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Den Rechten nicht die Kulturhoheit überlassen

In den ländlichen Gegenden in den neuen Bundesländern ist die NPD in vielerlei Hinsicht aktiv: Sie organisiert Dorffeste oder kümmert sich um Jugendliche. Nach Angriffen auf Theaterleute in Sachsen-Anahlt will man Zeichen gegen den Rechtsextremismus setzen. Der Regisseur Matthias Wolff versucht in Mecklenburg-Vorpommern, Theater-Allianzen gegen Rechts zu schaffen, mit denen er die kulturellen und ideologischen Kreise der Neonazis stört.

Von Almuth Knigge |
    " Diese Rundheit liegt mir einfach nicht, das ist alles zu klumpig, das erinnert mich an.. du weißt schon was ... und deshalb müssen wir uns auch um die Schwerkraft kümmern..."

    Der Hitler auf der Bühne in Taboris "Mein Kampf" ist eine lächerliche Figur - wie er so albern zerfressen ist vom Hass auf alles Runde - und die Juden. Zudem wird er auch noch von einer Frau gespielt. Das irritiert - und schafft Platz in den Zuschauerköpfen für neue Sichtweisen. Das ist zumindest die Absicht der Neustrelitzer Theatermacher um Dramaturg Matthias Wolff. Wolff und seine Kollegen führen schon seit langem einen Kampf - mit den rechtsextremistischen Kameradschaften - um die kulturelle Hegemonie auf dem Land.

    "Also wenn hier zum Jahrestag der Vollstreckung der Todesurteile der Nürnberger Prozesse von der Mecklenburgischen Aktionsfront im Schlossgarten von Neustrelitz am Kriegerehrenmal ein Kranz abgelegt wird, den Opfern der alliierten Siegerjustiz irritiert das erst mal und wenn am Holocaust Gedenktag am Bahnhof ein Kranz niedergelegt wird den Opfern des Naziregimes und der wird drei Tage später - am 30. Januar, der Linkspartei zerfetzt vor´s Büro geworfen, weiß man eben, dass diese beiden Sachen in Zusammenhang stehen. Also es gibt einen Kampf um die Kultur des Gedenkens an Vergangenheit."

    Auf dem Theaterplakat zu "Mein Kampf" war der Hitler von Otto Dix zu sehen - den der Grafiker auf einen Nachttopf gesetzt hat ... das ließen die "Kameraden" nicht unwidersprochen und bewarfen die Plakate mit brauner Farbe. In den armen ländlichen Gegenden nicht nur in Vorpommern - aber vor allem da - wird die NPD, werden die Neonazis wahrgenommen als eine Gemeinschaft von Menschen, die hiergeblieben sind, um sich zu kümmern. Die Kinder und Jugendliche von der Straße holen. ihnen am Ende sogar Ausbildung und Arbeit geben. Und die Dorffeste, das einzige, was geblieben ist, mit Volkstanz-Einlagen verschönern wollen - mit einem breiten Repertoire an Liedern im Programm. Zwischen "am Brunnen vor dem Tore" und "Das Wandern ist der Müllers Lust" mischen sich fast unbemerkt, aber vor allem unwidersprochen, oft Soldatenlieder aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg "Ein junges Volk steht auf, zum Sturm bereit! Reißt die Fahnen höher, Kameraden! Wir fühlen nahen unsere Zeit, Die Zeit der jungen Soldaten."

    "Am Wahlabend, als klar war, dass die NPD in den Landtag einzieht, kriegte ich ´ne SMS von Annett Wöhlert, unserer Oberspielleiterin, die die Sachen auch alle inszeniert, Mein Kampf, Bidermann und die Brandstifter, Jubiläum, das ist Chefsache bei uns, sie sagte, Matthias jetzt haben wir einen Auftrag. "

    "Horch - es brennt" heißt das Projekt des Theaters. Zivilgesellschaft will es stärken, über Werte diskutieren. Der Auftrag, den sich die Neustrelitzer Kulturleute gegeben haben ist uralt - und prangt an der Kuppel des alten Residenztheaters.

    "Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben - sie sinkt mit euch, mit euch wird sie sich heben. so ist es ja."

    Den Schillerschen Auftrag nimmt Dramaturg Matthias Wolff ernst.

    "Klar, die Schaubühne als moralische Anstalt - das ist schon auch ein Anspruch an Theater. Den muss man nicht moralinsauer umsetzen, jedem Schläger den Schlagstock aus der Hand nehmen zu wollen, dafür gibt es andere Instanzen in Deutschland aber ein politischen, moralisches, ästhetisches Bewusstsein schärfen, das fängt im Alltag an, und ich sach mal, wenn das große Symphonieorchester mit Jugendorchestern oder Laien Beethoven spielt - wer da ´ne Geige anfasst, der schmeißt nicht auf den politischen Gegner mit Steinen."

    In dem Bündnis für Demokratie und Toleranz, das sich im Südosten Mecklenburgs gegründet hat, nimmt das Theater die aktivste Rolle ein. 300 km weiter, ganz im Westen Mecklenburgs, in Lübtheen, ist das ähnlich. Hier steht, mitten auf einer Wiese, ein altes Fachwerkhaus - ein paar bunte Lampen über dem Eingang weisen den Weg in die Kulturkate. Auch hier, im Wahlkreis des NPD-Fraktionsvorsitzenden Pastörs wird gekämpft. Auch hier spielt das Theater im Kampf gegen Rechts, für Demokratie und Toleranz, die zentrale Rolle, wenn es darum geht, die kulturellen, ideologischen Kreise der Neonazis zu stören. Die Theaterleute binden zunehmend Jugendliche in die Arbeit ein. Auf und hinter der Bühne. Und trotzen damit erfolgreich der Rattenfängerei der rechtsextremen Kameradschaften. Für diese Arbeit hat das Team der Kulturkate um Volkart Matzen kürzlich von Wolfgang Schäuble den Bundespreis für Demokratie und Toleranz verliehen bekommen. Auch, weil sie seit 10 Jahren kulturelle Grundversorgung auf dem Lande leisten. Volkstheater, Unterhaltung. Demokratische Basisarbeit - die 5000 Euro Preisgeld sichern die Arbeit des nächsten Jahres. Trotz großen Zuspruchs muss das Theater ständig um die Existenz kämpfen.

    "Ja natürlich besonders in solchen Räumen wie hier - in den dünn besiedelten.. oder auch Vorpommern - da ist es ganz wichtig die Politiker daran zu erinnern, was Richard von Weizäcker schon in den frühen 80er gesagt hat, nämlich dass man dafür sorgen sollte, dass der Anspruch auf kulturelle Versorgung eine Grundrecht werden sollte, leider ist da noch nicht so wahnsinnig viel passiert. "

    Vor kurzem war der Bundespräsident in Lübtheen und hat sich eine Aufführung des "Sommernachtstraums" angeschaut. Im Blitzlichtgewitter der Kameras hat der Landrat schnell noch einen Förderbescheid übergeben. Eigentlich, sagt Matzen, müsste der Bundespräsident jedes Jahr kommen.