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Dem Hirntumor die Blutzufuhr abdrehen

Medizin. - Das Glioblastom gehört zu den aggressivsten Tumoren überhaupt. Neue Behandlungsformen werden dringend benötigt. Am Wochenende haben sich nun Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin in Berlin Buch getroffen um zu diskutieren, wie sich neue Erkenntnisse aus der Tumorbiologie für die Patienten nutzbar machen lassen könnten.

Von Volkart Wildermuth | 11.12.2006
    Das Glioblastom ist ein gefährlicher Gegner. Wenn es die ersten Beschwerden wie Kopfschmerzen oder neurologische Probleme verursacht, hat es meist schon Krebszellen ins gesunde Nervengewebe gestreut. Eine Operation entfernt deshalb immer nur Teile des Tumors, kann sein Wachstum verzögern, aber nicht aufhalten. Die restlichen Krebszellen vermehren sich rasant, die Beschwerden flammen wieder auf. Dieses schnelle Wachstum des Glioblastoms ist nur möglich, weil der Hirntumor extrem gut durchblutet ist. Hier vermutet Prof. Peter Vajkoczy vom Universitätsklinikum Mannheim die Achillesferse des Glioblastoms.

    " Wir wissen, dass Tumorzellen einen sehr hohen Bedarf an Sauerstoff haben, wenn wir das reduzieren können, also weniger Sauerstoff zuführen können, dann wissen wir auch, dass Tumore zumindest in der Maus weniger wachsen und dass auch einige Tumorzellen absterben. Und das ist gerade für das Gehirn besonders attraktiv, da wir hier mit den normalen Therapieverfahren, die derzeit Standard sind, keine befriedigenden Ergebnisse erzielen können."

    Die Hemmung des Gefäßwachstums, die sogenannte Anti-Angiogenese, ist derzeit ein wichtiges Thema der Krebsforschung generell. Meist versuchen die Forscher bestimmte Lockstoffe zu blockieren, mit denen ein Tumor das Wachstum der Adern anregt und in seine Richtung lenkt. Beim Glioblastom geht Peter Vajkoczy einen anderen Weg. Er hat beobachtet, dass die Standard-Chemotherapie nicht nur die Tumorzellen selbst angreift, sondern auch ihre unverzichtbaren Gehilfen, die Gefäße. Normalerweise werden die Zellgifte hoch dosiert gegeben, sonst haben sie kaum eine Wirkung auf den Krebs. Die Behandlung muss aber wegen der Nebenwirkungen immer wieder unterbrochen werden. In diesen Therapiepausen können sich gerade die Gefäße erholen und nachwachsen.

    " Was man also von daher macht, ist die Chemotherapie kontinuierlich zu geben, man muss es dann niedriger dosieren, aber das macht nichts, weil die Gefäßzellen sehr viel sensibler sind gegenüber der Chemotherapie. Der Vorteil ist also, sie treffen die Gefäßzellen und sie geben ihnen keine Möglichkeit sich zu erholen, weil sie keine Pausen mehr haben, sondern die Chemotherapie kontinuierlich geben."

    Die Tumorzellen selbst werden gar nicht getroffen, aber weil ihnen die Sauerstoffzufuhr langsam abgedreht wird, können sie nicht weiter wachsen. Im Tierversuch ist diese indirekte Strategie erfolgreicher, als der normale chemotherapeutische Frontalangriff. Um die Wirkung zu verstärken gibt Peter Vaykoczy zusätzlich noch einen Entzündungshemmer. Anders als in anderen Tumoren befinden sich nämlich in Glioblastomen große Mengen von Entzündungszellen, die ihrerseits weitere Gefäße anlocken.

    " Man hat also einen zweifachen Ansatzpunkt, man kommt von zwei Seiten. Und wir verstehen jetzt aus dem Tierexperiment, dass tatsächlich die Kombination effektiv ist und wir sehen auch in der klinischen Anwendung, dass beide Therapieverfahren gut toleriert werden und dass wir hier in der Kombination die mittlere Überlebenszeit von derzeit etwa zwölf Monaten auf etwa 17 Monaten anheben können. "

    Das hat eine erste Studie an dreißig Patienten ergeben. Am effektivsten war der Doppelangriff bei den am besten durchbluteten Tumoren. Die Nebenwirkungen der Behandlung mit den bereits zugelassenen Medikamenten lagen im Vergleich zur normalen Chemotherapie deutlich geringer. Diesen guten Nachrichten steht allerdings eine schlechte gegenüber.

    " Was wir nicht beobachten konnten, war, dass wir Tumore heilen konnten."

    Die Hemmung des Gefäßwachstums ist ein Fortschritt, aber kein Durchbruch bei der Behandlung des Gliobalstoms, meint Peter Vajkoczy.

    " Das ist der Hoffnungsschimmer, aber wenn wir die vielen positiven Therapien, Standardtherapien und experimentellen Therapien zusammennehmen, sehen wir, dass wir die mittlere Überlebenszeit schrittweise, monatsweise verbessern können und dass wir vielleicht in fünf Jahren von jetzt doch einen signifikanten Therapieerfolg erzielt haben. "