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Demographie, Wirtschaft und Familie

"Nicht das Altern der Bevölkerung, sondern der absehbare und sich veraussichtlich beschleunigende Rückgang unserer Bevölkerung ist das zentrale demographische Problem."

Von Kostas Petropulos | 28.11.2005
    Mit dieser These sucht der renommierte Bielefelder Sozialwissenschaftler Franz-Xaver Kaufmann die Aufmerksamkeit besonders der Politik und der Wissenschaft auf sein neuestes Buch zu lenken. Sein Titel "Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen". Darin macht Kaufmann klar, dass unsere Bevölkerungsentwicklung die Chancen auf mehr Wirtschaftswachstum immer weiter sinken lässt. Weniger Menschen bedeuten sinkende Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen im Inland, Wertverluste von Immobilien, steigende Kosten für Krankheit und Altenpflege, scharfe Verteilungskonflikte etwa zwischen Erwerbstätigen und Ruheständlern. Für diese Einschätzung liefert der Sozialwissenschaftler in seinem gut gegliederten Buch viele solide ökonomische und soziologische Fakten.

    Grund dieser demographischen Fehlentwicklung ist der Kinderschwund hierzulande. Das ist nicht ganz neu. Kaufmanns Verdienst ist jedoch, vorzurechnen wie groß dieses Defizit mittlerweile ist. Kinder und Jugendliche mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten bilden – ökonomisch gesprochen – das so genannte Humanvermögen einer Gesellschaft. Nimmt man das Ziel der demographischen Balance zum Maßstab, sind zwischen 1972 und dem Jahr 2000 9,6 Millionen Kinder zu wenig geboren worden. Die Kosten für diese fehlenden Kinder konnten sich die bundesdeutschen Privathaushalte und die öffentliche Hand sparen. Das Ergebnis:

    " "Die "Investitionslücke" in das deutsche Humankapital infolge der unter dem Reproduktionsniveau liegenden Fertilität während der letzten dreißig Jahre darf also in erster Annäherung auf mindestens (....) 2.500 Milliarden Euro geschätzt werden."

    Das ist mehr als die bundesdeutsche Volkwirtschaft pro Jahr leistet. Oder anders gesagt: Diese Zahl liegt siebzehnmal höher als die offiziellen jährlichen Gesamtausgaben des Staates für Kinder und Jugendliche.

    Somit besteht dringender Handlungsbedarf. Deshalb sucht Franz Xaver Kaufmann im zweiten Teil seines Buches zunächst Antworten auf die Frage nach den Gründen des Kinderschwundes. Systematisch geordnet liefert er eine Zusammenstellung der wichtigsten Ursachen: Angefangen mit der Ausgliederung der Erwerbsarbeit aus dem Familienhaushalt im Zuge der Industrialisierung bis hin zum fundamentalen Wertewandel in den westlichen Gesellschaften gegenüber der Sexualität, der Ehe und der Kinderlosigkeit.

    Besonderes Gewicht kommt nach Auffassung des Bielefelder Soziologen dabei den so genannten "strukturellen Rücksichtslosigkeiten von Gesellschaft und Wirtschaft gegenüber den Familien" zu. Weder in der Wirtschaft noch in den sozialen Sicherungssystemen werde ausreichend Rücksicht darauf genommen, dass Erwerbstätige zugleich Elternverantwortung tragen oder aufgrund ihrer Elternverantwortung nicht erwerbstätig sein können. Unterm Strich würde so die Entscheidung gegen Kinder wirtschaftlich belohnt.

    Hier müsse eine effektive Politik der Nachwuchssicherung ansetzen. Entscheidend sei dabei, den Eltern nicht bestimmte Lebensmodelle aufzudrängen, sondern ihnen die Wahl zwischen den unterschiedlichsten Modellen strukturell zu ermöglichen.
    Teil dieses politischen Neuansatzes müsse zwingend auch die Thematisierung der ausgeprägten Kinderlosigkeit im Lande sein. Dass Kinderlose gegenüber Eltern privilegiert seien, werde wohl anerkannt, aber politisch trotzdem nicht korrigiert.

    In dem fundierten Buch von Franz-Xaver Kaufmann kommt lediglich ein Aspekt zu kurz. Die von ihm kritisierte "strukturelle Rücksichtslosigkeit" der Wirtschaft oder noch allgemeiner formuliert der modernen Arbeitswelt gegenüber den Familien.

    Wie diese Rücksichtslosigkeit von Eltern und ihren Kindern ganz alltäglich erlebt wird, veranschaulicht das von Nikola Biller-Andorno herausgegebene Buch "Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen." Es stellt die Lebenssituation von Akademikerinnen im Wissenschaftsbetrieb in den Mittelpunkt. Diese erfreuen sich bekanntlich in der familienpolitischen Debatte größter Aufmerksamkeit. Ihre überdurchschnittlich hohe Kinderlosigkeit treibt allen Politikern tiefe Sorgenfalten auf die Stirn. Umso mehr interessiert, wie die Betroffenen selbst ihre Lage sehen. In dem Sammelband kommen mehr als dreißig Mütter zu Wort. Mütter aus den unterschiedlichsten Fachdisziplinen, junge wie alte, prominente und nicht-prominente, alleinerziehend oder in einer Ehe lebend. Gemeinsam ist ihnen, dass sie den Spagat zwischen einem erfüllendem Beruf und Familie hinbekommen. Allerdings – und das macht das Buch höchst lesenswert – bekennen viele von ihnen freimütig, welchen Preis sie dafür bezahlen müssen. In ihrem Vorwort bringt es die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes Jutta Limbach so auf den Punkt:

    "Ein Mangel an Muße und ein weitgehender Verzicht auf außerhäusliche Geselligkeit sind unvermeidliche Opfer eines solchen Doppellebens. Und noch immer verlangt das Doppelleben von Mutterschaft und Wissenschaft ein Übermaß an Willenskraft, Selbstvertrauen und Selbstdisziplin sowie eine gute Gesundheit. Das gilt auch für die Kinder."

    Nüchtern räumen die meisten Autorinnen ein, dass der moderne Wissenschaftsbetrieb in seinen Ansprüchen an den Einzelnen grenzenlos ist. Tägliche Arbeitszeiten von mindestens 10 Stunden oft bis in den Abend und ins Wochenende hinein verstehen sich von selbst; die Teilnahme an internationalen Konferenzen oder längere Forschungsaufenthalte im Ausland ebenso.

    Bereits das macht den Aufbau einer stabilen Partnerschaft zu einem schwierigen Unterfangen. Die Autorinnen haben sich dennoch für Kinder entschieden – allerdings auffällig oft nur für ein Kind. Und bei der entscheidenden Frage, wer die Betreuung übernimmt, fallen die Antworten teilweise höchst unterschiedlich aus. Die meisten Mütter haben sich nach der Geburt ihrer Kinder nur für wenige Wochen oder Monate vom Wissenschaftsbetrieb zurückgezogen. Die gesetzliche, dreijährige Familienzeit war für alle undenkbar. Anschließend organisierten sie oft Helferinnen, die ihnen die Betreuung der Kinder für den größten Teil des Tages abnahmen. In seltenen Fällen übernahm der Partner diese Aufgabe. Selbst mit externer Hilfe gab und gibt es immer noch derart viel zu tun, dass der Familienalltag ein ständiger Kampf gegen die Uhr ist. Das ist nicht nur für die Mütter ein Kraftakt, der an ihrer seelischen und körperlichen Substanz zehrt. Auch an den Kindern geht das nicht spurlos vorüber. Sie müssen ständig funktionieren, um den dichten Zeitplan ihrer Mütter und Väter nicht durcheinanderzubringen. Die achtzehnjährige Tocher einer Direktorin eines Max-Planck-Forschungsinstitutes hat daraus ihrer eigenen Schlüsse gezogen. Ihre Mutter berichtet:

    "Für sie hat die Art und Weise, wie ich mein Leben organisiere, keinen Vorbildcharakter. So weigerte sie sich beispielsweise bis vor kurzen, eine Uhr zu tragen. Sie weiß, dass mein Leben wirklich sehr stark von der Uhr regiert wird. Das ist der Preis meiner Karriere, ich muss absolut effizient sein. Und demgegenüber zeigt sie eine deutliche Ablehnung."

    Natürlich haben sich alle Mütter darüber Gedanken gemacht, was passieren müsste, um dem Stress für sie selbst, ihre Partner und ihre Kinder ein Ende zu machen. Die meisten von ihnen rufen nach dem forcierten Ausbau öffentlicher Ganztagskinderbetreuung. Einig sind sich alle in der Forderung nach Abschaffung der familienfeindlichen universitären Gremiensitzungen zwischen 16 und 20 Uhr. Auffällig wenige Frauen kommen auf den Gedanken, die Mütter- und familienfeindlichen Strukturen des Wissenschaftsbetriebes grundsätzlich in Frage zu stellen. Etwa eine alleinerziehende Professorin für Immunologie:

    "Eine wissenschaftliche Karriere vollzieht sich im Kontext internationaler Konkurrenz - das heißt auch im Wettbewerb mit Männern und kinderlosen Frauen, die sich zeitlich beinahe unbegrenzt einbringen können und dieses oftmals auch tun."

    Die jahrzehntelange Frauenfeindlichkeit der Hochschulen ist einer offenkundigen Mütterfeindlichkeit gewichen. Wie der wirkungsvoll zu begegnen ist, darüber gibt der Beitrag von Dagmar Schipanski kompetente Antworten. Die gelernte Physikerin und Mutter zweier Kinder war bis letztes Jahr Wissenschaftsministerin in Thüringen. Sie macht eine Reihe konkreter Vorschläge. Der wichtigste: Wissenschaftlerinnen mit Kindern brauchen berufliche Sicherheit. Deshalb sollten sie die Möglichkeit auf eine garantierte Beschäftigung von mindestens sechs Jahren erhalten. Damit könnten Sie sich dann nach der Geburt in Ruhe ein oder zwei Jahre Zeit für ihre Kinder nehmen. Den Einwand, damit würden sie den fachlichen Anschluss verlieren, wischt Schipanski mit Blick auf ihre vielfältigen Erfahrungen vom Tisch. Letztlich, so klingt es im Beitrag von Schipanski an, geht es beim Thema Kinder und Karriere nicht nur bei Wissenschaftlerinnen im Kern um eine Frage: Welchen Stellenwert hat die Erwerbsarbeit und die Tätigkeit in der Familie? Dazu findet sich in dem vorliegenden Sammelband nur ein Beitrag, der grundsätzlich darüber nachdenkt. Er stammt von der Informatikerin Petra Bauer, Mutter zweier Söhne. Für sie stand von Anfang an fest, dass sie trotz großer Freude am Beruf mit ihren Kindern und ihrem Partner gleichberechtigt zusammenleben wollte. Nach nüchterner Analyse kam sie für sich zu dem Schluss, dass der heutige Wissenschaftsbetrieb ihr dafür kaum eine Chance lassen würde. Deshalb ging sie in die Privatwirtschaft und fand den passenden Arbeitgeber: Nach der Geburt ihrer Kinder konnte sie lang genug aussteigen und dann mit ihrer gewünschten Form von Teilzeitarbeit weitermachen. Ihr Partner und ihr Umfeld unterstützten sie dabei. Dass sie damit zunächst keine "große Karriere" machen konnte, nahm sie bewusst in Kauf.
    Den damit gewonnen Freiraum nutzt sie indes nicht nur für ihre Kinder, sondern auch um über die Rahmenbedingungen, unter denen Eltern hierzulande leben und arbeiten müssen, systematisch nachzudenken: Viele Väter, die trotz aller politischen Appelle immer noch kaum bereit sind, der Kinder zuliebe ihre Erwerbstätigkeit einzuschränken; Mütter, die sich in ihrer Berufskarriere allein durch fehlende organisierte Ganztagsbetreuung behindert sehen; Mütter, die ausschließlich in ihren Familien tätig sind und sich dabei als "Nur-Hausfrauen" selbst abqualifizieren – all das ist für Petra Bauer Ausdruck einer in der Gesellschaft vorherrschenden Geringschätzung von Familienarbeit:

    "Die Emanzipationsbewegung hat erreicht, dass Frauen sich mehr und mehr in der "Männerwelt" der Erwerbstätigkeit behaupten, um den Preis, dass sie "Männersichten" verinnerlicht haben. Kaum jemand wird bestreiten /.../ dass die Familienarbeit, insbesondere die liebevolle und aufmerksame Hinwendung zu Kindern, eine wichtige Aufgabe ist. Warum führt dies nicht zu einer wirklichen Wertschätzung der Familienarbeit, in dem Sinne, dass sie ausreichend Selbstwertgefühl vermittelt, um von mehr Frauen und Männern als befriedigend und identitätsstiftend empfunden zu werden?"

    Wer die in dem Sammelband "Karriere und Kind" zusammengetragenen Erfahrungsberichte der Wissenschaftlerinnen Revue passieren lässt, wird dem abschließenden Urteil von Petra Bauer nur schwer widersprechen können:

    "Wenn mit Vereinbarung von Familie und Beruf gemeint ist, dass beide Elternteile weiterhin im selben Maße ihre berufliche Karriere verfolgen und gleichzeitig ein für alle befriedigendes Familienleben stattfindet, so behaupte ich, dass dies nicht möglich ist. Mit dem Eintritt von Kindern in unser Leben müssen wir an anderer Stelle loslassen."

    Eine schlichte Erkenntnis, die unserer Gesellschaft verloren gegangen ist.

    Ganz neue Einsichten will dagegen die Hamburger Journalistin Susanne Gaschke mit ihrem jüngsten Buch vermitteln. Schon der Titel "Die Emanzipationsfalle - Erfolgreich, einsam, kinderlos" dürfte für viele politisch korrekte Zeitgenossen und Zeitgenossinnen eine Provokation sein. Während sie immer noch darüber lamentieren, wie stark die Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft auf Grund ihres Geschlechtes benachteiligt seien, kommt Susanne Gaschke zu einem ganz anderen Befund.

    Heute studieren mehr Frauen als Männer; der Anteil der Frauen, die promovieren oder habilitieren, hat sich seit Anfang der 80er Jahre vervielfacht; die Zahl der Professorinnen wächst stetig. Selbst die letzte Männerbastion, nämlich die Bundeswehr, hat sich mittlerweile den Frauen geöffnet. Selbst wenn sie in diesen und anderen Bereichen noch nicht die gleiche Präsenz wie Männer erreicht haben, ist der Trend klar: Steigend und unumkehrbar. Der beruflichen Karriere stehen keine gesellschaftlichen Rollenzwänge mehr im Weg. Dennoch sei der traditionelle Feminismus in einem zentralen Punkt gescheitert – nämlich bei der Kinderfrage. Unverändert gelte:

    "dass sich für Frauen in den letzten hundert Jahren nahezu alles geändert haben mag, nur nicht das Verhältnis zu Kindern: Frauen bekommen sie, und Frauen behalten sie. Weder Väter noch Arbeitgeber halten Kinder für ihr Problem."

    Nach dieser Feststellung folgt üblicherweise die bekannte Platitude von den Männern mit ihrer "verbalen Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre" in der Kinderbetreuungsfrage. Erfreulicherweise begnügt sich Susanne Gaschke nicht mit dieser Modediagnose. Sie liefert in ihrem flott geschriebenen Buch eine differenziertere Sicht auf die Gründe, die Männer an einem partnerschaftlichen Lebensmodell hindern. Im Mittelpunkt ihrer undogmatischen Analyse stehen indes klar die Frauen. Sie sind für Gaschke nicht nur Opfer des beklagten gesellschaftlichen Missstandes, sondern maßgeblich Mitwirkende. Diese These untermauert die Journalistin mit einer anschaulichen Darstellung des Lebensgefühls der jungen Frauengeneration, ihren Prägungen, Werten, Zielen und inneren Widersprüchen. Dabei zitiert sie nicht nur informative Statistiken, sondern sie lässt sehr viel eigene biographische Erfahrungen einfließen. Am Ende zeigt für sie das moderne Frauenbild:

    "eine selbstbewusste, disziplinierte Frau, die ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt kennt und danach trachtet, sie zu optimieren; die nach dem perfekten Partner sucht, dabei allerdings oft erstaunlich weibchenhaft auftritt, während sie ihren Intellekt eher verleugnet oder vernachlässigt; eine Frau, die die Kinderfrage immer wieder verschiebt, um erst andere Aufgaben in ihrem Leben zu lösen."

    Also Einstellungen und Charakterzüge, die genau der gesellschaftlich tonangebenden Singlekultur entsprechen; einer Kultur, die von einem hedonistischen Freizeitstil bei gleichzeitiger totaler Arbeitsverfügbarkeit geprägt sei. Aus diesem Blickwinkel heraus erscheinen Kinder nur als Störfaktor.

    Deshalb ist es kaum verwunderlich, wenn die größten Gewinnerinnen der frauenpolitischen Erfolge, nämlich die Akademikerinnen, mittlerweile klare Spitzenreiterinnen bei Kinder- und Ehelosigkeit sind – eben erfolgreich, einsam, kinderlos.

    Für Gaschke ein fragwürdiger gesellschaftlicher Fortschritt. Er bedeutet nicht nur einen Verlust an persönlicher Glückserfahrung, den das Leben mit Kindern mit sich bringt; es ist zudem ein Verlust an Lebendigkeit und Zukunftsfähigkeit für unsere ganze Gesellschaft, weil dies maßgeblich mit zur Vergreisung des Landes führt.

    Vor dem Hintergrund dieser Analyse müssen echte frauenpolitische Forschritte mehr bringen, als die Verfügbarkeit von Müttern für den Arbeitsmarkt zu erhöhen – Stichwort mehr Krippen und mehr Ganztagsschulen. Notwendig sei vielmehr, ein neues Leitbild. Und zwar ein NEUES LEITBILD DES ERWACHSENEN:

    "Danach könnte niemand ein vollständiges Leben führen, der nicht wenigstens einmal versucht hat, ganz für ein Kind da zu sein."

    Die Erfahrung des intensiven Zusammenlebens mit Kindern als eigentliches Zeugnis persönlicher Reife für Männer wie Frauen? – Welche provozierende Vorstellung in einer Gesellschaft, in der Kinderlosigkeit zum neuen Tabuthema avanciert ist. Provozierend für Parteien und Medien, die zwar ständig das deutsche Rabenmüttersyndrom beklagen, während tatsächlich die vollzeiterziehenden "Nur-Hausfrauen" gesellschaftlich an den Rand gedrängt worden sind. Provozierend zudem für eine global orientierte Wirtschaft, die sich den bindungslosen Single als idealen Arbeitnehmer wünscht.

    Aber Susanne Gaschke entlässt auch die Frauen nicht aus ihrer Verantwortung. Wer partnerschaftliche Elternschaft anstrebe, müsse sich zuvor den richtigen Partner dafür aussuchen. Da gelte es Abschied zu nehmen von romantisch-verklärten Männerbildern und stattdessen mehr Rationalität bei der Auswahl einzusetzen. Diese ist noch in einem anderen, für Frauen zentralem Punkt gefragt: Beim Begriff von Weiblichkeit. Gegenwärtig sei sie untrennbar mit einem medial angefeuerten, körperfixierten Jugendkult verbunden, der das Altern komplett ausblendet. Und das, obwohl die Lebenserwartung, gerade von Frauen, immer weiter steigt.

    Unterm Strich also Gründe genug, um Susanne Gaschke auf eine "dritte Frauenbewegung" hoffen zu lassen. Deren Bindeglieder wären die Kinderfrage und das Erlebnis des Alterns. Gaschke:

    "So wie die Kinderfrage sich den Frauen anböte, um ein kollektives Bewusstsein zu entwickeln und Forderungen zu stellen, so wäre das Erlebnis des Alterns für die Frauen ein Grund, sich zu solidarisieren."
    Das war eine Rezension von Kostas Petropulos, er besprach Franz X. Kaufmann, Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen, erschienen bei Edition Suhrkamp in Frankfurt/a.M., 270 Seiten zu 10 Euro, ferner Nicola Biller-Andorno, u.a. Karriere und Kind. Erfahrungsberichte von Wissenschaftlerinnen. Campus-Verlag, Frankfurt/a.M., 328 Seiten zu 24 Euro 90 und schließlich Susanne Gaschke, Die Emanzipationsfalle - Erfolgreich, einsam, kinderlos, bei Bertelsmann in München, 256 Seiten zu 16 Euro.