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Demokraten in der Zwickmühle

Alle EU-Staaten suchen den Ausweg aus der Finanzkrise. Während das Duo Merkel/Sarkozy die EU-Kommission in Brüssel für die Überwachung der nationalen Haushalte präferiert, haben Länder wie Griechenland Angst, dass Ausländer in die Führung des Landes eingreifen. Die Briten hingegen schwanken zwischen Euroskepsis und weiterem Schaden durch die Finanzkrise.

Von Alois Berger | 05.12.2011
    Irland, Portugal, Slowakei, Griechenland, Spanien, Italien, seit gestern auch Slowenien: Die Eurokrise lässt reihenweise gewählte Regierungen aus dem Amt stürzen. In Rom und Athen stehen nun Technokraten an der Spitze, Finanzexperten, die sich noch nie einer demokratischen Wahl gestellt haben. Sie waren vielmehr die Wunschkandidaten der Chefetage von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF). Die Bevölkerung wurde nicht gefragt. In Zeiten der Krise - so scheint es - macht die Demokratie erst mal Pause. In Athen gingen an diesem Wochenende wieder Zehntausende auf die Straßen.

    Protestdemonstrationen auf dem Athener Syntagma-Platz sind nichts Neues. Viele Griechen fürchten seit Ausbruch der Krise um ihren Arbeitsplatz, um ihr Einkommen, um ihre Rente, um ihre Zukunft. Seit Monaten demonstrieren sie deshalb gegen die Sparauflagen von IWF und Europäischer Union. Vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy gelten vielen Griechen als die Urheber der harten Vorgaben. Der griechische Europaabgeordnete Michalis Tremopoulos geht noch weiter. Merkozy, wie er das deutsch-französische Duo verächtlich nennt, lege die Axt an die griechische Demokratie:

    "Einer der Grundpfeiler der Demokratie, die parlamentarische Kontrolle über den Staatshaushalt, bricht derzeit gerade weg, seit Griechenland unter die Aufsicht der Troika gestellt wurde. Die jüngsten Vorschläge von Merkozy verschlimmern die Sache noch. Danach soll der Staatshaushalt in Brüssel zur Genehmigung vorgelegt werden, um anschließend, als reine Formalität, vom griechischen Parlament beschlossen zu werden. (..) Die Wirtschaftskrise scheint nun nicht mehr nur die wirtschaftliche Lage der Bürger und die Umwelt zu beschädigen, sie hat auch ernsthafte Auswirkungen auf die Demokratie."

    Tremopoulos war Gründungsmitglied der Grünen in Griechenland. Er ist der erste und einzige grüne Europaabgeordnete der Griechen in Brüssel. Seine Partei war in Athen bislang noch nicht einmal in der Nähe einer Regierungsbeteiligung. Tremopoulos muss deshalb auch keine Rücksichten nehmen auf die politische Kaste in seinem Land, auf die griechischen Konservativen und die Sozialisten, die den Staat abwechselnd regiert und dabei an den Rand des Bankrotts gewirtschaftet haben. Zuhause kämpft er seit Langem gegen die Nea Demokratia wie auch gegen die Pasok, die den Staatsdienst aufgebläht haben, um ihrer Klientel Jobs zu verschaffen; die Korruption und Steuervermeidung zugelassen und der Umwelt schweren Schaden zugefügt haben. Aber wenn es um Demokratie, Souveränität und europäische Einflussnahme geht, dann wird der Grüne Michalis Tremopoulos zum erstaunlich einäugigen Patrioten, dann verteidigt er das griechische System und verteufelt die europäischen Institutionen:

    "Während dieser ganzen Geschichte hat sich die Rolle der Europäischen Kommission als unerfreuliche Überraschung herausgestellt, die fanatisch auf neoliberale Politik setzt. Wir hatten ursprünglich damit gerechnet, dass in der sogenannten Troika der IWF den Part des Bösewichts besetzt und die Kommission einen Ausgleich zwischen dem Spardiktat und den etablierten europäischen Werten suchen würde. Das hat sich schnell als falsch herausgestellt."

    So ist das in vielen Ländern in der Europäischen Union. Selbst wenn die eigene Regierung mit Vollgas ins Chaos steuert: Noch schlimmer scheint vielen nationalen Politikern und Bürgern die Vorstellung, dass Ausländer in die Führung des Landes eingreifen. Dabei räumen viele Griechen zugleich ein, dass sie ihrer Verwaltung alles zutrauen, nur nicht, das Land aus der Krise zu führen. Doch die nationale Souveränität ist heilig, und jede Einflussnahme von außen wird als Vergehen an der Demokratie gesehen. Das sind keine guten Aussichten für den geplanten Umbau der Europäischen Union. Denn einer der Kernpunkte des Rettungsplans für den Euro, den Angela Merkel und Nicholas Sarkozy heute in Paris noch einmal besprochen haben, sind die deutlich verstärkten Durchgriffsrechte der EU auf die Haushalts- und Finanzpolitik der Mitgliedsländer.

    Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel ist mittlerweile überzeugt, dass die Währungsunion nur zu retten ist, wenn die europäischen Institutionen unzuverlässige oder wortbrüchige Regierungen enger an die Leine nehmen können. Zementiert wird diese Überzeugung durch die schlechten Erfahrungen mit der griechischen und auch der italienischen Haushaltsdisziplin. Doch schon die Berater und Kontrolleure, die Brüssel in den letzten Monaten nach Athen geschickt hat, empfinden viele als Eindringlinge, als Organe einer fremden Macht. Griechenland sei auf dem Weg, ein anti-europäisches Land zu werden, warnt der frühere griechische Außenminister, der Sozialist Dimitris Droutsas:

    "Die griechische öffentliche Meinung hat bis in die letzten Jahre immer Spitzenwerte erzielt, was die Akzeptanz Europas im Land anbelangt. Der Grieche war von jeher sehr pro-europäisch eingestellt. Wir können dies aus den letzten Umfragedaten auch sehen. Auch das Eurobarometer spricht hier Bände davon, dass die griechische öffentliche Meinung sich bereits gegen Europa gekehrt hat."

    Doch was kann die Europäische Union dagegen tun? Jeden Monat einen Scheck unterschreiben, um das griechische Defizit auszugleichen? Die griechischen Regierungen haben in den letzten Jahren bis zu einem Drittel mehr ausgegeben, als sie eingenommen haben. Um den Schuldenberg abzubauen, müsste Athen deutliche Überschüsse erwirtschaften. Davon ist das Land noch weit entfernt. Selbst Eurobonds, gerne als Wunderwaffe gegen den Druck der Finanzmärkte angepriesen, würden am Grundproblem der immer weiteren Verschuldung erst einmal nichts ändern.

    Die Europäische Union muss Athen klare Reformvorgaben machen und diese auch kontrollieren, meint der Politikwissenschaftler und Europaexperte Josef Janning vom European Policy Center, selbst wenn viele Griechen dadurch ihre Souveränität verletzt sehen.

    "Mit der Legitimation, dass wir am Ende in einem Boot sitzen. Dass die Forderung der einen an die anderen ja ist: Helft uns und unterstützt uns, um aus dieser Krise herauszukommen. Und diese Form der Solidarität ist nicht zum Nulltarif zu haben. Und es bedeutet, dass die Europäer ihrerseits ständig den Finger in die Wunden legen, in die offenen Wunden der unerledigten Aufgaben legen und die Öffentlichkeit in Griechenland dazu zwingen, sich mit der bisherigen Politik und den bisherigen Besitzständen auseinanderzusetzen."

    Solange Griechenland für sein unmittelbares wirtschaftliches Überleben auf die jeweils nächste Tranche aus dem Europäischen Rettungsfonds angewiesen ist, solange stellt sich die Frage der Souveränität ohnehin nicht. Denn die Souveränität Griechenlands ist längst dahin: Die Athener Regierungen, links wie rechts, haben sie auf den Finanzmärkten verspielt. Im Falle Griechenlands bleibt nur die eine bittere Alternative: Entweder wird das Land von den Finanzmärkten ausgeweidet und mit zweistelligen Zinsaufschlägen in den Bankrott getrieben, oder die Europäische Union übernimmt die Bürgschaft für das Land und damit direkten Einfluss auf die Finanz- und Haushaltspolitik Athens.

    Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel wird die griechische Tragödie dennoch nur eine untergeordnete Rolle spielen: als Argument für den nächsten, weit größeren Schritt aus der Schuldenkrise. Bereits im September haben Europaparlament und Ministerrat beschlossen, die Haushaltspolitik in den Mitgliedsländern schon im Normalbetrieb stärker zu kontrollieren, damit es künftig gar nicht mehr so weit kommt wie in Griechenland. Jetzt geht es um die Frage, was passieren soll, wenn sich abzeichnet, dass der Haushalt eines Mitgliedslandes aus dem Ruder läuft. Wer soll dann eingreifen? Und wie?

    In fast allen Länder haben die Regierungen und große Teile der Bevölkerung erhebliche Probleme mit der Vorstellung, dass sich die EU-Kommission künftig noch mehr in die nationale Politik einmischen kann. Dementsprechend groß sind die Widerstände. Das Ergebnis ist eine überaus widersprüchliche Politik, wie man sie zurzeit in allen EU-Hauptstädten beobachten kann. Denn einerseits wissen die Regierungen, dass die Währungsunion nur eine Chance hat, wenn die Mitgliedsländer zur Finanz- und Haushaltsdisziplin gezwungen werden können. Andererseits möchte sich keine Regierung im Kernbereich ihrer Politik reinreden lassen.

    In einigen Ländern, allen voran in Deutschland, wird dieser Widerspruch auch noch mit demokratischen und sogar verfassungsrechtlichen Bedenken aufgeladen. Immer wieder hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit vor der Verlagerung politischer Kernkompetenzen auf die Europäische Ebene gewarnt und Bedingungen gestellt. Vor allem die Rechte des Bundestages müssten gestärkt werden. Dahinter steht die Vorstellung, dass Entscheidungen national gewählter Politiker demokratisch stärker legitimiert seien als etwa Entscheidungen von Europaabgeordneten. Der Politikwissenschaftler Josef Janning vom European Policy Center hält diese Sichtweise für überholt. Es mache einfach keinen Sinn mehr, mit nationalen Entscheidungsgremien auf internationale Entwicklungen zu reagieren, die sich davon nicht beeindrucken lassen.

    "Ich glaube, dass die Demokratiefrage darin steckt, dass Demokratie immer Souveränität voraussetzt. In dem Moment, wo ich an der faktischen Fähigkeit verliere, meine Verhältnisse zu gestalten, verliere ich auch an Demokratie. Denn: Ich kann zwar nach wie vor ein demokratisches Entscheidungssystem haben, aber wenn diese Entscheidungen gar nicht mehr im Rahmen dieses Systems zu treffen sind, nützt mir das nichts."

    Im aktuellen Fall bedeutet das: Wenn man dem Druck der internationalen Finanzmärkte etwas entgegensetzen will, dann kann man das nur zusammen mit anderen Ländern. Diese Erkenntnis hat sich inzwischen auch bei den allermeisten EU-Regierungen durchgesetzt. Dass die Europäische Union die Finanz- und Haushaltspolitik der Mitgliedsländer stärker überwachen und auch korrigierend eingreifen soll, das gilt als sicher und ist teilweise auch schon beschlossen. Umstritten ist allerdings immer noch, wer letztendlich in Brüssel für diese Politik zuständig sein soll. Geht es nach dem deutsch-französischen Duo Merkel/Sarkozy, dann wird die EU-Kommission in Brüssel für die Überwachung der nationalen Haushalte zuständig sein und die 17 Staats- und Regierungschefs der Eurozone für die Durchsetzung der gemeinsamen Finanzpolitik. Diese Art der Mischverantwortung spiegelt vor allem die Unentschlossenheit und Widersprüchlichkeit der Regierungen wieder. Sie wollen mehr europäische Politik, aber sie wollen sie dann doch nicht ganz aus der nationalen Hand geben.

    Das ist keine neue Entwicklung. Schon bei Schengen, bei der Asylpolitik, bei der Außen- und Sicherheitspolitik haben die Regierungen immer nur einen Teil der neuen Kompetenzen der EU-Kommission übertragen. Den anderen Teil haben sie für sich behalten und beraten darüber regelmäßig auf den EU-Gipfeln. Für die Außen- und Sicherheitspolitik haben die Regierungschefs faktisch sogar eine eigene EU-Behörde eingerichtet, nur um sie von der EU-Kommission fernzuhalten. Das Problem dabei ist nicht nur die Unübersichtlichkeit und die Unklarheit, wer wofür verantwortlich ist.

    Das größere Problem ist die fehlende demokratische Kontrolle. Denn das Europaparlament kann nur die EU-Kommission kontrollieren, nicht die nationalen Regierungen und ihre europäischen Ableger. Gerade in diesen Nischen zwischenstaatlicher Entscheidungen entstehen die Demokratielücken, die Europa immer wieder in Verruf bringen. Daran ändern auch die Sondergremien und Sonderausschüsse der nationalen Parlamente nichts, mit denen beispielsweise die Bundesregierung immer wieder versucht, ihre Europapolitik zu legitimieren.

    Der grüne Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit weist auf die großen Unterschiede in den nationalen parlamentarischen Traditionen hin. Das französische Parlament beispielsweise habe im Vergleich zum Bundestag kaum etwas zu sagen, in anderen nationalen Parlamenten fehlten oft die Bereitschaft oder auch die Möglichkeiten, Europäische Politik angemessen zu begleiten. Deshalb, so Cohn-Bendit, sei es demokratisch geradezu fahrlässig, sich auf die Kontrolle der nationalen Parlamente zu verlassen. Der Europäischen Rettungsfonds beispielsweise, bei dem es um mehr als 200 Milliarden Euro geht, wurde von den Staats- und Regierungschefs praktisch ohne parlamentarische Beteiligung beschlossen. Ein eklatanter Verstoß gegen die demokratischen Grundsätze, meint Cohn-Bendit.

    "Wenn man den europäischen Fonds sieht: Die einzige parlamentarische wirkliche Diskussion war im Bundestag. Das geht nicht. Das geht nicht. Der Deutsche Bundestag kann nicht die europäische Demokratie vertreten. Sondern man muss einen Weg finden, wo dies im Europäischen Parlament diskutiert wird. (...) Ich finde diese nationalen Rückwärtsrollen sehr schädlich, und das wird auch nicht funktionieren."

    Vom französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy weiß man, dass er vom Europäischen Parlament nicht allzu viel hält und dass er die Europäische Kommission schon aus machtpolitischen Gründen nicht aufwerten will. Sarkozy zieht, wie alle seine Vorgänger, zwischenstaatliche Lösungen vor, bei denen Frankreich sein politisches Gewicht stärker zur Geltung bringen kann. Zwischenstaatlich heißt immer einstimmig, da kann Paris nicht überstimmt werden, kann seinerseits aber Druck auf die Regierungen kleinerer Staaten ausüben.

    Von Angela Merkel dagegen gibt es Andeutungen, dass sie einer stärkeren Europäischen Demokratie durchaus aufgeschlossen gegenüberstünde. Dass sie in der Eurokrise trotzdem immer wieder mit Sarkozy für zwischenstaatliche Lösungen eintritt, könnte taktische Gründe haben. Denn im Augenblick geht es vor allem darum, möglichst rasch zu einer enger abgestimmten und besser überwachten Haushaltspolitik in den Mitgliedsstaaten zu kommen. Gegen den Willen Frankreichs ist das nicht zu machen.

    Mit einer zwischenstaatlichen Lösung wäre zudem auch der britische Widerstand leichter zu unterlaufen. Notfalls könnten die 17 Euro-Regierungen einen schärferen Stabilitätspakt beschließen, ohne London auch nur zu fragen.

    Die britische Regierung sendet seit Monaten höchst unterschiedliche Signale aus, was sie eigentlich will. Der Euro müsse gerettet werden, heißt es aus London, notfalls durch engere finanzpolitische Zusammenarbeit. Dann wieder fordert Premierminister Cameron, dass die Europäische Union keinesfalls neue Kompetenzen erhalten dürfe, im Gegenteil, manche Zuständigkeiten müssten an die nationalen Regierungen zurückgegeben werden. David Cameron ist ganz offensichtlich eingeklemmt zwischen der Euroskepsis seiner Parteifreunde und der Angst vor einer Verschärfung der Eurokrise, die auch der angeschlagenen britischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen würde.

    Mit welchen Forderungen der britische Premierminister beim EU-Gipfel Ende der Woche auftreten wird, ist deshalb noch ziemlich unklar. Sicher ist nur, dass Cameron versuchen wird, alles zu verhindern, was irgendwann in der Zukunft dazu führen könnte, dass die Europäische Union die Finanzindustrie enger an die Leine nehmen könnte. Denn das könnte Umsatz und Arbeitsplätze in der Londoner City kosten.

    Für den Europaabgeordneten Niccolo Rinaldi von den italienischen Liberalen ist die britische Haltung ein weiteres Argument, auf eine stärkere Einbindung des Europäischen Parlaments zu bestehen.

    "Wir sehen das in der aktuellen Krise ganz deutlich: Es gibt eine Reihe von nationalen Interessen einzelner Länder, sowohl finanzielle Interessen als auch wirtschaftliche, wie etwa die besondere Rücksichtnahme auf die Banksysteme. Das sind Interessen, die weit mächtiger sein können als die demokratischen und repräsentativen Institutionen. Deshalb bin ich überzeugt, dass der Reflex, jetzt soviel wie möglich wieder den nationalen Politikern anzuvertrauen, der beste Weg ist, den transnationalen Interessen der Finanzwelt den Weg freizumachen."

    Niccolo Rinaldi ist über die Liste des Mafiajägers Di Pietro ins Europaparlament gekommen. Er sieht sein Land nach den Jahren des lähmenden Stillstands unter Silvio Berlusconi vor gewaltigen Reformaufgaben. Die Europäische Union müsse jetzt Druck machen, sehr viel Druck, damit Rom seine Hausaufgaben macht. Für Niccolo Rinaldi ist es keine Frage, dass die Europäische Union der italienischen Regierung auf die Finger klopfen muss. Italien habe mit seiner Schuldenpolitik die ganze Währungsunion in Gefahr gebracht, meint Rinaldi.

    "In diesen Fragen ist Europa nicht deutlich genug. Wir haben Kriterien, wie hoch das Budgetdefizit sein darf und wie hoch die Gesamtverschuldung. Wir sollten zu diesen Konvergenzkriterien auch gute Regierungsführung dazufügen. Das heißt, ein erträgliches Maß an Korruption, an Steuervermeidung et cetera festlegen. Natürlich gibt es kein erträgliches Maß, aber es muss Möglichkeiten geben, die Mitgliedsländer dazu zu bringen, diese Probleme ernsthaft anzugehen. Das ist in Italien unbedingt nötig."

    Dazu wird es vorerst wohl nicht kommen. Später vielleicht, irgendwann. Doch so weit, sich gegenseitig Vorschriften für die Art der Regierungsführung zu machen, so weit sind die Staats- und Regierungschefs noch lange nicht. Auf dem EU-Gipfel diese Woche wird es vor allem um milliardenschwere Finanzbeschlüsse gehen, die die Märkte beruhigen sollen. In zweiter Linie wird es dann um eine Verschärfung des Stabilitätspaktes gehen, um neuen Krisenschüben vorzubeugen. Die demokratische Absicherung wird dabei kaum eine Rolle spielen. Dafür haben die Staats- und Regierungschefs offenbar im Moment keine Zeit.