Wir holen uns die Gehirne von frisch geschlachteten Schweinen aus dem Schlachthof, und dann wird das Gehirn aufgearbeitet in einer Art Mixer, so dass man ein Homogenat bekommt. Das ist so eine Art Hirnbrühe.
Das reicht, denn den Bonner Zellbiologen geht es nur um die Zellen und die Bestandteile der Zellen. Ihre Forschung basiert auf einer verbreiteten Theorie. Demnach hängt die Entstehung der Alzheimer-Krankheit mit einem bestimmten Eiweiß, einem Protein, zusammen. Schmitz:
Und dieses Protein heißt Amyloid-Beta-Peptid.
Oder auch Beta-Amyloid-Peptid, oder ganz einfach A-Beta. Jede Zelle im menschlichen Körper kann A-Beta bilden. Und zwar wird dieses Peptid hergestellt durch Schneiden eines größeren Proteins. Und das Peptid ist dann ein Bruchstück das daraus entsteht. Schmitz:
Dieses Vorläufer-Protein, APP heißt das, Amyloid-Vorläufer-Protein, wird in der Zelle synthetisiert, in einem speziellen Kompartiment der Zelle. Kompartimente kann man sich vorstellen, wie Zimmer in einem Haus. Kompartimente sind die Zimmer, die Zelle das Haus. Das APP entsteht in einem bestimmten Kompartiment. Das heißt: Endoplasmatisches Reticulum. Und es wird zur Oberfläche transportiert. Auf diesem Weg kann aus dem APP A-Beta entstehen.
An der Außenseite der Zelle können dann lange Fasern aus A-Beta entstehen, und dort Schaden anrichten. Richtig gefährlich aber wird es, wenn das A-Beta in das Innere der Zellen gelangt: Ins Cytosol – das ist das Hauptzimmer jeder Zelle. Hier gehört es nicht hin. Es würde die Zelle vergiften. Ob und wie das A-Beta ins Cytosol gelangen kann, wussten die Wissenschaftler bislang nicht. Und da kommen die neuen Ergebnisse vom Institut für Zellbiologie der Universität Bonn ins Spiel. Schmitz:
Man kann sich die Situation eigentlich wieder wie in einem Haus vorstellen. Die unterschiedlichen Zimmer sind mit Türen verbunden. Und genau wie man nicht einfach durch die Wand gehen kann, kann das A-beta nicht durch die Membranen. Es braucht spezielle Türen. Und im Endoplasmatischen Reticulum ist diese Tür ein spezieller Protein-Kanal, von dem wir auch zeigen konnten, dass er tatsächlich das A-Beta transportiert: vom Endoplasmatischen Riticulum ins Cytosol.
Aber die Tür erklärt nicht alles. Nun musste Anton Schmitz herausfinden, warum A-Beta normalerweise keinen Schaden im großen Wohnzimmer, dem Cytosol, anrichtet. Es musste in gesunden Zellen einen Mechanismus geben, der das schädliche Peptid beseitigt. Und die Bonner wurden gleich doppelt fündig: Erster Kandidat: das Proteasom: ein großer allgemein bekannter Müllentsorger im Cytosol, der verschiedene Eiweißstoffe zerlegt. Eiweißzerleger heißen bei den Zellforschern Proteasen. Schmitz:
Das Überraschende war, zumindest aus zellbiologischer Sicht, dass das Proteasom nicht die einzige Protease ist, die A-beta abbaut, sondern dass es eine weitere Protease gibt. Die heißt: Insulin-abbauendes Enzym. Ganz einfach, weil man zuerst entdeckt hat, dass diese Protease Insulin abbaut. Diese Protease kommt im Cytosol vor.
Also im großen Wohnzimmer der Zelle.
Und es ist eigentlich nicht so ganz klar, was dieses Insulin-Abbauende Enzym da im Cytosol macht. Und wir konnten jetzt zeigen, dass zumindest eine Funktion ist, dass es A-Beta abbaut.
Mit dem Alter sinkt die Aktivität dieser Proteasen. Der Abbau ist gestört. Dieser Befund erklärt, warum das Alzheimer-Risiko mit dem Alter steigt. Für Zellbiologen ein wichtiges Ergebnis - allerdings noch kein Schritt in Richtung "Heilung von Alzheimer"; aber möglicherweise ein wichtiger Schritt, um diese grausame Krankheit besser zu verstehen.