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Den Haag
G7 arbeitet ohne Russland

Die G8 ist vorerst Geschichte. Die sieben anderen Mächte des Verbunds wollen ohne Russland weiterarbeiten, bis Präsident Putin in der Ukraine-Krise einlenkt. "Im Augenblick gibt es G8 nicht", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Russland reagierte demonstrativ gelassen.

25.03.2014
    Die führenden Industrienationen haben Russland wegen der Annexion der Krim bis auf weiteres aus ihrem Kreis ausgeschlossen und den für Juni in Sotschi geplanten G8-Gipfel abgesagt. Bei einem Krisentreffen als Siebener-Gruppe ohne Russland beschlossen die Staats- und Regierungschefs unter Regie von US-Präsident Barack Obama am Montag in Den Haag, ihre Teilnahme an der G8 solange auszusetzen, bis Moskau seinen Kurs ändere - was einem Ausschluss Moskaus aus der G8 ziemlich nahe kommt.
    Merkel: "Im Augenblick gibt es G8 nicht"
    "Unsere Gruppe kam wegen gemeinsamer Überzeugungen und gemeinsamer Verantwortlichkeiten zusammen", hieß es in einer G7-Erklärung in Den Haag. "Die Aktionen Russlands in den letzten Wochen sind damit nicht vereinbar." Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das politische Umfeld für das G8-Format sei derzeit nicht gegeben. "Im Augenblick gibt es G8 nicht - weder als konkreten Gipfel noch als Format."
    Angela Merkel während der G7-Konferenz in Den Haag.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht derzeit keine Chancen für einen G8-Gipfel im russischen Sotschi. (dpa / Yves Herman)
    Der G8-Gipfel hätte Anfang Juni im russischen Sotschi stattfinden sollen. Die Vorbereitungen dafür hatte der Westen bereits kurz nach der russischen Militäraktion auf der Krim ausgesetzt. Stattdessen wird es nun einen G7-Gipfel in Brüssel geben.
    Stichwort: G7/G8

    Die G7 oder G8 ("G" steht für "Gruppe") ist ein Verbund aus den größten Industrienationen der Welt. Der Austausch auf den Gipfeltreffen dient dazu, Fragen der Weltwirtschaft gemeinsam zu erörtern. Zu den G8-Staaten gehören Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada und eigentlich auch Russland, das 1998 in die Gruppe aufgenommen worden war - wenn auch ohne Vollmitgliedschaft in finanz- und währungspolitischen Fragen. 1975 als G6 gegründet, wurde die Gruppe 1976 um Kanada erweitert. Seit ihrer Gründung steht sie wegen ihrer exklusiven Zusammensetzung und mangelnder Transparenz in der Kritik.
    Ein geplantes Treffen der G8-Außenminister im April in Moskau werde laut G7-Erklärung nicht stattfinden. Die G7-Energieminister sollten über "um mögliche Wege zur Stärkung unserer kollektiven Energieversorgungssicherheit" beraten - viele Staaten beziehen große Mengen an Energie aus Russland.
    Obama droht mit "erheblichen Konsequenzen"
    In einer gemeinsamen Erklärung drohten die G7 Russland mit "erheblichen Konsequenzen". Weder das prorussische Referendum auf der Halbinsel Krim noch den Beitritt der Krim zu Russland erkenne man an. Ohne Änderung der russischen Politik werde man Wirtschaftssanktionen in bestimmten Bereichen intensivieren, "die sich in immer stärkerer Weise auf die russische Wirtschaft auswirken werden". Zuvor hatte US-Präsident Barack Obama erklärt: "Wir sind einig darin, dass Russland für sein bisheriges Handeln bezahlen muss." Der Ukraine sicherte er nach der russischen Annexion ihrer Halbinsel Krim Unterstützung von Europa und Amerika zu.
    Deutsche Unternehmen sehen von Investitionen in Russland derzeit vorerst ab, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHK, Volker Treier, im ARD-"Morgenmagazin". Auch deutsche Banken stuften Russland inzwischen als riskanteren Geschäftspartner ein und vergäben weniger Kredite. Der Rubel hatte zuletzt deutlich nachgegeben.
    Unruhe in Russlands Anrainerstaaten
    Russlands Präsident Wladimir Putin sicherte sich derweil die uneingeschränkte Hoheit über die umstrittene Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Die Ukraine ordnete am Montag den vollständigen Abzug ihrer Streitkräfte an. Nach ukrainischen Angaben ist etwa die Hälfte der Soldaten auf der Halbinsel zu den russischen Truppen übergelaufen. In den russischen Anrainerstaaten gibt es Unruhe. Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter sagte im Deutschlandfunk, dass man die Nato-Zugehörigkeit der baltischen Staaten oder Polen "deutlich machen" müsse. Das Nato-Vertragsgebiet soll für Russland eine "rote Linie" sein. Nicht nur im Osten der Ukraine gibt es große russischsprachige Bevölkerungsanteile. Auch in den baltischen Staaten, im Norden Kasachstans oder im Osten Moldawiens
    Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Regierungssitzung am Montag
    Russlands Präsident Wladimir Putin bei einer Regierungssitzung am Montag (afp / Alexei Nikolsky)
    Russland gibt sich unbeeindruckt
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow, der sein Land beim Nukleargipfel vertritt, reagierte demonstrativ gelassen. "Wenn unsere westlichen Partner glauben, dass sich die G8 überlebt hat, werden wir uns nicht daran klammern", sagte er vor Journalisten in Den Haag.
    Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Den Haag
    Russlands Außenminister Sergej Lawrow in Den Haag (afp / Yves Herman)
    "Die G8 ist ein informeller Club, da gibt es keine Mitgliedsausweise, da kann keiner jemanden herauswerfen." Lawrow zeigte sich sicher: "Jetzt werden alle wichtigen Fragen in der G20 diskutiert."
    Stichwort: G20

    Die G20 ist die Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Seit 1999 besteht der Verbund aus 19 Staaten und der Europäischen Union. Die Treffen, an denen neben den Staats- und Regierungschefs auch die Finanzminister und Zentralbankchefs teilnehmen, dienen vor allem zur Klärung von Fragen des internationalen Finanzsystems.
    Immerhin: Lawrow kam in Den Haag mit US-Außenminister John Kerry zusammen. Nach Informationen der russischen Staatsagentur Itar-Tass traf Lawrow auch seinen ukrainischen Kollegen Andrej Deschtschiza. Es ist das ranghöchste Treffen zwischen Moskau und Kiew seit dem Machtwechsel in der Ukraine. Merkel hatte zuvor in einem Telefonat mit Putin deutlich gemacht, dass eine Truppenkonzentration "nicht als Bemühung um Entspannung verstanden werden kann".