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Den Standort des Fotografen verschleiern

Technik. - Fotografen, die Prügelorgien von Ordnungskräften dokumentieren, leben gefährlich: Die Behörden können mithilfe geometrischer Berechnungen herausfinden, von wo und damit unter Umständen auch von wem die Bilder geschossen wurden. Genau das will ein Forscherteam nun verhindern - und zwar mit einer neuen Software.

Von Frank Grotelüschen |
    2007 in Myanmar, auch bekannt als Burma. Die Polizei prügelt auf Demonstranten ein, die für die Demokratisierung ihres Landes auf die Straße gegangen sind. Das Militärregime will nicht, dass Kundgebung und Polizeigewalt fotografiert und im Internet veröffentlicht werden. Deshalb filmen Polizeiagenten die Demonstration und werten das Material aus: Welcher Demonstrant macht Bilder, entweder mit einer Kamera oder einem Fotohandy?

    "Anhand des polizeilichen Videomaterials konnte das Regime damals einige der Fotografen identifizieren. Mitten in der Nacht wurden sie verhaftet, ihre Kameras beschlagnahmt und manche von ihnen bekamen eine Menge Ärger."

    Shishir Nagaraja ist Computersicherheitsexperte am Indraprastha Institut für Informationstechnologie im indischen Delhi. Ihn brachten die Unruhen in Myanmar darauf, sich mit folgender Frage zu beschäftigen: Wie kann man Fotografen besser vor politischer Verfolgung schützen? Von der simplen Strategie, eine Demonstration mit einer versteckten Kamera zu fotografieren, etwa von einer Wohnung aus, hält er wenig. Denn:

    "Wenn das Bild im Internet veröffentlicht wird, können die Behörden sehr wohl rekonstruieren, von wo aus dieses Bild gemacht wurde, also wo die versteckte Kamera positioniert war. Und damit ist dann oft auch klar, wer das Bild gemacht hat."

    Die Behörden nutzen dazu eine Software, die mithilfe geometrischer Berechnungen den Standort des Fotografen ermittelt, und zwar ziemlich genau. Gemeinsam mit Forschern der Universität Luxemburg arbeitet Nagaraja an einem Programm, das diese Software austricksen soll. Die Forscher nutzen dazu ein Verfahren der elektronischen Bildverarbeitung. Es basiert darauf, dass von ein- und derselben Szenerie zwei Bilder aufgenommen werden, und zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln – wobei grundsätzlich egal ist, ob die Bilder von ein- und demselben Fotografen stammen oder von verschiedenen.

    "Wenn wir zwei Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln haben, kann unsere Software daraus ein neues, drittes Bild erzeugen. Dieses synthetische Bild ist dann vermeintlich aus einem anderen Blickwinkel geschossen worden – einem Blickwinkel, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Versucht dann jemand, aus diesem synthetischen Bild den Standort des Fotografen rekonstruieren, wird er zwangsläufig in die Irre geführt."

    Als Beispiel zeigt Nagaraja zwei Fotos von aufgestellten Kegeln, aufgenommen aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Das dritte, von der Software errechnete Bild zeigt dieselben Kegel aus einem Blickwinkel, der zwischen den beiden ursprünglichen liegt. Die Bildqualität allerdings ist noch nicht optimal. An manchen Stellen mogelt die Software Schatten dazu, die vorher gar nicht vorhanden waren. Das Problem: Solche Artefakte deuten darauf hin, dass das Foto manipuliert wurde. Hier müssen und wollen die Forscher noch nacharbeiten.

    "Was die Sicherheit anbelangt sind wir noch ein ganzes Stück von unseren Zielen entfernt. Vor allem müssen wir die Qualität der synthetischen Bilder deutlich steigern. Denn anhand der Fehler, die unsere Software noch erzeugt, lässt sich theoretisch dann doch herausfinden, von wo aus die ursprünglichen Fotos gemacht wurden."

    Ein bis zwei Jahre Laborarbeit noch, dann sollte die neue Methode wasserdicht sein, hofft Nagaraja. Und sollte sie sich im Feldversuch bewähren, könnte man sie im Prinzip einfach als App, als Zusatzprogramm auf ein Smartphone laden.

    "Dann könnten zum Beispiel zwei Journalisten, die sich miteinander abgesprochen haben, mit ihren Smartphones Bilder von einer Demonstration aufnehmen, jeder aus seinem Blickwinkel. Die Software würde beide Bilder automatisch zu einem synthetischen Foto kombinieren, das vermeintlich von einem ganz anderen Ort aus gemacht wurde."