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Den Wurzeln beim Wachsen zusehen

Klimaforscher sagen immer mehr trockene und heiße Sommer für unsere Breiten voraus. Wie sich das auf die deutschen Wälder auswirken könnte, untersuchen Forscher im Göttinger Wurzellabor. Sie schauen den Wurzeln beim Wachsen zu und versuchen herauszufinden, wie gut sich einzelne Baumarten an die Trockenheit anpassen können.

Von Sibylle Braun | 06.07.2006
    Welche Bäume vertragen Trockenheit am besten? Wie reagiert ein Baum, wenn es zwei Wochen lang keinen einzigen Tropfen regnet? Die Antworten darauf soll das Göttinger Wurzellabor liefern. Dafür wurden mehrere jeweils acht Kubikmeter große Container mit Erde gefüllt und in sie hinein kleine Bäumchen gepflanzt. Längs und quer wurden zuvor Plexiglasröhren eingesetzt. Um diese herum wachsen die Wurzeln. Sie reichen jetzt etwa einen halben Meter tief. Die Biologie-Doktorandin Ina Meier schaut mit einer Spezialkamera in die Röhren hinein:

    "Das ist jetzt hier der Wurzelscanner. Den führe ich ein in diese Glasröhre. Er fährt dann einmal um die eigene Achse und nimmt das Bild von der gesamten Röhre auf."

    Solche Einblicke ins Erdreich sind sonst nur Maulwürfen und anderen Erdbewohnern vorbehalten gewesen. Nun können im Göttinger Wurzellabor auch Wissenschaftler den Wurzeln beim Wachsen zuschauen. Denn bei herkömmlichen Untersuchungsmethoden werden die Wurzeln zerstört durch das Ausgraben, Ina Meier:

    "Die Röhren sind eigentlich die einzige Möglichkeit, Wurzeln über einen längeren Zeitraum zu beobachten. Man kann sich die Längenentwicklung anschauen, die Dicke von Wurzeln bestimmen, Verfärbungen der Wurzeln und auch ihr Erscheinen und Verschwinden."

    Und sie wachsen, manche bis zu 10 cm in zwei Wochen. Die Bilder der Wurzeln schaut sich Ina Meier am angeschlossenen Computer an. Aktuelle Aufnahmen werden mit früheren verglichen. Für diesen Erstversuch wurden junge Buchen ausgewählt. Denn Buchenwälder kommen in Deutschland am häufigsten vor und auch bei Neupflanzungen steht die Buche auf Platz eins. Der Biologe Dr. Dietrich Hertel erklärt, warum Buchen aus unterschiedlichen Regionen ins Wurzellabor gepflanzt wurden:

    "Weil wir herausfinden wollen, ob in Deutschland Buchen, die an trockeneren Standorten von Natur aus vorkommen, besser an Trockenheit angepasst sind und deswegen besser zurechtkommen, als solche Buchen, die in regenreichen Gebieten wachsen, wie z.B. hier bei Göttingen im Solling, und eigentlich solche sommerlichen Trockenheiten nicht gewöhnt sind."

    In künftigen Versuchen sollen Buchen aus ganz Europa getestet werden, und auch andere Baumarten sollen hinzukommen. Sie alle sollen Trockenstress – so nennt es die Biologin – ausgesetzt werden. Aber wie funktioniert das, wenn die Container doch im Freien stehen?

    "Es gibt einen Sensor und dieser Sensor löst dann das Dach aus. Immer bei Regen fährt das Dach über das Wurzellabor. Wenn es nicht regnet, fährt das Dach wieder zurück und das Wurzellabor ist somit im Freien."

    Gegossen wird ganz klassisch mit der Gießkanne:

    "In dem Wurzellabor gibt es insgesamt acht Container. Ich habe zwei Bodenfeuchtestufen eingestellt. Einmal eine trockene und eine feuchte Behandlung. In jedem Container habe ich vier unterschiedliche Herkünfte zusammengepflanzt."

    Während die eine Hälfte der Testbäumchen in ausreichend nasser Erde wächst, haben es die anderen Bäumchen so trocken wie im Sandkasten. Da Bäume aber kaum Wasser speichern können, weder in den Wurzeln noch im Stamm, wird es schnell kritisch. Das ließ sich zumindest oberirdisch an den Bäumen schon einmal im Rekordsommer 2003 beobachten, Dr. Dietrich Hertel:

    "Sie haben viel früher ihre Blätter abgeworfen, die Blattalterung hat sehr viel schneller eingesetzt. Dadurch ist der Kohlenstoffgewinn durch die Blätter in Form der Fotosynthese für die Bäume geringer und auch das Stammwachstum in der Regel geringer gewesen. Wir wissen aber überhaupt noch nichts darüber, ob das auch eine langfristige Reaktion der Bäume ist. Das war eben ein Einzelereignis, auf das die Bäume reagiert haben."

    Die Biologen haben festgestellt, dass Blätter und Wurzeln unterschiedlich wachsen und auch zeitversetzt. So bilden sich schon im zeitigen Frühjahr neue Wurzeln, wenn sich die Knospen noch in der Winterruhe befinden. Wurzeln wachsen vor allem nach Bedarf:

    "Das führt bei großer Trockenheit im Boden dazu, dass die Wurzeln schneller absterben. Aber dann wachsen neue Wurzeln auch schneller nach. Das heißt, der Baum versucht, diese absterbenden Wurzeln zu ersetzen, um die Wasser- und Nährstoffaufnahme zu erhalten."

    Auf die im Herbst vorliegenden Ergebnisse werden auch die Forstwirte gespannt sein. Denn die Bäume, die jetzt gepflanzt werden, sollen in ihren rund 100 Lebensjahren so manchen heißen Sommer gut überstehen.