten rot und gelb.
    Delacroix' leichter, nervöser Pinselstrich wird besonders deutlich auf einer kleinen, in der Nähe seines Landhauses entstandenen Landschaftsskizze. Die schnell hingeworfenen Bäume im Vordergrund, der wolkige Himmel und die sich im Dunst verlierenden Hügel im Hintergrund könnten von einem Impressionisten stammen. Malerei um der Malerei willen, das schwebte ihm vor, unabhängig vom Motiv. Sein letzter Tagebucheintrag am 22. Januar 1863 beginnt mit dem Satz: "Das erste Verdienst der Malerei ist es, ein Augenschmaus zu sein."
    Ausstellungsinfos:
    "Delacroix and the Rise of Modern Art", National Gallery London
    bis 22. Mai 2016