Koldehoff: Im Dezember soll mit seinem Abriss begonnen werden. Vorher schon, in den nächsten Tagen, wird ein künstlicher Berg im Inneren des Berliner Palasts der Republik die Decke durchstoßen und damit das planvolle Zerstörungswerk beginnen. Was aber danach kommen wird, ist so unklar wie eh und je. Zwar gibt es einen Beschluss, dass nach dem Abriss der Aufbau des so genannten Humboldt-Forums mit rekonstruierter Schlossfassade und kommerzieller wie kultureller Nutzung beginnen soll, woher dafür allerdings die benötigen 650 Millionen Euro plus X kommen sollen, weiß auch der rührige Förderverein nicht zu sagen, der dieses Projekt vorgeschlagen hat und politisch durchgesetzt hat.
Am Wochenende hatten im Palast der Republik eine Ausstellung begonnen mit dem Titel "Abriss und dann ...?" Sie beendet die so genannte Phase der Zwischen-Palast-Nutzung, in der seit August 2004 jeder das Gebäude bespielen durfte, der gute Ideen und das notwendige Geld dafür zur Umsetzung mitbrachte. Diese Initiative Zwischen-Palast-Nutzung hatte seinerzeit der Stadtplaner Professor Karl Ganser als Ausdruck eines offenen Kulturbegriffes und als Zeichen der funktionierende Bürgergesellschaft begrüßt. An ihn jetzt die Frage, Herr Ganser, sind damit beide offener Kulturbegriff und funktionierende Bürgergesellschaft gescheitert?
Ganser: Also der Abrissbeschluss stand ja schon lange vor der "Zwischen-Palast-Nutzung" fest - 2002 beschloss das der Deutsche Bundestag -, und daran hat sich auch nichts geändert.
Koldehoff: Aber es gab vielleicht immer die Hoffnung, je nachdem, mit welchem Inhalt man das nun füllt innerhalb dieses einen Jahres, dass man da eine Revision des Gedankens herbeiführen könnte.
Ganser: Ja, aber man sollte beachten, dass die Parteien, die an der Debatte um den Palast der Republik teilgenommen haben, im Grunde genommen fast das gleiche Ziel hatten, die für die Rekonstruktion eingetreten sind und die für den Neubau eingetreten sind. Im Grunde genommen wollten sie diesen Palast der Republik weghaben. Von daher gibt es für ein Bleiben so gut wie keine Chance. Es waren auch die, die für moderne Architektur waren. Beide waren eigentlich für ein restauratives Kulturprogramm, was ja offensichtlich unbezahlbar ist. Insofern waren sie sich eigentlich sehr nahe, und eine wirkliche Alternative lag von Anfang an nicht auf dem Tisch und konnte im Deutschen Bundestag auch nicht beraten werden. Das ist das eigentlich Schlimme am ganzen Prozess. Nun gab es eine wirklich gute Zwischennutzung für den Palast mit sehr viel Fantasie, Engagement und mit sehr vielen Gruppen, und die haben gezeigt, was man aus diesem Strukturgerüst eines ehemaligen Palastes machen kann, und zwar gar nicht auf Dauer, sondern dass man ihn permanent transformiert, ein Stück wegnimmt, etwas dazugibt, Dinge bleiben, andere kommen wieder weg. Also ein immer währender Wandel ist eigentlich die spannende Idee, aber ich glaube nicht, dass es dafür noch irgendeine Mehrheit gibt.
Koldehoff: Sie haben selber schon beschrieben, dass der Zug eigentlich abgefahren ist, aber wäre das trotzdem von Ihrer Seite noch einmal ein Plädoyer dafür, diese Kulturbaustelle mitten im Herzen Berlins bestehen zu lassen?
Ganser: Das ist auf jeden Fall besser als eine grüne Wiese auf Jahrzehnte hinaus.
Koldehoff: Was wird denn jetzt geschehen?
Ganser: Sie werden das abreißen, werden dafür 20 Millionen Euro ausgeben, die grüne Wiese einsähen, und das war es dann. Das hängt damit zusammen, dass beide Gruppen, die Modernisten und die Restaurateure, 50 Jahre DDR-Geschichte an der Stelle nicht mehr haben wollten. Weg mit der symbolischen Wirkung, und das eine Deutschland, die nationale Einheit soll her. Da war dieses ein Dorn im Auge. Deswegen glaube ich nicht, dass dieser Beschluss noch umgeworfen wird. Denen ist die grüne Wiese lieber als die Erinnerung.
Koldehoff: Gehen Sie davon aus, dass es die grüne Wiese bleiben wird, oder wird es mal etwas geben?
Ganser: Auf lange Sicht und auf lange Zeit.
Koldehoff: Aus finanziellen Gründen?
Ganser: Ja, auch aus Bedarfsgründen. Berlin hat doch in den 15 Jahren nach der Wendezeit gebaut wie die Weltmeister, meistens am Bedarf vorbei oder über den Bedarf hinaus. Das heißt, sie werden diesen Überschuss an Räumlichkeiten für Kultur, öffentliche Einrichtungen, private Wohnungen und Büros abarbeiten müssen, und sie werden lange dafür brauchen. Deswegen wird es an der Stelle lange Zeit keinen Bedarf geben.
Koldehoff: Ist das, was wir da gerade erleben, ein Berliner Spezifikum, oder kann das stellvertretend stehen für Baupolitik in Deutschland?
Ganser: Das ist in Berlin extrem. Das gibt es natürlich auch in anderen Regionen, aber in Berlin ist es extrem.
Koldehoff: Wie geht man denn oder wie könnte man mit zentralen Plätzen umgehen?
Ganser: Die Initiative "Zwischen-Palast-Nutzung" hat es ja gezeigt. Ich benutze ungern den Begriff Avantgarde, aber die waren sozusagen vor der Garde mit dem, was sie gedacht haben. Das war unheimlich kreativ, und wenn es so etwas geben sollte wie einen Weltstadtflair, dann ist es, glaube ich, doch das kulturelle Experiment und nicht die permanente Inszenierung von unserer feudalistischen Kultur mit irgendwelchen Museen.
Koldehoff: Muss so etwas denn, selbst wenn man mal die politischen Aspekte dieses Gebäudes außer Acht lässt, an ein Gebäude geklammert sein oder kann das auch ohne das Gebäude stattfinden, beispielsweise auf der grünen Wiese?
Ganser: Das wird auf der grünen Wiese keiner machen, weil daraus eine Zeltstadt würde.
Koldehoff: Weil man die Dächer schon braucht?
Ganser: Ja, man braucht Dächer, aber man braucht natürlich ein Symbol. Die Kreativität und der Impetus, den diese Leute hatten, waren natürlich auch ein Aufbäumen gegen die etablierte Gesellschaft, die daran interessiert ist, eine bestimmte Epoche deutscher Geschichte zu entsorgen.
Koldehoff: Man hat ja nach 1990 - jedenfalls konnte man den Eindruck haben - diesen Palast der Republik ganz bewusst verrotten lassen. Er musste natürlich innen asbestsaniert werden, aber man hat sich außen um die Hülle eigentlich gar nicht gekümmert. Da hingen Balken, Verkleidungen hinab, da wurden irgendwann die Glasscheiben beschlagen und nicht mehr gereinigt. Hat man das bewusst so verkommen lassen, um damit ein Argument für den Abriss zu schaffen?
Ganser: Ich war da nicht nahe genug dran, aber meine Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet zeigen mit schon, dass natürlich diejenigen, die am Abriss interessiert sind, bewusst Gebäude verkommen lassen - manchmal werden sogar Vandalen eingestellt -, damit sich Volkes Stimme aufregt, damit es wegkommt. Ich weiß nicht, ob es in Berlin bewusst gemacht wurde. Es ist ja nicht so schlimm, wenn so ein Gebäude in schlechtem Zustand ist, aber immer noch den gesamten Erinnerungswert hat. Da kann man viel draus machen.
Koldehoff: Wenn denn tatsächlich im Dezember - und es sieht alles danach aus - mit dem Abtragen und dem Abriss begonnen wird, wird man damit denn tatsächlich schaffen, auch ein Stück deutscher Geschichte, nämlich den Teil DDR zu entsorgen? Gelingt so etwas?
Ganser: Also ich habe mit großem Interesse einen Essay von Rem Kohlhaas gelesen, und er hat die These aufgestellt, dass mit dem Abriss des Palastes der Republik so etwas aufgebaut wird wie eine unstillbare Sehnsucht genau an diesen Ort, und es gäbe dann so eine Art Sehnsuchtskonkurrenz, nämlich diejenigen, die an diesen 50 Jahren hängen, und diejenigen, die diese 50 Jahre durch eine Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses entsorgen wollen. Ein hochspannender und psychischer Prozess.
Koldehoff: Das würde dann aber bedeuten, dass die Schlossbefürworter wieder sehr schnell auf den Plan treten müssten, um tatsächlich ihre Zichhundert Millionen wieder zusammenzubekommen?
Ganser: Ja, können sie aber nicht.
Am Wochenende hatten im Palast der Republik eine Ausstellung begonnen mit dem Titel "Abriss und dann ...?" Sie beendet die so genannte Phase der Zwischen-Palast-Nutzung, in der seit August 2004 jeder das Gebäude bespielen durfte, der gute Ideen und das notwendige Geld dafür zur Umsetzung mitbrachte. Diese Initiative Zwischen-Palast-Nutzung hatte seinerzeit der Stadtplaner Professor Karl Ganser als Ausdruck eines offenen Kulturbegriffes und als Zeichen der funktionierende Bürgergesellschaft begrüßt. An ihn jetzt die Frage, Herr Ganser, sind damit beide offener Kulturbegriff und funktionierende Bürgergesellschaft gescheitert?
Ganser: Also der Abrissbeschluss stand ja schon lange vor der "Zwischen-Palast-Nutzung" fest - 2002 beschloss das der Deutsche Bundestag -, und daran hat sich auch nichts geändert.
Koldehoff: Aber es gab vielleicht immer die Hoffnung, je nachdem, mit welchem Inhalt man das nun füllt innerhalb dieses einen Jahres, dass man da eine Revision des Gedankens herbeiführen könnte.
Ganser: Ja, aber man sollte beachten, dass die Parteien, die an der Debatte um den Palast der Republik teilgenommen haben, im Grunde genommen fast das gleiche Ziel hatten, die für die Rekonstruktion eingetreten sind und die für den Neubau eingetreten sind. Im Grunde genommen wollten sie diesen Palast der Republik weghaben. Von daher gibt es für ein Bleiben so gut wie keine Chance. Es waren auch die, die für moderne Architektur waren. Beide waren eigentlich für ein restauratives Kulturprogramm, was ja offensichtlich unbezahlbar ist. Insofern waren sie sich eigentlich sehr nahe, und eine wirkliche Alternative lag von Anfang an nicht auf dem Tisch und konnte im Deutschen Bundestag auch nicht beraten werden. Das ist das eigentlich Schlimme am ganzen Prozess. Nun gab es eine wirklich gute Zwischennutzung für den Palast mit sehr viel Fantasie, Engagement und mit sehr vielen Gruppen, und die haben gezeigt, was man aus diesem Strukturgerüst eines ehemaligen Palastes machen kann, und zwar gar nicht auf Dauer, sondern dass man ihn permanent transformiert, ein Stück wegnimmt, etwas dazugibt, Dinge bleiben, andere kommen wieder weg. Also ein immer währender Wandel ist eigentlich die spannende Idee, aber ich glaube nicht, dass es dafür noch irgendeine Mehrheit gibt.
Koldehoff: Sie haben selber schon beschrieben, dass der Zug eigentlich abgefahren ist, aber wäre das trotzdem von Ihrer Seite noch einmal ein Plädoyer dafür, diese Kulturbaustelle mitten im Herzen Berlins bestehen zu lassen?
Ganser: Das ist auf jeden Fall besser als eine grüne Wiese auf Jahrzehnte hinaus.
Koldehoff: Was wird denn jetzt geschehen?
Ganser: Sie werden das abreißen, werden dafür 20 Millionen Euro ausgeben, die grüne Wiese einsähen, und das war es dann. Das hängt damit zusammen, dass beide Gruppen, die Modernisten und die Restaurateure, 50 Jahre DDR-Geschichte an der Stelle nicht mehr haben wollten. Weg mit der symbolischen Wirkung, und das eine Deutschland, die nationale Einheit soll her. Da war dieses ein Dorn im Auge. Deswegen glaube ich nicht, dass dieser Beschluss noch umgeworfen wird. Denen ist die grüne Wiese lieber als die Erinnerung.
Koldehoff: Gehen Sie davon aus, dass es die grüne Wiese bleiben wird, oder wird es mal etwas geben?
Ganser: Auf lange Sicht und auf lange Zeit.
Koldehoff: Aus finanziellen Gründen?
Ganser: Ja, auch aus Bedarfsgründen. Berlin hat doch in den 15 Jahren nach der Wendezeit gebaut wie die Weltmeister, meistens am Bedarf vorbei oder über den Bedarf hinaus. Das heißt, sie werden diesen Überschuss an Räumlichkeiten für Kultur, öffentliche Einrichtungen, private Wohnungen und Büros abarbeiten müssen, und sie werden lange dafür brauchen. Deswegen wird es an der Stelle lange Zeit keinen Bedarf geben.
Koldehoff: Ist das, was wir da gerade erleben, ein Berliner Spezifikum, oder kann das stellvertretend stehen für Baupolitik in Deutschland?
Ganser: Das ist in Berlin extrem. Das gibt es natürlich auch in anderen Regionen, aber in Berlin ist es extrem.
Koldehoff: Wie geht man denn oder wie könnte man mit zentralen Plätzen umgehen?
Ganser: Die Initiative "Zwischen-Palast-Nutzung" hat es ja gezeigt. Ich benutze ungern den Begriff Avantgarde, aber die waren sozusagen vor der Garde mit dem, was sie gedacht haben. Das war unheimlich kreativ, und wenn es so etwas geben sollte wie einen Weltstadtflair, dann ist es, glaube ich, doch das kulturelle Experiment und nicht die permanente Inszenierung von unserer feudalistischen Kultur mit irgendwelchen Museen.
Koldehoff: Muss so etwas denn, selbst wenn man mal die politischen Aspekte dieses Gebäudes außer Acht lässt, an ein Gebäude geklammert sein oder kann das auch ohne das Gebäude stattfinden, beispielsweise auf der grünen Wiese?
Ganser: Das wird auf der grünen Wiese keiner machen, weil daraus eine Zeltstadt würde.
Koldehoff: Weil man die Dächer schon braucht?
Ganser: Ja, man braucht Dächer, aber man braucht natürlich ein Symbol. Die Kreativität und der Impetus, den diese Leute hatten, waren natürlich auch ein Aufbäumen gegen die etablierte Gesellschaft, die daran interessiert ist, eine bestimmte Epoche deutscher Geschichte zu entsorgen.
Koldehoff: Man hat ja nach 1990 - jedenfalls konnte man den Eindruck haben - diesen Palast der Republik ganz bewusst verrotten lassen. Er musste natürlich innen asbestsaniert werden, aber man hat sich außen um die Hülle eigentlich gar nicht gekümmert. Da hingen Balken, Verkleidungen hinab, da wurden irgendwann die Glasscheiben beschlagen und nicht mehr gereinigt. Hat man das bewusst so verkommen lassen, um damit ein Argument für den Abriss zu schaffen?
Ganser: Ich war da nicht nahe genug dran, aber meine Erfahrungen aus dem Ruhrgebiet zeigen mit schon, dass natürlich diejenigen, die am Abriss interessiert sind, bewusst Gebäude verkommen lassen - manchmal werden sogar Vandalen eingestellt -, damit sich Volkes Stimme aufregt, damit es wegkommt. Ich weiß nicht, ob es in Berlin bewusst gemacht wurde. Es ist ja nicht so schlimm, wenn so ein Gebäude in schlechtem Zustand ist, aber immer noch den gesamten Erinnerungswert hat. Da kann man viel draus machen.
Koldehoff: Wenn denn tatsächlich im Dezember - und es sieht alles danach aus - mit dem Abtragen und dem Abriss begonnen wird, wird man damit denn tatsächlich schaffen, auch ein Stück deutscher Geschichte, nämlich den Teil DDR zu entsorgen? Gelingt so etwas?
Ganser: Also ich habe mit großem Interesse einen Essay von Rem Kohlhaas gelesen, und er hat die These aufgestellt, dass mit dem Abriss des Palastes der Republik so etwas aufgebaut wird wie eine unstillbare Sehnsucht genau an diesen Ort, und es gäbe dann so eine Art Sehnsuchtskonkurrenz, nämlich diejenigen, die an diesen 50 Jahren hängen, und diejenigen, die diese 50 Jahre durch eine Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses entsorgen wollen. Ein hochspannender und psychischer Prozess.
Koldehoff: Das würde dann aber bedeuten, dass die Schlossbefürworter wieder sehr schnell auf den Plan treten müssten, um tatsächlich ihre Zichhundert Millionen wieder zusammenzubekommen?
Ganser: Ja, können sie aber nicht.