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"Dem Flugpassagier geht es etwas besser"

Verspätung und Ausfälle bei Bahn und Fluggesellschaften: Kay Rodegra, Anwalt für Reiserecht, erklärt, welche Rechte Fahr- und Fluggäste bei Eis und Schnee haben. Und da gibt es Unterschiede zwischen den beiden Transportwegen.

Kay Rodegra im Gespräch mit Theo Geers |
    Theo Geers: Gilt sie nun, oder gilt sie nicht? Das war ein tagelanges Rätselraten. Die Rede ist von der eilig beschlossenen Winterreifenpflicht, die bei vielen Reifendiensten zu chaotischen Zuständen, aber auch fast leergeräumten Reifenlagern geführt hat. Denn auf nichts verzichtet der Deutsche ungerner als auf sein Auto. Doch Schnee und Frost treffen auch Tausende von Bahn- und Flugreisenden, und das wirft ebenfalls viele Verbraucherfragen auf, die jetzt der Spezialist für Reiserecht, Kay Rodegra, beantworten kann. Guten Tag nach Würzburg, Herr Rodegra!

    Kay Rodegra: Schönen guten Tag, Herr Geers!

    Geers: Herr Rodegra, die Winterreifenpflicht, sie gilt jetzt ab morgen. Was heißt das jetzt konkret?

    Rodegra: Wer ab morgen ohne Winterreifen unterwegs ist bei Eisglätte, Schneeglätte, Schneematsch und auch Reifglätte, zahlt 40 Euro Bußgeld, und wenn er andere behindert, zahlt er 80 Euro Bußgeld und bekommt auch noch einen Punkt in Flensburg.

    Geers: Welche Reifen sind denn jetzt vorgeschrieben und woran erkenne ich sie?

    Rodegra: Es müssen Winterreifen sein, die als solche gekennzeichnet sind. Das sind M&S-Reifen. Die haben ein Symbol, M&S. Und auch Ganzjahresreifen gehören dazu. Einige besondere Winterreifen haben auch ein Schneeflockensymbol.

    Geers: Was ist denn, wenn ich keine Winterreifen mehr bekomme, oder immer noch glaube, ich könnte ohne sie auskommen? Muss ich dann bei winterlichen Schnee- und Straßenverhältnissen zu Hause bleiben?

    Rodegra: Streng genommen, ja. Sobald die winterlichen Verhältnisse auf der Straße vorzufinden sind, muss man Winterreifen haben. Man darf nur noch mit Sommerreifen fahren, wenn die Straße trocken ist und milde Temperaturen herrschen.

    Geers: Und wenn ich dann von einem Wintereinbruch überrascht würde, was wäre dann?

    Rodegra: Dann muss man sein Auto tatsächlich stehen lassen.

    Geers: Zurück zum Bußgeld, Herr Rodegra. Kann das denn auch mehr werden als die 40 oder 80 Prozent, die Sie gerade erwähnten. Zum Beispiel, wenn ich durch falsche Reifen einen Unfall verursache, direkt als Beteiligter oder indirekt zum Beispiel, wenn ich stecken bleibe und hinter mir passiert dann zum Beispiel ein Auffahrunfall?

    Rodegra: Ja, das kann versicherungstechnische Probleme auslösen, denn selbst wenn ich in einen Unfall verwickelt bin mit Sommerreifen, zu dem ich erst mal gar keine Schuld habe – nehmen wir mal an rechts vor links und beim Ausweichen komme ich ins Rutschen, nur weil ich mit Sommerreifen unterwegs bin -, dann kann mir die gegnerische Haftpflichtversicherung ein Mitverschulden vorwerfen und ich bleibe auf einem Teil meines Schadens sitzen.

    Geers: Noch eine Frage zum Autofahrer, die ja teilweise auch lange Nächte auf verschneiten Autobahnen vor allem in Ostdeutschland verbracht haben. Was ist denn eigentlich, wenn ich als Autofahrer sozusagen sehenden Auges ins Schneechaos fahre und dann zum Notfall werde? Wer holt mich raus aus dem Chaos, oder wer holt mich raus aus dem Straßengraben? Und vor allem wer zahlt dann?

    Rodegra: Wenn es katastrophale Zustände sind und das THW oder die Feuerwehr hilft mir, dann brauche ich für die Bergung nichts bezahlen. Wenn ich allerdings in einen Straßengraben rutsche und es sind richtige Bergungskosten, ich werde nicht nur aus einer Schneewehe gerettet, sondern richtig aus dem Straßengraben, dann bleibe ich tatsächlich auf diesen Kosten sitzen. Und noch mehr: Ich kann Probleme mit meiner Vollkasko-Versicherung kriegen. Die übernimmt den Schaden nämlich nicht, wenn ich mit Sommerreifen unterwegs bin bei diesen winterlichen Verkehrsverhältnissen, weil mir eine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen wird.

    Geers: So viel zu den Autofahrern. Kommen wir zu den Bahnreisenden, Herr Rodegra. Auch wenn es da im Moment ein bisschen Entspannung zu geben scheint, die meisten Züge fahren wieder, aber am nächsten Wochenende soll es ja schon wieder neuen Schnee geben. Die Ansprüche bei Bahnreisen stehen ja im Prinzip fest. Ab welcher Verspätung gibt es wie viel?

    Rodegra: Eigentlich bekommt man bei 60 Minuten Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises wieder und bei 120 Minuten Verspätung 50 Prozent des Fahrpreises. Dieses Geld bekommt man aber nicht, wenn die Bahn sich auf höhere Gewalt berufen kann. Und das ist das Schneechaos, wenn Weichen eingefroren sind oder Oberleitungen sind beschädigt. Dann kriegt man kein Geld. Was aber keine höhere Gewalt ist, wenn beispielsweise Züge nicht fahren, weil die Heizungen nicht funktionieren. Das kann man der Bahn vorwerfen und dann bekommt man das Geld.

    Geers: Und wie bekomme ich das Geld?

    Rodegra: Da gibt es ein Fahrgastrechte-Formular, das liegt überall im Zug aus, beziehungsweise wenn man den mitfahrenden Zugschaffner fragt, bekommt man das, oder am Service-Point der Bahn, und da kriegt man so ein Formular ausgehändigt.

    Geers: Was ist denn, wenn der Zug ganz ausfällt und es war der letzte Zug an diesem Abend?

    Rodegra: Da darf man eine Taxifahrt zum Ziel nehmen, man kriegt dann bis zu einem Betrag von 80 Prozent eine Entschädigung. Und wenn es auch kein Taxi gibt und ich muss übernachten, dann wird mir auch ein Hotel bezahlt. Aber alles das nur, wenn man der Bahn ein Verschulden vorwerfen kann. Wenn die Bahn sich auf höhere Gewalt berufen kann, bekommt man leider nichts.

    Geers: Und wie ist das mit sogenannten Rail-and-Fly-Angeboten, also zum Beispiel dem Zubringerzug zu einem Flug in den Urlaub?

    Rodegra: Da hat gerade der Bundesgerichtshof ein bemerkenswertes Urteil gesprochen. Wenn ein Reiseveranstalter ein Rail-and-Fly-Angebot anbietet und quasi die Zugfahrt zum Flughafen als eigene Leistung anbietet, dann muss der Reiseveranstalter für mögliche Umbuchungskosten, die entstehen, weil ich das Flugzeug nicht mehr erreiche wegen der Verspätung, übernehmen. Das kann nicht auf den Reisekunden umgewälzt werden.

    Geers: Noch ein, zwei Fragen zum Flugpassagier, Herr Rodegra. Wann steht dem Passagier hier Entschädigung zu?

    Rodegra: Dem Flugpassagier geht es etwas besser, da gibt es die Fluggastrechte-Verordnung der EU. Wenn man lange am Airport warten muss auf seinen Flug, weil der Flug ausfällt, oder erhebliche Verspätung hat, dann muss die Fluggesellschaft verschuldensunabhängig Betreuungsleistungen erbringen, also ich bekomme kostenfreie Mahlzeiten, mir muss ein Hotel angeboten werden, falls es über Nacht geht, die Wartezeit. Und das Ganze muss die Fluggesellschaft erbringen, obwohl sie ja nichts dafür kann. Weitere Entschädigungszahlungen muss die Fluggesellschaft aber nicht erbringen, weil sie sich auf höhere Gewalt, sogenannte außergewöhnliche Umstände, berufen kann. Also einen Bargeldanspruch gibt es nicht, aber diese Betreuungsleistungen, die müssen erbracht werden.

    Geers: Danke schön! – Das war Kay Rodegra, der Spezialist für Reiserecht, hier im Deutschlandfunk zu einigen wichtigen Fragen rund ums Schneechaos.