Archiv


Dem Diabetes Paroli bieten

Medizin. - Viele Deutsche leiden unter einem hohen Blutzuckerpegel, ohne es zu ahnen. Macht sich der erworbene Diabetes mellitus schließlich bemerkbar, sind die Folgen bereits unumkehrbar. Die Deutsche Diabetes- Gesellschaft beschreitet jetzt neue Wege, um dem Leiden vorzubeugen.

    Ein hoher Blutzuckerspiegel fällt dem Betroffenen kaum auf. Doch über Jahre hinweg verursacht das Zuviel an Glukose in der Blutbahn schwere Schäden in Gefäßen, Geweben und Organen, die dann nicht mehr rückgängig zu machen sind: Erblindung, Nierenversagen, Infarkte und Gewebsuntergänge bis zu Amputationen können die Folgen sein. Dabei ließe sich die Krankheit erheblich verzögern, wenn sie frühzeitig diagnostiziert würde. Rund sechs Millionen Deutsche leiden am Diabetes mellitus Typ 2, dem so genannten Altersdiabetes - auf weitere zwei Millionen werden jene geschätzt, die daran leiden, ohne davon zu wissen. Für Experten also Grund genug, sich anlässlich der Jahrestagung der Deutsche Diabetes Gesellschaft, die ab Mittwoch in Berlin stattfindet, dem wichtigen Thema der Vorsorge zu widmen. Einen Überblick vermittelten die Veranstalter bereits heute auf einer Pressekonferenz. Risikofaktoren, die die Entstehung von Diabetes mellitus begünstigen, lagen den Ärzten dabei besonders am Herzen. Der Wichtigste darunter sei das Übergewicht, so die Mediziner. Wie Studien zeigten, steige die Gefahr für die so genannte Zuckerkrankheit drastisch an, wenn der Bauchumfang eine Grenze von 90 Zentimetern bei Frauen und 94 Zentimetern bei Männern sprengt. Auch bekannte Fälle von Diabetes in der nächsten Verwandtschaft sollten Anlass für eine verstärkte Kontrolle des Blutzuckerspiegels geben.

    Im Zentrum des entgleisenden Stoffwechsels, bei dem sich Zucker und Fette übermäßig im Blut ansammeln, steht das Insulin. Das Hormon steigt normalerweise etwa nach Mahlzeiten an und sorgt dafür, dass der aus dem Darm aufgenommene und in der Blutbahn aggressiv agierende Zucker schnell in Geweben und Organen wie Leber, Muskeln und Fettzellen aufgenommen wird. Letztere sind keineswegs nur passive Speicher - vielmehr senden sie aktiv entzündungsfördernde Botenstoffe aus, die wiederum die Insulinfabriken des Körpers und auch Gefäße schädigen können. Daneben setzen sie Fettsäuren frei, die über den Kreislauf in andere Gewebe gelangen und dort den Stoffwechsel umstellen. Eine Folge davon ist, dass diese Zellen dann weniger empfindlich auf Insulin reagieren und entsprechend weniger Zucker aufnehmen. Neue Untersuchungen belegen immer mehr, welche wichtige Rolle das Fettgewebe im Zusammenspiel der Stoffwechselprozesse spielt. Hoffnungsvoll schauen Forscher jetzt etwa auf das so genannte Adiponektin. Das Hormon wird im Fettgewebe gebildet, dringt in alle Zellen und steigert ihre Insulinempfindlichkeit. Daraus ergibt sich ein Gleichgewicht, das sich zwischen Fettsäuren und Adiponektin einpendelt - allerdings vor allem bei schlanken Menschen. Denn bei ihnen wird sehr viel mehr Adiponektin produziert als bei beleibten Personen. Nimmt man also achtlos zu, stößt man damit quasi eine Lawine in Richtung Diabetes los: es entstehen weniger Adiponektin und weitere schützende Substanzen, andererseits steigen schädigende Stoffe weiter an.

    Entsprechend dieser Erkenntnisse gilt den Medizinern als erstes Ziel die Reduktion des Körpergewichts. Bereits vier Kilogramm weniger "auf den Rippen" halbierten bereits das Risiko, einen Diabetes Typ 2 zu entwickeln. Ebenso wichtig seien daneben eine gesunde Ernährung und ein vernünftiges Maß an Bewegung. Eine neue Studie, die derzeit vorbereitet wird, soll untersuchen, wie das Abnehmen bei Patienten am effektivsten - etwa durch Sport oder Ernährungsberatung - erreicht werden kann. Sie soll im kommenden Jahr an 4000 Patienten durchgeführt werden. Bis dahin sollte allerdings niemand abwarten, sondern vielleicht schon heute überlegen, zukünftig weniger an süßen Leckereien zu naschen und dafür öfter die Turnschuhe anzuziehen und in den Park zu gehen.

    [Quelle: Volkart Wildermuth]