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Denkanstöße der jungen Generation

Wenn sich die Staats- und Regierungschefs Ende März in Berlin zum Gipfel treffen, kommen zeitgleich Jugendliche aus den EU-Staaten in Rom zusammen, um über die Zukunft der Europäischen Union zu diskutieren. Es geht unter anderem um die Verfassung und das soziale Europa. Derzeit bereiten die Jugendlichen ihren Gipfel in Brüssel vor. Ruth Reichstein berichtet.

    Die Eingangshalle in einem Gebäude der EU-Kommission in Brüssel: Dutzende Seminarteilnehmer reden wild durcheinander in allen Sprachen der Union, sie hängen an ihren Mobiltelefonen und trinken den x-ten Kaffee an diesem Tag. Die Atmosphäre gleicht den üblichen Treffen der Politiker und Beamten, die dort normalerweise zusammenkommen. Der einzige Unterschied: Es handelt sich dabei keineswegs um gestandene EU-Beamte, sondern um Jugendliche aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.

    "Wir haben einen ganz anderen Ansatz als die Politiker. Die werden immer populistischer, um Wählerstimmen zu bekommen. Sie sagen nur noch, was die Menschen hören wollen. Wir können sagen und tun, was wir wollen, weil wir nicht auf Stimmenfang sind. Das macht es für uns viel einfacher, konstruktive Vorschläge zu machen","

    sagt Karolina Wysocka aus Polen. Sie ist wie rund 60 andere junge Europäer für ein paar Tage nach Brüssel gekommen, um den großen Jugendgipfel Ende März vorzubereiten. Die Ergebnisse sollen nicht etwa im Papierkorb verschwinden, sondern sie werden sogar an die Staats- und Regierungschefs geschickt, die zur gleichen Zeit in Berlin tagen werden. Eingeladen zu dem Jugend-Event haben die EU-Kommission, die deutsche Ratspräsidentschaft und Nicht-Regierungsorganisationen.

    Und die direkte Beteiligung der Jugendlichen an der EU-Politik sei äußerst wichtig, sagt Bettina Schwarzmayr, Präsidentin des Europäischen Jugendforums, das in Brüssel die Interessen der Jugendlichen vertritt. Denn die Politiker selbst hätten Jugendliche nur sehr selten auf dem Schirm:

    ""Was Lippenbekenntnisse betrifft, ganz bestimmt. Was dann Taten und Budgets betrifft, ein bisschen weniger. Ein Beispiel ist sicher die Arbeitslosigkeit. Schon 1997 und '98 wurde gesagt: Man muss Jugendarbeitslosigkeit halbieren. Jetzt haben wir neun Jahre später. Aber an Maßnahmen sieht man nur ganz wenig."

    Das ist nicht das einzige Beispiel. Selbst beim Klimaschutz denke die Generation der Politiker um die 50 eher an den eigenen Geldbeutel als an die kommenden Generationen, meint Schwarzmayr. Ewa Hedlund von der Europäischen Kommission sieht das nicht ganz so extrem, Politik sei schließlich für alle da:

    "Wir können die Jugendlichen nicht vom Rest der Gesellschaft abspalten. Europa ist für alle da, und die Probleme sind für alle die gleichen. Wir können uns also nicht nur auf die Jugendlichen konzentrieren. Aber wenn wir über die Zukunft reden, dann müssen wir natürlich vor allem an die jungen Menschen denken. Sonst kann Europa nicht überleben."

    Also diskutieren die Jugendlichen wie die großen Politiker in verschiedenen Workshops über die Zukunft Europas, die EU-Verfassung, Arbeitsmarktpolitik und Umweltschutz. Sie treffen Vertreter der EU-Institutionen und lernen die EU-Maschine von innen kennen. Das alles sollen sie dann zurücktragen in ihre Mitgliedsstaaten. Und das sei auch bitter nötig, meint Xenia Constantinou aus Zypern:

    "Die Jugendlichen in meinem Land interessieren sich schon für Europa, weil wir ein neuer Mitgliedsstaat sind und die Leute viel erwarten. Aber die Jugendlichen sind auch enttäuscht, weil die EU so gar nicht sichtbar ist in ihrem Leben. Und die EU wird natürlich auch für vieles verantwortlich gemacht, was schief läuft in unserem Land."

    Die Jugendlichen sollen nun Botschafter werden für ein positives Bild der EU: mehr Reisefreiheit, bessere Bildungschancen, Frieden und Sicherheit. All das ist auch für die jungen Europäer wichtig. Und was erwarten sie von der EU-Kommission? Xenia Constantinou, die Zypriotin hat da ganz klare Vorstellungen:

    "Die Europäische Union braucht eine viel bessere Kommunikationsstrategie. Bisher gibt es nur unglaublich teure Luftblasen wie zum Beispiel die Vertretungen der EU-Kommission und des Parlaments in Zypern. Aber die eigentliche Botschaft kommt nicht bei den Menschen, erst recht nicht bei den Jugendlichen an."