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Den Fischen sei Dank

Evolution. - Kommunikation ist etwas Wunderbares und offenbar schon sehr früh in der Entwicklung der Lebewesen Angelegtes. US-Biologen haben in Fischen nachgewiesen, dass sie die gleichen Hirnareale zur Steuerung der Artikulation benutzen, wie Vögel und Säugetiere. Der letzte gemeinsame Vorfahr von Froschfischen und etwa Menschen aber lebte vor mehr als 400 Millionen Jahren. Die Ergebnisse werden in der aktuellen "Science" veröffentlicht.

von Dagmar Röhrlich | 18.07.2008
    "Hallo Schöne, komm’ in meine Höhle."

    Den Fischen sei dank – wir können sprechen!

    "Schatz, ich liebe Dich!"

    Fische können einen Heidenlärm veranstalten. Sie summen, grunzen, brummen, trillern sogar – machen eben alles, was die Muskeln aus der Schwimmblase herausholen, denn damit "reden" sie. So erzeugen auch die Froschfische kunstvolle Töne, mit denen sie ihre Partnerin anlocken und verführen:

    "He, macht dass Du fort kommst, das ist meine Höhle!"

    Oder mit denen sie ihr Terrain gegen jeden Eindringling verteidigen. Fische "hören" die Schallwellen unter Wasser sozusagen mit ihrem Körper. Und schon Charles Darwin hatte überlegt, ob sie ihre Fähigkeit, Töne erzeugen zu können, an die anderen Wirbeltiere weitergegeben haben. Und es sieht ganz so aus, als ob Cecilia Bartoli für die Vivaldi-Arien im Grunde die gleichen Netze aus Nervenzellen nutzt wie verliebte Froschfische.

    Am felsigen Meeresgrund der nordamerikanischen Pazifikküste bauen die Fischfrosch-Männchen mühsam unter großen Steinen eine Höhle als Nest. Darin "singen" sie dann stundenlang, damit ein Weibchen kommt und seine Eier rücklings an das steinerne Dach klebt, erklärt der Neurobiologe Andrew Bass von der Cornell University in Ithaka New York:

    "”Es scheint, als ob bei allen Wirbeltieren – sei es nun Fisch oder Mensch – ein sehr ähnlicher Teil des zentralen Nervensystems für die Tonerzeugung zuständig ist.""

    Anscheinend stecken hinter jeglicher Artikulation die gleichen Vorgänge im Gehirn, ob nun beim Reptil, Vogel, Fisch – oder Säugetier. Damit hätte die neuronale Basis jeglicher Lautäußerung einen gemeinsamen Ursprung. Bass:

    "”Dieser Teil des zentralen Nervensystems ist sehr alt, und er entstand vor mehr als 400 Millionen Jahren bei den Knochenfischen. Die Region liegt am hintersten Abschnitt des Gehirns, der die Verbindung mit dem Rückenmark herstellt. Wenn wir miteinander sprechen, müssen ja verschiedene Muskelpartien perfekt aufeinander abgestimmt werden, und das passiert in dieser Region – und zwar bei allen Wirbeltieren, die Töne erzeugen, also auch bei den Fischen.""

    Für ihre Studie hatten die Forscher die Entwicklung von Gehirn und Nervenbahnen bei Froschfisch-Larven beobachtet. Dabei entdeckten sie den Bereich mit rhythmisch feuernden Nervenzellen, die Einsatz und Zusammenspiel von Muskeln und Schwimmblase kontrollieren – und damit Tempo, Rhythmus und Dauer der Töne. Bass:

    "Alle Wirbeltiere teilen sich viele Gemeinsamkeiten bei der Entwicklung ihrer Gehirne, aber bislang haben sich die Forschungen auf die Bewegung konzentriert. Wir nahmen uns die Erzeugung von Tönen vor, weil es Teil des sozialen Verhaltens ist. Sprache ist in unserem Sozialleben äußerst wichtig, und sie ist es wohl auch im Leben der anderen Wirbeltiere."

    Zwar erzeugen Wirbeltiere ihre Töne sehr unterschiedlich: Der Mensch und andere Säugetiere besitzen den Kehlkopf, dessen Stimmbänder durch Luft zum Vibrieren gebracht werden. Die Syrinx der Vögel liegt etwas tiefer und hat spezielle Membranen und schnelle Muskeln, damit ihr Gesang ertönt. Bass:

    "”Und der Froschfisch nutzt– wie die anderen ‚sprechenden’ Fische – Muskeln, die an der Schwimmblase ansetzen. Das ist der einfachste Weg, Töne zu erzeugen – und entsprechend sind seine Geräusche auch. Bei allen Wirbeltieren steckt immer ein- und dasselbe Hirnareal dahinter, und selbst die Froschfisch-Laute lassen sie sich nach denselben Kriterien charakterisieren wie unsere Sprache: nach Länge, Intensität und Frequenzen. Wir produzieren zwar sehr viel komplexere Geräusche, aber die neuronalen Grundlagen sind gleich.""

    Ob Koloratur oder Grunzen, gesteuert wird alles im gleichen Hirnareal – und das seit mehr als 400 Millionen Jahren. Dieser Teil des Nervensystems ist also das Erbe des letzten gemeinsamen Vorfahrens aller Wirbeltiere.