Es ist ein grausiger Anblick, der sich den Menschen seit dem Sommer an der US-amerikanischen Ostküste bietet. Immer wieder werden Delfine an die Strände gespült, abgemagert und verletzt, die meisten schon tot.<del cite="mailto:Unbekannter%20Autor" datetime="2013-11-20T10:55"> </del>
"Anfang Juli haben wir bemerkt, dass die Zahl der gestrandeten Delfine – in dem Fall sind das große Tümmler – an der US-Atlantikküste ansteigt, von New York bis runter nach South Carolina. Zurzeit stranden zehnmal mehr Tiere als sonst."
Teri Rowles ist Tierärztin bei der Nationalen Ozean- und Atmosphärenverwaltung - einer Behörde, die sich auch um gestrandete Meeressäuger kümmert. Inzwischen ist klar: Die Delfine fallen dem sogenannten Delfin-Morbillivirus zum Opfer. Ein Virus, das eng mit dem menschlichen Masernvirus verwandt ist und das Gehirn und das Immunsystem schädigt. Ende der 80er-Jahre hat es schon einmal ein Massensterben von Delfinen an der Ostküste ausgelöst. Aber diesmal sei der Ausbruch noch schlimmer, sagt Teri Rowles.
"Es gibt jetzt schon mehr tote Delfine. Damals wurden zwischen Juni 1987 und Mai 1988 insgesamt 740 gestrandete Delfine gezählt. Wir sind jetzt schon bei mehr als 750 Tieren in gerade einmal fünf Monaten. Die Populationen sind sehr empfänglich für das Virus: Wir wissen von anderen Studien, dass die Delfine an der Ostküste keine Antikörper gegen Morbilliviren haben - sie sind ja erst nach den letzten Ausbrüchen geboren worden und nie mit dem Virus in Berührung gekommen. Aber wir können im Moment noch nicht sagen, woher das Virus kommt, und wie es sich weiter verbreiten wird."
Was die Forscher auch nicht abschätzen können ist, wie viele Tiere tatsächlich betroffen sind und ob das Virus möglicherweise die Bestände gefährdet.
"1987/'88 haben die Morbilliviren ziemlich viele Delfine getötet, wesentlich mehr als wir damals an den Stränden gefunden haben. Das hat sich im Nachhinein gezeigt. Aber wir haben keinerlei Möglichkeit, das Virus aktuell bei wildlebenden Delfinen aufzuspüren. Wir wissen nicht, wie viel Prozent der Population betroffen sind und wie viele Tiere die Infektion überleben."
Wirklich helfen können die Veterinärmediziner den Meeressäugern nicht. Es gibt keine Impfstoffe gegen die Delfinviren. Und selbst wenn: Die Tierärzte könnten die Delfine im offenen Meer nur schwer damit behandeln. Teri Rowles und ihren Kollegen bleibt deshalb vorerst nichts anderes übrig, als die Situation weiter zu beobachten.
"Wir machen uns am meisten Sorgen darüber, dass sich das Virus und die hohe Sterblichkeit weiter nach Süden ausbreiten könnte. Und dass die Delfine vielleicht andere Arten anstecken. Wir haben die Morbilliviren auch bei ein paar gestrandeten Buckelwalen und Zwergpottwalen gefunden. Wir können nicht sagen, ob die Tiere an dem Virus gestorben sind – dafür waren sie zu verwest – aber das müssen wir sehr genau im Auge behalten."
Gestrandete Meeressäuger müssen also weiter eingesammelt und untersucht werden. Die Fachkräfte vor Ort sind damit völlig überlastet. Aus ganz Nordamerika reisen Tierärzte an, um sie zu unterstützen. Und trotzdem:
"Wenn man sich mit 10 bis 15 Mal mehr gestrandeten Tieren beschäftigen muss als sonst, dann schafft man nicht alles. Dann bleiben manche Kadaver am Strand liegen - einfach, weil es so viele sind."
Teri Rowles befürchtet, dass das Delfinsterben an der US-Ostküste noch ein paar Monate weitergeht. Der Ausbruch in den 80ern hat fast ein ganzes Jahr gedauert.